Platzende PET-Flaschen brachten schon Grossverteiler vor Gericht. Nichtkohlesäurehaltige Sportgetränke mit Ziehverschlüssen sind zwar auf dem Markt, bei spritzigen Mineralwassern und gärenden Getränken mussten die Verpackungshersteller bisher passen: Der Saugdeckel, der gasdicht und einhändig bedienbar ist, lässt sich rentabel nicht produzieren - noch nicht.

In diese Lücke wollen jetzt der indische Tüftler Theo Poyyayil aus Neuhausen und der Winterthurer Geschäftsmann Paul Bertschi springen und damit 60 Arbeitsplätze retten. Als das Lysser Unternehmen Zyliss letzte Woche mit Unterstützung des Mutterkonzerns Diethelm Keller Group (DKSH) und der Berner Volkswirtschaftsdirektorin Elisabeth Zölch das Start-up der beiden, Newco, ankündigte, ging der Jubel der 60 streikenden Angestellten, die ihren Job ansonsten verloren hätten, durchs ganze Land. Die Frage nach der Nachhaltigkeit der Rettungsaktion wurde nicht gestellt. Branchenkenner melden jetzt ernsthafte Zweifel an.

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Wackeliges Start-up

Bis heute wissen sie wenig bis nichts von der bahnbrechenden Erfindung aus dem Planungsbüro am Rheinfall. Die Verpackungsproduzentin SIG wurde zwar kontaktiert, ist an einer Zusammenarbeit aber nicht interessiert. Und die Netstal AG, welche als einschlägige Adresse für die anzuschaffenden Spritzgiessmaschinen in Frage käme, muss sich derzeit um eine Kontaktnahme mit den Tüftlern bemühen. Wer die im Businessplan ausgewiesenen 5,5 Mio Fr. für die Investitionen aufbringen soll, behalten die beiden Neuunternehmer für sich.

Das wirft ein ernüchterndes Licht auf eine Rettungsaktion, mit der schon ab April 2004 Verschlüsse in Milliardenauflage produziert und ab Ende Jahr die Löhne von 60 Angestellten überwiesen werden sollen. Klar ist, dass Diethelm Keller keinen Rappen investieren wird. Das Unternehmen garantiert bis Ende 2004 einzig die Löhne.

Sollten Poyyayil & Bertschi das Geld für die Produktionsanlagen und den Vertrieb auftreiben können, steht das Start-up immer noch auf wackeligen Beinen: Die Gewinnmargen für den einzelnen Verschluss betragen Tausendstel-Rappen. Die Produktion indes erfordert Spitzentechnologie. Die Fixkosten entstehen also zum grössten Teil, noch bevor der erste Konsument das Produkt für gut befunden hat.

Um rentabel zu bleiben, müsste die ehemalige Zyliss-Fabrik jährlich Milliarden von Verschlüssen absetzen. Angesichts wachsenden Konsums von verschliessbaren Kunststoffflaschen ist das zwar möglich. Es stellt die Produzenten aber vor weitere Hindernisse: Müssen sie weltweit exportieren, fressen die Transportkosten die Tausendstel-Rappen weg.

Dazu kommt:Herkömmliche Verschlusshersteller benötigen für die Produktion von ein Mrd Stück, was dem Schweizer Absatzpotenzial entspräche, gerademal ein Dutzend Hilfsarbeiter und kaum 60 qualifizierte Arbeitnehmer. Charles Bodenmann von Kebo, die ebenfalls im Verpackungscluster Schaffhausen Formen herstellt, erinnert sich an einen patentierten Verschluss «Glasiv» aus Deutschland, der es auf Grund ähnlicher Hürden nicht zur Marktreife schaffte. Nach seiner Logik müsste ein Hersteller einen Park von 20 Maschinen parat haben, wenn der Markt einsetzt. Das wäre selbst für etablierte Verpackungshersteller eine Herausforderung. Darum wartet die ganze Branche voller Skepsis, wie ein kleines Start-up diese Aufgabe bis im April 2004 bewältigen will.

Zweifel werden sogar von der Absatzseite angebracht: Der Ziehverschluss funktioniere bei stillen Getränken, die sich durstige Sportler in den Mund spritzen, weiss Rudolf Winzenried von der Valser Mineralquellen AG. Ob die Konsumenten dasselbe Bedürfnis auch mit kohlesäurehaltigen Getränken verspüren, sei nicht erwiesen. Bei Valser haben die beiden Neuunternehmer, die nach eigenen Aussagen bei «bedeutenden Firmen der Mineralquellen- und Spritzgiessbranche» auf grosses Interesse gestossen sind, bis dato ebenfalls nicht angeklopft.

Ungewisser Absatz

Dennoch stellen sich die Gewerkschaft SMUV und die Berner Wirtschaftsförderung Berneinvest nahtlos hinter deren Businessplan: «Soweit wir das beurteilen können, hat Newco gute Chancen, europäische Märkte zu erobern und Arbeitsplätze zu erhalten», hält Denis Grisel, Leiter der Wirtschaftsförderung, den Zweiflern entgegen. Gewerkschaftssekretär Corrado Pardini verlässt sich auf das «zuverlässige Siegel», das dem Start-up von der Berner Volkswirtschaftsdirektorin und der DKSH aufgedrückt worden sei. «Meist müssen wir uns mit Sozialplänen zufrieden geben. Hier konnten wir zur Sicherung eines Standortes beitragen.» Berechtigten Anlass zu dieser Hoffnung gibt es erst, wenn das neue Business tatsächlich auch wasserdicht ist.