Am Tag nach dem Zugunglück der Rhätischen Bahn bei Tiefencastel herrscht Erleichterung. Alle 140 Passagiere haben überlebt, auch wenn elf von ihnen verletzt wurden. Die Bündner Kantonsregierung sagte heute, dass sie betroffen und zugleich dankbar sei, dass nichts Schlimmeres geschah.

Wer den Hergang betrachtet, hätte anderes erwartet: Auf der Strecke von St. Moritz nach Chur waren die Schienen nahe Tiefencastel über 15 Meter durch einen Erdrutsch verschüttet. Dieser brachte den Zug der Rhätischen Bahn zum Entgleisen. Ein Waggon stürzte einen steilen Abhang hinunter und wurde nach zehn Metern von Bäumen abgefangen. Ein zweiter Waggon neigte sich bedrohlich über den Rand. Die Staatsanwaltschaft hat jetzt begonnen, die Ursachen für das Unglück zu untersuchen

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Fokus auf Prävention von Naturgefahren

Eine Frage ist, ob der Erdrutsch vorauszusehen war – und welche Risiken bestehen, dass sich ein solcher Vorfall wiederholt. Nach den vielen Regenfällen in den vergangenen Wochen ist der Boden gesättigt. Kommt plötzlicher Starkregen dazu, steigt die Gefahr, dass die Erde ins Rutschen kommt. «Das Problem ist, dass sich die starken Regenfälle praktisch nicht voraussagen lassen. Dafür kommen sie zu kurzfristig und zu lokal», sagt Arthur Sandri, Leiter der Sektion Gefahrenprävention beim Bafu. 

Dabei war heute noch unklar, ob die Unglücksstelle nahe Tiefencastel überhaupt zu den gefährdeten Bereichen gehörte. «An Hängen, die nicht als rutschgefährdet eingestuft sind, kann auch etwas passieren. Das Risiko ist dort aber sehr viel kleiner», so Sandri. «Wenn an Hängen, die man als rutschgefährdet einstuft, ein starker Niederschlag auftrifft, wird es derzeit wirklich äusserst gefährlich.»

«Vorsorglich Strecken sperren»

Noch nicht absehbar sind ausserdem die Kosten, die infolge des Unglücks entstehen. Seit 2005 hat der Bund die Sicherung vor Lawinen und Überschwemmungen ausgebaut. Eine Firma, die auch die Rhätische Bahn beliefert hat, ist Geobrugg, ein Anbieter von Sicherungssystemen. Die Absicherung einer gefährdeten Stelle, sagt Bruno Haller von Geobrugg, kostet zwischen 1000 und 3000 Franken pro Meter. Rund 60'000 Franken oder mehr kostet es also, eine durchschnittliche Gefahrenstelle von rund 30 Metern zu sichern. 

Insgesamt hält Sandri das Risiko trotzdem für überschaubar. «Das einzige, was helfen würde, wäre vorsorglich Strecken zu sperren», so Sandri. Dafür sei aber die Wahrscheinlichkeit eines solchen Erdrutsches, wie er gestern in Tiefencastel geschah, zu klein. «Es scheint mir, dass der Vorfall in Tiefencastel zeigt, dass auch die beste Vorsorge ein Unglück nicht immer verhindern kann», sagt Sandri.

«Massnahmen fortsetzen»

Die Vorsorgemassnahmen des Bundes seien auf einem guten Weg, so Sandri. «Die Massnahmen, die SBB und RhB in den letzten Jahren angeschoben haben, um die Strecken gegen Erdrutsche zu sichern, müssen unbedingt fortgesetzt werden.»