Der Grundsatzentscheid fiel vor zehn Jahren: Klein bleiben oder wachsen? Jakob Limacher, Thomas Suter und Christian Zindel entschieden sich für das Wachstum. Heute ist die Kalaidos-Gruppe eine der führenden privaten Bildungsorganisationen der Schweiz (siehe Kasten).

Noch immer geben die drei Gründer gemeinsam Auskunft. «Wir sind nur im Dreierpack zu haben», sagt Limacher, «einen Chef gibt es nicht.» Vielleicht ist es dieser strikt kooperativen Führung zu verdanken, dass das Unternehmen sein schier unglaubliches Wachstum verkraftet hat. Heute ist es mit seinen vielen Instituten auf allen Schulstufen tätig. Damals, im Jahr 2000, bestand der Betrieb aus der Akad-Gruppe mit rund 57 Mio Fr. Umsatz. Nur Minerva und das Lernstudio gehörten bereits dazu.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Kalaidos expandiert kontrolliert

In den ersten fünf Jahren standen Übernahmen im Vordergrund, in den letzten fünf eher Neugründungen. Dazu gehört die Swiss International School (SIS). Vom Kindergarten bis zur Hochschulreife wird je zur Hälfte in der Landessprache und in Englisch unterrichtet. SIS gibt es bereits auch in Deutschland und Brasilien. Auf die Frage, warum gerade Brasilien, antwortet Zindel: «Warum nicht? Da war jemand, der die Schule führen konnte, und das Konzept ist überall das gleiche.»

Damit ist zweierlei gesagt: Das Wachstum in der Schweiz ist endlich, die Margen sind tief und das Organisieren sowie Durchführen von Bildung ist das Kerngeschäft von Kalaidos, dem Schritt ins Ausland steht grundsätzlich nichts entgegen. Und zum anderen: «Die Gruppe macht nur dann etwas Neues, wenn mindestens einer von uns Freude daran hat», wie Suter erklärt. Dass auch Preis und Risiko nicht zu hoch sein dürfen, versteht sich. Die drei Eigentümer erhalten immer wieder Kaufangebote, die weitaus meisten schlagen sie aus. Grösse allein reicht eben nicht. Fehlende Qualität wäre in diesem Geschäft existenzbedrohend. Denn manche Schulen der Kalaidos-Gruppe brauchen eine staatliche Anerkennung, bei anderen sind Bund und Gemeinden Partner.

Zudem haben die Kunden die freie Wahl, was unter anderem in der höheren Berufsbildung mit unzähligen Anbietern wichtig ist. Wer Qualität nachweisen kann, zum Beispiel durch die Erfolgsquote der Absolventen bei eidgenössischen Prüfungen, hat einen entscheidenden Vorteil. Denn der Markt ist in den letzten Jahren gerade in der Weiterbildung sehr viel härter geworden, auch wenn er noch keineswegs wirklich frei ist. Staatliche oder subventionierte Schulen behaupten zwar gern, ihre Weiterbildung sei selbsttragend, auch wenn sie nur gerade die direkten Kosten deckt. Noch haben private und öffentliche Anbieter nicht gleich lange Spiesse.

In der Schweiz, wo Bildung traditionell fast oder ganz kostenlos zu haben war, ist es noch nicht selbstverständlich, dass man damit Geld verdienen darf und soll - ebenso, dass es effektiv einen Markt gibt. Ein gutes Beispiel dafür ist die Höhere Fachschule (HF) Banking + Finance. Der Bankiervereinigung und der Versicherungswirtschaft war daran gelegen, dass ihren Mitarbeitern in der ganzen Schweiz der gleiche Stoff nach dem gleichen Konzept vermittelt wird. Den Zuschlag erhielt Kalaidos, die sich damit einen hohen Marktanteil an der Weiterbildung der Banken und am Ersatz der Höheren Fachprüfung in der Versicherung gesichert hat (siehe Artikel rechts). Die eidgenössischen Berufsprüfungen will die Versicherungswirtschaft im Unterschied zur Bankiervereinigung behalten.

KV Zürich reagiert mit Innovation

Zu den Verlierern der Ausschreibung gehörte die KV Zürich Business School (siehe Kasten). «Ein harter Schlag», erinnert sich Peider Signorell, Rektor Weiterbildung des Instituts. Denn mit der Gründung einer HF im Finanzbereich wurden die seit dem Jahr 1946 geführten Vorbereitungskurse für die Berufs- und Fachprüfungen im Bankfach überflüssig. Heute sei der Umsatzverlust zu 95% wettgemacht, so Signorell. Und das Gute daran: «Er hat uns zu Innovationen gezwungen.»

Zu diesen Innovationen gehört etwa die Höhere Fachschule Wirtschaft (HFW) mit ihrer Ausrichtung auf General Management und den entsprechenden Nachdiplomstudien oder neu die Partnerschaft mit der European Business School. Beides entspreche einem Bedürfnis des Marktes, ist Signorell überzeugt. Der Kontakt zur Arbeitswelt sei eminent wichtig für ihn; «am Markt vorbei neue Angebote zu schaffen, wäre im vornherein zum Misserfolg verurteilt».

Die KV Zürich Business School ist zwar die weitaus grösste kaufmännische Berufsfachschule des Landes, doch zurücklehnen und ausruhen darf Signorell trotzdem nicht. Nach den grössten Veränderungen der letzten Jahre in der Höheren Berufsbildung gefragt, zögert er keinen Moment: «Die Gründung der Fachhochschulen mit ihrem Weiterbildungsangebot». Damit sei in einen traditionellen Bereich der kaufmännischen Lehre ein Konkurrent mit massiver öffentlicher Unterstützung eingedrungen.

Das ist für private Anbieter heikel, zu denen in der Weiterbildung auch die vom Kaufmännischen Verband getragenen Berufsfachschulen zählen, besonders wenn die Arbeitgeber die Beiträge an ihre Mitarbeiter eher kürzen. Das gilt in erster Linie für die Vorbereitung auf Berufsprüfungen, zum Beispiel für den Marketingfachmann. Grosszügiger werden die Unternehmen oft, wenn es um Höhere Fachprüfungen wie Marketingleiter geht. «Je spezieller der Bildungsgang, desto mehr zahlt der Arbeitgeber», so Signorell.

 

 



Neue Wege der Finanzbildung

Viele Organisationen sind an der Höheren Berufsbildung in der Schweiz beteiligt. Die Berufsverbände regeln, welche Kompetenzen an den Berufs- und Fachprüfungen abgefragt werden. Der Bund erteilt den Segen, wenn alle Voraussetzungen für die eidgenössische Anerkennung erfüllt sind. Und die Kandidaten können in der Wegleitung lesen, was von ihnen erwartet wird. Die meisten absolvieren einen Kurs zur Vorbereitung auf die Prüfungen, obwohl das freiwillig ist. Wie die Schulen ihre Kunden vorbereiten, ist ihnen überlassen.

Industrie will mitbestimmen

Genau das wollten die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) und die Versicherungswirtschaft ändern. Die Ausbildung der Mitarbeiter ihrer Branchen konnten sie nämlich nur über die Prüfungsanforderungen steuern. Das war ihnen zu wenig, sie wollten die Ausbildung selber mitbestimmen.

So entschieden sich die Banken Ende 2004 für eine Höhere Fachschule (HF) Banking + Finance, die Versicherungswirtschaft ein Jahr später für eine HF Versicherung. Beide Verbände legten über die vom Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) anerkannten Rahmenlehrpläne fest, was ihre Mitarbeiter dort während der drei Jahre lernen sollen, und schrieben die Führung der Schule aus. Den Zuschlag erhielt die Kalaidos-Gruppe. Banken und Versicherungen schafften die Diplome Bankfach- und Versicherungsexperte ab, die Banken auch den Fachausweis Bankfachmann. Die Versicherungswirtschaft hingegen führt den Fachausweis in einer revidierten Version für Versicherungsfachleute weiter und ist die einzige Organisation der Arbeitswelt, die einen Fachausweis sowie eine Höhere Fachschule führt.

Im Herbst 2008 wurden die letzten Diplome für Bankfachexperten verliehen, bereits im Herbst 2009 schlossen auch die ersten Studierenden an der Höheren Fachschule Banking + Finance mit dem Zeugnis als Bankwirtschafter HF ab. Heute studieren etwa 1200 Bank- und rund 220 Versicherungsmitarbeiter an den Höheren Fachschulen.

Rahmenbedingungen schaffen

Die Entwicklung dieser Weiterbildung in den vergangenen Jahren ist ein gutes Beispiel für die Bildungsarbeit der Verbände. Letztlich geht es immer darum, dass die Mitarbeiter über Qualifikationen und Kompetenzen verfügen, die in ihrer Berufspraxis erforderlich sind. Die Bankiervereinigung bietet selber keine Ausbildung an, der Berufsbildungsverband der Schweizerischen Versicherungswirtschaft (VBV) hingegen bietet überbetriebliche Kurse für Lernende, einen Lehrgang für Maturitätsabsolventen, einen Zertifikatslehrgang für Versicherungsvermittler sowie die Weiterbildung zum Fachausweis an, so Francesco Calarco, Bereichsleiter Höhere Berufsbildung beim VBV.

Was Matthias Wirth, Leiter Ausbildung und Direktionsmitglied der SBVg, als seine Hauptaufgabe beschreibt, gilt im Wesentlichen auch für die Versicherungswirtschaft: «Wir wollen die Bedingungen schaffen, damit in der Aus- und Weiterbildung optimal gearbeitet werden kann.»(ra)