Die Schweiz mit Zürich im Zentrum will sich als digitaler Hub positionieren. Etliche Initiativen von Bund und Wirtschaft versuchen, die Bedingungen für Startups anzupassen und ein Ökosystem für Jungfirmen aufzubauen. Dennoch ziehen viele Unternehmer und Investoren weiterhin nach Berlin.

Besonders im Bankenbereich beobachte er diese Entwicklung, sagt Investor Marc Bernegger, Schweizer Ambassador für den Berliner Fintech-Inkubator Finleap. Ist dieser Schritt immer gerechtfertigt? Ein Vergleich, wo Fintechs und Insurtechs welche Vor- und Nachteile haben.

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Mitarbeiter

Berlin: In Berlin finden Startups hochqualifiziertes Personal. Viele Banker und Berater mit jahrelanger Arbeitserfahrung liessen ihre hohen Gehälter zurück und kämen nach Berlin, um in der Fintech-Szene mitzumischen, sagt Investor Bernegger. Im Vergleich zu Zürich sind hier wenige Grosskonzerne angesiedelt, die Talente absaugen könnten. Hinzu kommt, dass das Personal in Berlin günstiger als in der Schweiz sei, schwärmen Brancheninsider. In der deutschen Hauptstadt herrsche eine Freelancer-Kultur, die es  Startups erlaube, Personal temporär einzustellen.

Zürich: Auch in der Limmatstadt konzentriert sich Talent, die ETH Zürich zieht schlaue Köpfe aus der ganzen Welt an. Schwieriger ist es für Startups hier allerdings, diese zu halten. Nicht nur müssen viele kluge Köpfe das Land nach ihrer Ausbildung wieder verlassen, auch Grosskonzerne wie Google oder die Banken konkurrieren um die Talente. Ein Startup hat zunächst meist weniger zu bieten – weder beim Einstiegslohn noch bei den Benefits.

Mindset

Berlin: Das legere Leben in den Kiezen Berlins ist für viele Unternehmer attraktiv. Das erste, was viele der Banker und Berater machten, wenn sie nach Berlin kämen, sei sich den Bart wachsen zu lassen und den Anzug mit Sneakern und Hoodie zu ersetzen, sagt Bernegger mit einem Augenzwinkern. Sie seien aber bei dem, was sie starteten, mit vollen Herzen dabei, weil sie ihr altes Leben dafür aufgegeben hätten. Der Unternehmergeist ist omnipräsent.

Zürich: In der Schweiz gäbe es zwar auch viele Leute, die unternehmerisch dächten, das Leben bei Grosskonzernen sei für sie aber oft zu komfortabel, um sich auf eigene Businessideen zu konzentrieren oder bei einem Startup einzusteigen, bemängeln Insider der Startup-Szene. Viele mischten lieber in einem Innovationshub innerhalb des Unternehmens mit – festangestellt, bei regelmässigem Einkommen und Benefits. «Schweizer Jungunternehmer sind nicht besonders risikofreudig», sagte zuletzt auch George Schmidt, Managing Director Financial Services bei Accenture Schweiz zu Handelszeitung.ch. Er wünsche sich mehr Unternehmer, die etwas wagten. 

Regulierung

Berlin: Fintechs werden in Deutschland so streng reguliert wie herkömmliche Banken. Die Bundesfinanzaufsicht will allerdings eine Fintech-Einheit einrichten, die sich nur mit der Lizenz-Beantragung der neuen Player auseinandersetzen soll. Ramin Niroumand, Mitgründer vom Inkubator Finleap in Berlin, findet das gut. «Eine spezielle Fintech-Lizenz würde immer als Sonderbehandlung gelten», sagt er. «Wir wollen aber auf Augenhöhe mit den anderen Finanzdienstleistern sein. Das geht nur, wenn alle nach den gleichen Regeln spielen.»

Zürich: Die Schweiz setzt im Vergleich auf Sonderbetreuung: Der Bundesrat will einer sogenannte «Sandbox» einrichten, die den regulierungsfreien Raum für Fintechs vergrössert, eine Fintech-Lizenz einführen und die Bestimmungen zu sogenannten Abwicklungskonten ändern. Welches System sich durchsetzt - ob harter Markteinstieg oder Sonderbehandlung - wird sich zeigen.

Ökosystem und Geld

Berlin: Vom Investor über das Talent bis hin zum einfachen Service-Environment und billigen Büroflächen – Berlin bietet alles, was Unternehmer brauchen, um ihre Idee zu skalieren. Von Vorteil sei auch die Distanz zur Industrie, sagt Investor Bernegger. So könnten Startups ihre Ideen ausserhalb der Innovationsabteilungen von Unternehmen entwickeln. Weiter ist die Finanzierungslage rosiger: In Berlin ist im Vergleich zur Schweiz deutlich mehr Risikokapital vorhanden und es sind deutlich mehr Venture Funds ansässig, die für Fintechs interessant sein könnten. Spezialisierte Inkubatoren wie Finleap helfen Fintechs ausserdem, in die Gänge zu kommen – mit Finanzierung, Zugang zu Investoren, Talent und Know-How.

Zürich: In der Schweiz wird zwar viel getan, um das Ökosystem für Startups auszubauen. Dennoch habe sich die Startup-Community noch nicht so gefunden wie anderorts, sagen verschiedene Investoren. Es fehle vor allem an Risikokapital. Erich Sieber, Partner bei Inventages, der Firma, die Nestlés Venture Fund verwaltet, schlägt vor: «Wenn man Pensionskassen erlauben würde, in Venture Fonds zu investieren, die in der Schweizer basiert sein müssten, könne man eine bessere Infrastruktur schaffen». Dann würden sich hierzulande auch mehr Startups ansiedeln, sagt Sieber zu handelszeitung.ch: «Alle Leute kommen zum Geld.» Die Startup-Unterstützung wächst hierzulande zwar, ist aber nach wie vor durch einen Röstigraben geteilt: Sowohl die deutsch- wie die französischsprachige Schweiz hat ihre eigenen Inkubatoren und Förderprogramme.

Markt

Berlin: Startups mit nationalem Fokus steht in Deutschland automatisch ein Markt mit 80 Millionen Menschen zur Verfügung – das sind ganz andere Dimensionen als in der Schweiz.

Zürich: Der Schweizer Markt ist im Vergleich klein. Viele Schweizer Jungunternehmer fokussieren sich zunächst auf den nationalen Markt, teilweise sogar nur auf den deutschsprachigen Teil, sagt Investor Bernegger. Um etwas Grosses aufzuziehen, müsse man aber international denken.