BILANZ: Herr Kielholz, mit Norman Fosters eigenwilligem Hochhaus «The Gherkin» prägt Swiss Re die Skyline Londons. Erfüllt Sie dies mit Stolz?

Walter B. Kielholz: London ist der zentrale Versicherungsmarkt der Welt, Swiss Re ist in London stark vertreten. Da hilft eine Visitenkarte wie «The Gherkin».

Sie haben sich für das Projekt stark gemacht. Warum wollte man etwas so Extravagantes?

Das war nie die Idee. Swiss Re war in London über viele Standorte verteilt, die wir zusammenführen wollten. Wir haben keine geeignete Lösung gefunden und beschlossen, selber zu bauen. Dass das Gebäude so originell herausgekommen ist, war nicht dadurch motiviert, dass wir etwas Schönes bauen wollten. Sondern dadurch, dass nur ein hochqualitatives Projekt eine Chance auf eine Baubewilligung hatte.

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Das Projekt hat in London heftige Kontroversen hervorgerufen. Hat Sie das nie irritiert?

Nein. «The Gherkin» war ja die Reduktion eines grösseren Projekts, das doppelt so hoch geworden wäre. Wir haben das Grundstück nur gekriegt, weil wir die Einzigen waren, die sich noch einmal an diese Baubewilligung herangewagt haben. Wir sagten uns, dass uns nur Qualität die Baubewilligung ermöglichen könne. Und dazu gehört nicht nur die Bauqualität, sondern auch die Ästhetik. Und ein Sinn fürs politisch Machbare.

Aus Perspektive der Schweiz, wo man mit grossartiger Architektur nicht eben reich gesegnet ist, wirkt «The Gherkin» überschwänglich und unschweizerisch.

Im Gegensatz zu London sind wir in der Schweiz mit viel hochqualitativer Architektur gesegnet. In London sind zwei Irrtümer weit verbreitet. Erstens glaubt man, gute Architektur sei teuer. Das Gegenteil ist der Fall, langfristig ist gute Architektur kostengünstiger. Zweitens glaubt man, dass Ästhetik der maximalen Ausnützung unterzuordnen sei. Auch das ist falsch. Insofern ist der Bau durchaus den Werten schweizerischer Architektur verpflichtet: Wir bauen gute Qualität und achten auf Ästhetik.

Was ist der ökonomische Vorteil, wenn man statt auf maximale Ausnützung auch auf Ästhetik setzt?

«The Gherkin» ist ein Spezialfall, weil nur eine ästhetisch überzeugende Lösung überhaupt eine grosse Ausnützung ermöglicht hat. In städtebaulich sensiblen Gebieten ist das heute überall so: Es lässt sich praktisch nirgends mehr ein hässlicher Klotz hinstellen. Deshalb ist Ästhetik ein kommerzielles Argument und kein mäzenatisches.

Swiss Re macht sich auch sonst um das Schöne verdient. Sie sponsern Kunst, Theater, Ausstellungen. Sehen Sie auch da einen kommerziellen Nutzen?

Natürlich, man muss die Beträge ja rechtfertigen können. Diese Summe ist nicht enorm, und es ist vertretbar, dass eine grosse Firma sich in diesem Rahmen an ihrem Standort engagiert. Vielleicht fällt es auf, weil wir auf Kultur fokussiert und dafür etwa im Sport nicht präsent sind.

Ihre Kunden sind ja nicht die breite Bevölkerung. Wo also liegt der Nutzen?

Wir haben ein Interesse an einer hohen Standortqualität für den Wirtschaftsstandort Zürich und für unsere Mitarbeiter, die aus über 40 Nationen stammen und von denen mehr als die Hälfte über einen Hochschulabschluss verfügt. Swiss Re nützt die hohe Lebensqualität, denn wir haben keinerlei Mühe, hoch qualifizierte Leute davon zu überzeugen, nach Zürich zu ziehen.

Erhoffen Sie sich etwas Ähnliches von der «Gurke»?

Deshalb kommt kaum jemand zu uns. Aber wenn wir das Gebäude voll vermietet haben werden – und wir sind auf bestem Weg dazu –, dann ist das ein profitables Geschäft. Und wir haben einen PR-Effekt erzielt, den wir uns anders nicht hätten kaufen können.

Jetzt lässt sich der Bauprozess samt Problemen in einem Dokumentarfilm mitverfolgen.

Dokumentarfilme sind eine moderne Form der Darstellung. Es interessiert dabei nicht nur der Baufortschritt, sondern vor allem, was sich um die involvierten Menschen abspielt.

Über die Kosten der «Gurke» schweigen Sie sich aus. Warum?

Die Kosten haben keine Relevanz, wenn man die Erträge nicht kennt. Wir müssten also die ganze Ertragsrechnung des Gebäudes offen legen. Wir befinden uns aber im kompetitiven Londoner Immobilienmarkt und wollen uns nicht von Mietern die Kostenpreise vorrechnen lassen, weil sie es in der Zeitung gelesen haben.

Kamen auch keine Fragen von Aktionären?

Wir tätigen Anlagen in Höhe von 180 Milliarden Franken im Jahr und haben in der Regel sehr gute Investitionserträge. Unser Immobilienportfeuille hatte dank seiner Qualität sogar während der Immobilienkrise der neunziger Jahre einen Leerbestand von lediglich 1,5 Prozent und erwirtschaftet daher ein hervorragendes Ergebnis.

Sie sind zuversichtlich, dass bald auch die leeren Stockwerke vermietet sein werden?

Wir wurden vom 11. September 2001 überrascht. Wir haben nicht erwartet, dass Leute einmal skeptisch wären, in Gebäuden zu arbeiten, die Wahrzeichencharakter haben. Das hat die Vermietung erschwert, hat sich inzwischen aber wieder gelegt. «The Gherkin» ist eine langfristige Anlage, und wir sind auf bestem Weg, dass sie zur lohnenden Investition wird.

Der Film «Building the Gherkin» von Mirjam von Arx läuft ab 17. November in Basel, Bern und Zürich.