Im Verwaltungsrat des Versicherungskonzerns Zurich Financial Services (ZFS) ist nach der blamablen Generalversammlung vom April Katerstimmung angesagt. Das Gremium, allen voran Präsident Lodewijk van Wachem, war von Aktionären arg unter Beschuss gekommen, weil auch nach zwei Jahren kein Nachfolger für den entlassenen Rolf Hüppi gefunden werden konnte. Einzelne Aktionäre forderten die Abwahl des 73-jährigen Holländers und die Zuwahl des kurz vor der Generalversammlung aus Protest zurückgetretenen Verwaltungsrats Markus Granziol – ohne Erfolg. Nun ist Interimspräsident van Wachem erneut für ein Jahr auf dem Posten. Die jüngste Generalversammlung ist der Tiefpunkt einer nun schon fast zwei Jahre dauernden Misere. Einer Zeit, geprägt von Kommunikationsunfähigkeit und Misstrauen.

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Begonnen hat das Ganze mit dem Abgang von Rolf Hüppi im Mai 2002. Da Hüppi Präsident und CEO in Personalunion war, musste die Versicherung gleich zwei wichtige Jobs aufs Mal besetzen. Diese Aufgabe übernahm van Wachem, der damals Vizepräsident war. Er zog den Zürcher Headhunter Thomas Hammer von Egon Zehnder International bei. Hammer ist heute Head Human Resources bei der UBS.

Auf der Suche nach einem neuen CEO kontaktierte Hammer in jenem Frühjahr auch Markus Granziol. Granziol, ehemals Chef von UBS Warburg, des Investment-Banking-Teils der UBS, hatte kurz zuvor seinen Abgang bei der Grossbank angekündigt. In den Machtkämpfen mit UBS-Präsident Marcel Ospel im Nachgang zum umstrittenen Engagement der UBS bei der Swissair vom Herbst 2001 hatte er sich auf die Seite des unterlegenen CEO Luqman Arnold gestellt. Im Sommer 2002 verliess er die UBS.

Granziol teilte Hammer mit, er könne sich ein Engagement bei ZFS vorstellen. Nur wolle er nicht CEO werden, sondern VR-Präsident. Hauptgrund dafür: Er hatte in seinem Abgangsvertrag mit der UBS die übliche Klausel, die ihm bei der Tätigkeit in der Finanzindustrie gewisse Restriktionen auferlegte. Der CEO-Job bei ZFS hätte Granziol eine Stange Geld gekostet.

Van Wachem bot Granziol daraufhin an, im Verwaltungsrat des Versicherers Einsitz zu nehmen. Bezüglich des Präsidentenjobs wurden keine konkreten Versprechungen gemacht. Für den CEO fand die ZFS eine interne Lösung: Der Amerikaner James Schiro, wenige Monate zuvor als Chief Operating Officer eingestiegen, wurde zum CEO gemacht. In der Frage des Chairman-Jobs spielte der Verwaltungsrat auf Zeit: Zum Präsidenten wurde van Wachem selber gewählt. Ad interim, wie es hiess.

Schiro packte die Sanierung der ZFS erfolgreich an. Seine Machtposition im Konzern wuchs. Doch er stiess wiederholt mit Granziol zusammen, der seine Rolle als Verwaltungsrat von Anfang an schnörkellos wahrnahm. Bei einzelnen VR-Mitgliedern entstand der Eindruck, Granziol gebärde sich bereits als eine Art Chairman. Der Finanzprofi nahm die Konzernleitung bei Präsentationen immer wieder in die Mangel. Dabei wandte er sich laut Insidern bei schwierigen Fragen oft direkt an Finanzchef Patrick O’Sullivan. Offenbar schätzte Granziol O’Sullivans Fachwissen höher ein als das des CEO – ein Affront für Schiro.

Granziol gilt fachlich als hochversiert, aber auch als direkt und kritisch, mitunter sogar arrogant. Schon bei der UBS eckte Granziol immer wieder an. Kurz: Er gilt als unbequemer Mensch.

Schiro scheint damit nicht gut klargekommen zu sein. Laut mehreren Mitgliedern des Verwaltungsrats war die Chemie zwischen Schiro und Granziol nicht die beste. Über konkrete Meinungsverschiedenheiten weiss niemand zu berichten. Zu einem offenen Streit zwischen den beiden kam es nie – allerdings auch nicht zu einer persönlichen Aussprache.

Schiro wurde von van Wachem stark abgeschirmt, fast so, als ob der Präsident für sich einen exklusiven Zugang zum Konzernchef reservierte. Auch andere Mitglieder des Verwaltungsrats machten sich nicht bei Schiro persönlich kundig, was denn los sei. Van Wachem liess direkte Kontakte von einzelnen Verwaltungsratsmitgliedern zum CEO in dieser Frage ausdrücklich verbieten – ein ungewöhnliches Vorgehen. Noch ungewöhnlicher aber, dass sich die Verwaltungsräte daran hielten.

Dies ist wohl nur mit der Autorität des Holländers zu erklären. Van Wachem, Ex-Chef des Ölmultis Royal Dutch Shell, ist ein Manager alter Schule und gilt nicht gerade als offener Kommunikator. Er ist zudem ein Mann, der strikt auf die Regeln und die Einhaltung von Zuständigkeiten pocht. Für die Suche nach dem neuen Präsidenten war ausschliesslich das von ihm geleitete Nominationskomitee zuständig. Von den Plänen dieses abgeschotteten Zirkels drang nur wenig in den Gesamtverwaltungsrat. «Wir wollten diese Zuständigkeit nicht unterlaufen», sagt ein Verwaltungsrat heute.

Kommuniziert wurde über den Prozess der Suche im Verwaltungsrat erstaunlich wenig. Dass Granziol kaum Chancen auf den Präsidentenjob hatte, war für die Gesamtheit der VR-Mitglieder aber daran ersichtlich, dass van Wachem ihn in keinem der wichtigen VR-Ausschüsse platzierte. Nur gerade im so genannten Audit Committee, dem Prüfungsausschuss, kam er unter.

Den wichtigen Nominationsausschuss präsidierte van Wachem selber. Im fünfköpfigen Gremium hatte auch Armin Meyer, Präsident und CEO von Ciba Spezialitätenchemie, Einsitz. Infolge Personalnot verfiel das Auswahlgremium auf eine nahe liegende, aber problematische Lösung und schlug Meyer selber als möglichen neuen ZFS-Präsidenten vor. Meyer bekundete durchaus Ambitionen auf den Job – unter der Bedingung, dass er hauptamtlich Präsident und CEO der Ciba bleiben könne. Einen Teilzeit-Präsidenten konnten sich die andern vier Nominatoren dann aber doch nicht vorstellen.

War ein Präsidentenjob im Sinne Meyers dem Komitee zu wenig aktiv, so ging Granziols Interpretation der Rolle eines Chairman dem Komitee zu weit. Am liebsten hätte es eine Lösung zwischen diesen beiden Extremen präsentiert. Schliesslich soll Schiro bei Amtsantritt versprochen worden sein, dass seine Rolle als Konzernchef nicht durch einen sehr aktiven Executive Chairman eingeschränkt werde, wie Insider berichten. Damit hatte van Wachem seinen Spielraum für die Chairman-Suche aber von Anfang an eingeschränkt.

Mit ungünstigen Folgen: Erfolglos suchte das Komitee extern weiter. Angefragt wurde laut der Wirtschaftszeitung «Cash» auch Ex-Finanzminister Kaspar Villiger. Doch der zog es vor, im Verwaltungsrat von Swiss Re und Nestlé Einsitz zu nehmen.

Van Wachem lief die Zeit davon, denn die GV nahte. In der Verwaltungsratssitzung von Anfang Februar teilte van Wachem dem Verwaltungsrat mit, Granziol werde nicht fürs Präsidium vorgeschlagen. Den überrumpelten Mitgliedern des Gremiums konnte er allerdings auch keine Ersatzlösung präsentieren. «Da wurde der Verwaltungsrat auf dem falschen Fuss erwischt», bekennt ein VR-Mitglied. Granziol seinerseits zog die Konsequenzen und reichte seinen Rücktritt aus dem VR ein. Gerüchteweise soll inzwischen Konzernchef Schiro selber Ambitionen auf den Präsidentenjob hegen.