Zürich bleibt eines der weltweit wichtigsten Finanzzentren. In der jüngst veröffentlichten Studie The Global Financial Centres Index schiebt sich nur ein europäischer Ort vor die Limmatstadt: London. Global gesehen landet Zürich auf dem sechsten Platz – und macht damit einen Platz gut im Vorjahresvergleich.
Ein Wermutstropfen bleibt aber: Der Aufstieg von Zürich ist weniger der eigenen Stärke, sondern vielmehr dem Bedeutungsverlust von San Francisco geschuldet. Die kalifornische Küstenstadt hat massiv verloren, Zürich nur marginal dazugewonnen. Zum Spitzentrio Hongkong, London und New York klafft weiterhin eine riesige Lücke – und sie wird grösser. Die drei bedeutendsten Finanzzentren haben Zürich längst hinter sich gelassen und stehen einsam an der Spitze.
Schweizer Politiker lassen Banker im Regen stehen
Der Präsident des Zürcher Bankenverbandes Thomas Ulrich freut sich zwar über die gute Positionierung. Dass Zürich nicht in der Liga der drei Grössten spielt, sei nicht überraschend. «Die asiatischen Finanzzentren profitieren davon, dass das Wachstum der Finanzmärkte vor allem im asiatischen Raum stattfindet», erklärt er. Und New York und London hätten seit langem eine Spitzenstellung. Sie erhielten ausserdem Rückendeckung von der Politik.
In der Schweiz ortet der UBS-Kadermann, der den Zürcher Bankenverband ehrenamtlich präsidiert, dafür Handlungsbedarf: «Nach dem Vorbild der grossen Finanzplätze sollte die Politik alles daran setzen, die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes zu verbessern, statt sie immer weiter einzuschränken.»
Zugang zu Europa ist essentiell
Ulrich geht hart ins Gericht mit den hiesigen Politikern. Wenn die Volksvertreter nicht mehr Bewusstsein dafür entwickelten, dass Wohlstand erarbeitet werden muss und dass es wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen braucht, dann laufe die Schweiz Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten. Konkret bedeutet das: Der Bundesrat und das Parlament müssen die Interessen des Finanzplatzes stärker gegenüber dem Ausland vertreten. Absolut zentral sei der Zugang zu Europa und zu Wachstumsmärkten.
Die Studie gibt ihm Recht. Sie vergleicht 96 Städte und stützt sich dabei unter anderem auf Daten der Vereinten Nationen und der Weltbank. Die Autoren führten ausserdem über 3500 Interviews mit Investmentbankern, Vermögensverwaltern, Regierungsvertretern, Versicherern und Akademikern. Das Resultat: Das allgemeine Geschäftsumfeld, das Steuerregime und der Zugang zu gut ausgebildeten Mitarbeitern sind das Zünglein an der Waage für die Wettbewerbsfähigkeit eines Finanzplatzes. Im letzten Punkt wurde Zürich zurückgestuft.
Unsicherheit wegen der Personenfreizügigkeit
«Im Ausland wird die Unsicherheit bezüglich der Personenfreizügigkeit und die Gefahr einer Überregulierung sehr genau registriert», erklärt der Präsident des Zürcher Bankenverbandes das Ergebnis. Das Volk habe es in der Hand, hier wichtige Zeichen zu setzen, diesen Frühling bei den kantonalen Wahlen oder im Herbst bei der Wahl der Parlamentsvertreter.
Dass Zürich nicht mehr mit der Spitze mithalten kann, wiederspiegele aber auch die eigenen Fehler, sagt Ulrich. Der Banker streut sich Asche aufs Haupt und gibt unumwunden zu, dass es Fehler und Auswüchse in der Branche gab, «die zwar grösstenteils erkannt und beseitigt worden sind, aber natürlich bis heute nachwirken.» Das laste auf dem Finanzplatz, entsprechend nimmt er nicht nur die Politik in die Pflicht, sondern auch die Banken selbst. «Für die Branche geht es darum, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen sowie Innovation und Entwicklung entschlossen voran zu treiben.»