Vor sechs Wochen hatten sie den Termin vereinbart, am vergangenen Samstag wollten sich Hermann Simon und Peter Drucker in dessen Haus in Claremont, 40 Kilometer östlich von Los Angeles, treffen – zum Fachsimpeln über «Profit oder Marktanteil». Eine alte Streitfrage, die Unternehmensberater Simon in seinem nächsten Buch diskutieren wird und die auch Drucker, den Urvater der Managementlehre, stets beschäftigt hat.
«Ich habe immer betont, dass Marktanteil und Profitabilität gegeneinander abgewogen werden müssen», hatte Drucker nach Lektüre des Manuskripts an Simon gefaxt. Doch als Simon die Verabredung mit ihm am Telefon bestätigen wollte, war es zu spät: Drucker war wenige Stunden zuvor verstorben, kurz vor seinem 96. Geburtstag. «Peter Drucker», sagt Simon, «war der führende Managementdenker unserer Zeit.»
Und zwar nicht nur, weil er in den 70 Jahren seines Schaffens mit seinen mehr als drei Dutzend Büchern die Basis der heutigen Managementlehre legte und Generationen von Managern und Beratern weltweit prägte – darunter auch Ex-General-Electric-Chef Jack Welch. Sondern weil er nie der Versuchung erlag, immer neue Moden, Schlagwörter, Patentrezepte lauthals zu vermarkten.
«Management», so Drucker, «ist eine Brücke zwischen Zivilisation und Kultur.» Er sah langlebige Trends voraus, oft Jahrzehnte bevor sie für andere greifbar waren: Integrität und Corporate Governance (1942), Dezentralisierung (1946), Führen per Zielvereinbarung (1954), Automation (1955) oder das Entstehen der Wissensgesellschaft (1966).
Geboren 1909 in Wien, floh Drucker 1933 erst nach London, dann in die USA. Bis zum Schluss tat er, was er seiner Meinung nach am besten konnte: schreiben. «Im Gegensatz zu dem weit verbreiteten Rezepte-für-Sieger-Müll selbst ernannter Trendscouts», sagt Peter Paschek, Personalberater und enger Freund Druckers, «wird Druckers Vermächtnis lange gültig bleiben.»