Es war eine veritable Überraschung, als der Baukonzern Implenia Anfang Juli bekannt gab, dass André Wyss neuer CEO werde. Denn der 51-jährige Schweizer ist ein Branchenfremder: Seine gesamte Karriere machte er in der Pharmaindustrie, genauer gesagt bei einer einzigen Firma, Novartis, wo er 1984 als Chemikantenlehrling angefangen hatte und es bis in die Konzernleitung schaffte.
Es gab kritische Stimmen inner- wie ausserhalb des Baukonzerns, denn Wyss hat nicht nur von Zement und Mörtel wenig Ahnung, er kennt auch die spezielle Kultur in der Baubranche noch nicht gut. Auf der Baustelle herrscht meist ein unkomplizierter und direkter Umgangston, Wyss aber beschreiben einzelne Kollegen aus Novartis-Tagen als eher selbstbezogenen, mitunter sehr bestimmt auftretenden Manager.
Die unzähligen Funktionen, die er in seiner langen Karriere bei Novartis innehatte, bescheinigen ihm allerdings auch die Fähigkeit, sich gut in neue Herausforderungen einzuarbeiten. Bei Implenia betont man deshalb auch die breite Führungserfahrung des neuen Chefs, der bei Novartis als President Operations die gesamte Produktion, die zentralen Konzerndienste sowie Corporate Affairs leitete und der damit der Chef von 40 000 Mitarbeitern war.
Die Verbündeten:
Hans-Ulrich Meister, lange Private-Banking-Chef der Grossbank Credit Suisse und seit März 2016 Präsident von Implenia, hat Wyss zum Baukonzern geholt. Die beiden kannten sich vorher nicht, ein externer Headhunter ist an Wyss herangetreten. Meister imponierte die breite Führungserfahrung des Kandidaten, intern soll er von einer «Ideallösung» gesprochen haben.
Max Rössler, Grossaktionär von Implenia, traf sich mit Wyss erst am Tag der Bekanntgabe seines Wechsels. «Er weiss, was er will und was er wert ist», äusserte sich Rössler nach dem Treffen positiv in der Presse. Bei Novartis war der langjährige Präsident Daniel Vasella einer seiner wichtigsten Förderer. Vasella soll sich beeindruckt gezeigt haben, wie sich Wyss aus einfachsten Anfängen nach ganz oben gearbeitet hatte.
In der Wirtschaft ist Wyss hervorragend vernetzt. Im Vorstand des Dachverbandes Economiesuisse arbeitet er eng mit Präsident Heinz Karrer zusammen. Nahe stehen ihm auch die Economiesuisse-Vorstandsmitglieder Lukas Gähwiler von der UBS oder Gottlieb A. Keller aus der Konzernleitung von Roche.
Als Länderpräsident Schweiz von Novartis hatte er viel mit Politikern zu tun, mit den Bundesräten Johann Schneider-Ammann und Ueli Maurer etwa in Standortfragen. Am Weltwirtschaftsforum WEF knüpfte er auch Kontakte zu ausländischen Staatschefs, so bei einem Essen mit Christian Kern, von 2016 bis 2017 Bundeskanzler von Österreich.
Die Gegenspieler:
Schon 2016 gab Anton Affentranger bekannt, er wolle sich in zwei Jahren zurückziehen. Er liess damals aber auch wissen, dass er eine interne Lösung für seine Nachfolge bevorzuge. Doch der Verwaltungsrat wollte offensichtlich einen Neuanfang und setzte auf einen Externen. Nun ist Wyss gefordert, sich das Vertrauen der verschworenen Affentranger-Truppe zu erarbeiten, denn der langjährige CEO hat eine Konzernleitung mit starken Figuren um sich geschart, von denen viele auch das Zeug zum CEO gehabt hätten.
Bei Novartis reichte es Wyss nicht, CEO zu werden: Vas Narasimhan (42), der lange die Entwicklungsabteilung geleitet hatte, stand ihm vor dem Licht. Anfang Februar trat Narasimhan sein Amt an, im März verliess Wyss Novartis. Das persönliche Verhältnis der beiden soll aber gut sein. Mit vielen Bereichsleitern habe Wyss die Klingen gekreuzt, wissen Beobachter zu berichten, schliesslich war er für die Einhaltung der Kosten verantwortlich, was mitunter mit den forschen Wachstumsplänen nicht vereinbar war.
Sehr unterschiedliche Typen sind Wyss und Pascal Brenneisen, der ehemalige Schweiz-Chef. Brenneisen gilt als gewiefter Kommunikator, der viel im Rampenlicht stand. 2014 übernahm Wyss zusätzlich die Funktion des Länderpräsidenten Schweiz, Brenneisen verliess den Konzern.
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