Der Begriff stammt aus einer anderen Zeit und einer anderen Welt: Eigentlich bedeutet «Branding», dass man Tieren ein Brandzeichen einbrennt, um sie als Eigentum zu kennzeichnen. Heute gibt man seinen Produkten ein optisches «Brandzeichen», um sie für den Verbraucher erkennbar zu machen: Branding bedeutet den Aufbau einer Marke oder deren Erweiterung in neue Produktfelder.

Dominique von Matt: «Drei Funktionen zu erfüllen»

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Denn Marken gewinnen stetig an Bedeutung. Warum, was macht sie so faszinierend? Dominique von Matt, Mitinhaber der Werbeagentur Jung von Matt/Limmat in Zürich, weiss um ihre Anziehungskraft: «Marken erfüllen drei Funktionen: Erstens sind sie ein Leuchtturm, ein Orientierungspunkt in einer Gesellschaft, die immer chaotischer, komplexer und schneller wird. Zweitens sind sie ein Stammeszeichen. Jeder Mensch hat das Bedürfnis, seine Identität auszudrücken durch den Stil seiner Bekleidung und eben auch mit den Marken, die er nutzt. Drittens sind sie ein Qualitätsversprechen.»

Modedesigner Calvin Klein, der mit seinem Namen mittlerweile auch Uhren und Schmuck aus dem Hause der Swatch Group signiert, bringt das so auf den Punkt: «Die Menschen vertrauen den Designern, weil sie eine Ästhetik repräsentieren, ein Image haben und für etwas stehen.»

Arlette Emch: «Kern der Marke übertragen»

Hört sich schön an. Aber in der Wirtschaft geht es nicht darum, die Menschen schöner und glücklicher zu machen. Stattdessen geht es um schnödes Business: «Der Umsatz mit Schmuck ist auf der Welt viermal so hoch wie der Umsatz mit Uhren und nur ein kleiner Teil davon wird mit Markenschmuck erzielt», sagt Arlette E. Emch. «Vor etwa fünf Jahren waren es 4%, heute stammen 10% des Schmucks von Marken.» Die Entrepreneurin hat ihren Beitrag zu diesem Anstieg geleistet. Emch leitet das zur Swatch Group gehörende Unternehmen Dress your Body DYB, in dem alle Schmuckkollektionen der Bieler Gruppe entwickelt, designt und gefertigt werden also Preziosen der Uhrenmarken Swatch, Breguet, Omega, Léon Hatot und cK jewels.

Nick Hayek: «10 Prozent Umsatzanteil möglich»

Emch ist erfolgreich: Bei Swatch zum Beispiel erzielt man heute 10% des Umsatzes mit Schmuck, bei cK sogar 15 bis 20%. Konzernchef Nick Hayek ist damit mehr als zufrieden und hat bereits neue Ziele formuliert. Im «HandelsZeitung»-Interview erklärte er, dass irgendwann einmal 10% des gesamten Uhrenumsatzes im Konzern mit Schmuck erwirtschaftet werden sollen. Der nächste Schritt: «Im kommenden Frühjahr wird eine weitere Uhrenmarke der Swatch Group Schmuck vorstellen», verrät Arlette E. Emch.

Das wichtigste Ziel bei der Neuentwicklung: Der Kern der Marke, deren wichtigste Charakteristiken die Managerin Emch nennt es «die DAN» , müsse herausgearbeitet und in Schmuck übersetzt werden. «Man muss treu zu den Wurzeln einer Marke stehen. Das erfolgt sehr subtil», erklärt Emch. «Alles andere, zum Beispiel die direkte Interpretation einer Uhr in Schmuck, ist meiner Meinung nach ein Fehler.»

Caroline Gruosi-Scheufele: «Seit 20 Jahren Erfolg»

Auch für Caroline Gruosi-Scheufele, Vizepräsidentin von Chopard, Genf, ist es wichtig, «dass man beim Entwurf an Schmuck denkt und nicht die Uhr vor Augen hat». Damit ist Chopard seit über 20 Jahren erfolgreich. Damals wagte das Unternehmen den Schritt zur eigenen Schmuckkollektion und baute mit den Happy Diamonds zwischen Saphirglas tanzenden Diamanten eine absolut unverwechselbare, bis heute erfolgreiche Linie auf.

So erfolgreich, dass bisweilen fast in den Hintergrund gerät, dass Chopard ursprünglich eine reine Uhrenmarke war. Heute verkauft man ebenso viele Uhren wie Schmuck; ausserdem offerieren die Chopard-Boutiquen hochwertige Accessoires wie Düfte, Brillen oder Foulards. «Sie sind Synonym für den Chopard-Lifestyle und nehmen einen hohen Stellenwert ein», ergänzt Gruosi-Scheufele. «Denn das Detail verrät oft mehr als das Ganze, und edle Accessoires sind unabdingbare Begleiter einer Frau mit Geschmack.»

Ist dieser Griff nach anderen Produktwelten eine Zeiterscheinung? Arlette E. Emch muss bei dieser Frage nicht lange überlegen: «Ich glaube, das ist die Zukunft», sagt sie. Werber Dominique von Matt pflichtet ihr bei: «Das Thema Marke gewinnt immer mehr an Bedeutung. Bei den Konsumenten, weil die Komplexität unseres Alltags weiter zunimmt, und bei den Unternehmen, weil der Beitrag des Markenwerts zum Unternehmenswert immer mehr erkannt wird.»

Frederik Schwarz: «Grosser Name ist überlegen»

Ein Blick in die Vergangenheit bestätigt diese Einschätzung. Frederik Schwarz, Senior Jewelry Specialist des Auktionshauses Christie's Europa in Berlin, hat in Auktionen von antikem Schmuck die Erfahrung gemacht, «dass ein grosser Name Gleichwertigem überlegen ist. Ein signiertes Schmuckstück aus bekanntem Hause liegt im Verkauf 20 bis 30% über einem unbekannten Stück. Eine Signatur ist ja auch immer mit einem gewissen Anspruch an die Qualität verbunden.»

Für die Zukunft der Schmuckbranche ist also eine immer stärker werdende Konzentration auf Marken zu erwarten. «Ich glaube, dass in zehn Jahren Marken die Schmuckbranche dominieren», sagt Emch. Am stärksten werde sich dies im unteren und mittleren Preissegment entwickeln, so ihre Einschätzung.

Auch von Matt erwartet, dass Schmuck in Zukunft häufiger als Marke vermarktet wird «nicht nur von den grossen Häusern wie Cartier oder Chopard, sondern auch von Geschäften, die selbst als Marke auftreten. Zudem werden immer mehr Modehäuser eigene Schmuckkollektionen lancieren.» Gleichzeitig kennt von Matt die Besonderheiten der Schmuckbranche: «Hier spielt das Vertrauen in den Händler eine überragende Rolle. Denn es geht beim Schmuckkauf nicht nur um grosse Summen, sondern um eine Entscheidung fürs Leben. Wir wissen aus eigenen Befragungen, dass der Konsument nur bei zwei Kaufentscheidungen davon ausgeht, dass sie fürs Leben sind beim Hauskauf und beim Schmuckkauf.»

Thomas Gübelin: «Das Vertrauen ist entscheidend»

Der Juwelier des eigenen Vertrauens spielt also die wichtigste Rolle im Kanon der neuen Marken. Das erfährt auch Thomas Gübelin, Geschäftsführer der Gübelin-Gruppe mit Stammsitz in Luzern, im Umgang mit den Kunden. Mit acht Juweliergeschäften in der Schweiz steht der Name Gübelin für edlen Schmuck und feine Uhren. Branding ist für den Juwelier schon lange ein Thema die angebotene Marke heisst Gübelin. Im hochwertigen Bereich offeriert Gübelin fast ausschliesslich Schmuck aus eigenen Ateliers, der bei den Kunden für das spezielle Design, die perfekte Fertigung und die einzigartige Ausstrahlung geschätzt wird. Neue Schmuckmarken haben daneben wenig Chancen: «Unsere Kunden suchen das nicht», erklärt Gübelin.

Gübelin ist überhaupt skeptisch ob der vielen Namen, die sich auf einmal in der Juwelierswelt tummeln. «Ich frage mich, ob es eine sinnvolle Verbindung ist, wenn eine Uhrenfirma auf einmal Schmuck anbietet. Ich kann mir allenfalls vorstellen, dass ein Modelabel mit Modeschmuck erfolgreich ist.»

Vielleicht kommt ja alles ganz anders, und es bleibt so, wie es ist. Es gibt nämlich auch Uhrenfirmen, die alles andere planen als eine Ausweitung in andere Produktbereiche. Bei Rolex etwa will man voll und ganz der Uhrmacherei treu bleiben denn Schmuck hat die Luxusmarke schon vor etwa zehn Jahren angeboten. Und daran kann sich heute kaum noch jemand erinnern.

Werbung: Für Schmuck noch in den Kinderschuhen

Werbung und Marketing sind wichtige Bestandteile der Uhrenbranche; in der Schmuckwelt stecken sie noch in den Kinderschuhen. Ein Fehler, wie Fachleute konstatieren. Dominique von Matt, Mitinhaber der Werbeagentur Jung von Matt/Limmat in Zürich, hält Werbung für unverzichtbar: «Wenn eine Marke die Funktion eines Stammeszeichens haben soll, muss der Code vom breiten Publikum dechiffriert werden können. Das erreicht man nur mit Massenkommunikation.»

Auch für Caroline Gruosi-Scheufele, Vizepräsidentin von Chopard, sind «Marketing und Werbung im Luxusmarkt unabdingbare Instrumente und Voraussetzung für Imagebildung, gezielte Zielgruppenansprache und Vermittlung einer klaren Firmen- und Produktphilosophie».

Selbst für den Einzelhändler sei Werbung «sehr wichtig», sagt Thomas Gübelin, Geschäftsführer der Gübelin-Gruppe. «Wir geben dafür etwa 10% des Umsatzes aus. Ziel der Werbung ist nicht nur die Stärkung unserer Marke, sondern auch die Bestätigung unserer Kunden, dass sie das Richtige gekauft haben. Es geht für uns also nicht nur um die Gewinnung von Neukunden, sondern auch um Kundenpflege.» (iwo)