Der gefallene Jetsetter Carl Hirschmann ist vor fast einem Jahr rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Angetreten hat er seine zwölf Monate Halbgefangenschaft in Winterthur bis heute nicht. Er schöpft momentan jedes juristische Mittel aus, um dem Vollzug seiner Strafe zu entgehen.
Ein Urteil des Bundesgerichtes ist normalerweise endgültig: Wer eine Freiheitsstrafe absitzen muss, erhält noch drei oder vier Monate Zeit, um die persönlichen Belange zu regeln - danach muss der oder die Verurteilte aber in der Strafanstalt antreten.
Bundesgericht hat vor elf Monaten entschieden
Bei Hirschmann sind seit dem Bundesgerichtsurteil bereits elf Monate vergangen. Doch statt in der Vollzugsanstalt in Winterthur befindet sich der Millionärs-Spross noch immer in Freiheit. Seinen Strafantritt konnte Hirschmann bis jetzt erfolgreich verzögern.
Der ehemalige Clubbesitzer wurde wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit einer Minderjährigen und sexueller Nötigung verurteilt und zog das Urteil bis vor Bundesgericht, allerdings erfolglos. Das Gericht bestätigte die Verurteilung Anfang Februar 2014.
Vor endgültige Tatsachen gestellt, reichte Hirschmann im Juli einen Rekurs beim Zürcher Obergericht ein, mit dem er eine Neubeurteilung der sexuellen Nötigung verlangte. Er rechnete zwar nicht mit einem Freispruch, aber zumindest mit einer milderen Strafe.
«Richtigstellung» des Opfers
Seine Hoffnungen ruhten auf einer «Richtigstellung» jener Frau, die er auf einer Toilette zum Oralsex gezwungen hatte. In einem Brief, den er dem Obergericht als Beweis vorlegte, korrigierte die Frau mehrere Aussagen, die sie in den Einvernahmen noch gemacht hatte.
So schilderte sie die Begegnung neu als Flirt, in dessen Verlauf Hirschmann davon habe ausgehen können, dass sie einem sexuellen Abenteuer nicht ganz abgeneigt sei. Sie habe ihn anfänglich auch freiwillig geküsst. Unter welchen Umständen diese «Richtigstellung» geschrieben wurde, ist unbekannt.
Hirschmann fordert Reduktion der Strafe
Hirschmann argumentierte in seinem Rekurs, sein Verhalten könne nicht als «hinterhältig und berechnend» beurteilt werden. Eine Bestrafung mit 18 Monaten bedingt sei ausreichend. Das rechtsgültige Urteil bestraft ihn deutlich härter, mit einer Freiheitsstrafe von 32 Monaten, wovon er 12 absitzen muss.
Bei Strafen bis zu dieser Länge ist die Verbüssung in Halbgefangenschaft möglich. Die Insassen gehen dabei normal zur Arbeit, müssen aber die Nächte und Wochenenden hinter Gittern verbringen. Dieser Alltag blieb Hirschmann in den letzten Monaten erspart, weil er zusammen mit dem Rekurs ein Gesuch um aufschiebende Wirkung einreichte, was den Haftantritt betrifft. Das Amt für Justizvollzug stimmte dem Gesuch zu - und Hirschmann musste bisher nicht in Winterthur erscheinen.
Bundesgericht muss erneut entscheiden
Das Obergericht liess den Spross der Jet-Aviation-Dynastie nun aber mit seinem Rekurs abblitzen: Es sah in der «Richtigstellung» keinen Grund, das Strafmass zu korrigieren. Sie liefere keine neuen Fakten und lasse die sexuelle Nötigung auch nicht in einem besseren Licht erscheinen, schreibt es in seinem Urteil vom Dezember, das der Nachrichtenagentur sda vorliegt.
Akzeptieren wollte Hirschmann den Entscheid nicht. Er zog seinen Rekurs mit der «Richtigstellung» als neues Beweismittel ans Bundesgericht weiter und hofft nun auf die Lausanner Richter. So lange diese nicht über Hirschmanns Fall entschieden haben, bleibt der 34-Jährige weiterhin in Freiheit, trotz rechtsgültigem Urteil.
(sda/gku)