Ungefähr 360 Kilogramm Kokain werden jeden Tag in Europa konsumiert. Dies ist das Ergebnis einer internationalen Studie mit Schweizer Beteiligung. Sie stützt sich auf die Abwasser-Analyse von 19 europäischen Grossstädten mit insgesamt rund 15 Millionen Einwohnern. Die Schweiz steht diesen in nichts nach.
Schweizer Städte nehmen im internationalen Vergleich sogar eine Spitzenposition ein, wie das Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs Eawag, das an den Arbeiten beteiligt war, am Montag mitteilte.
Schweiz auf europäischem Niveau
Im letzten Jahr hatten die Eawag und die Universität Bern eine Studie veröffentlicht, die Kokainspuren in Abwässern von Bern, Genf, Luzern und Zürich untersucht hatte. Nun erscheint in der Fachzeitschrift «Science of the Total Environment» der Vergleich mit den neuen europäischen Zahlen. Er zeigt, dass in Schweizer Städten ähnlich viel Kokain konsumiert wird wie in den europäischen Städten mit dem höchsten Verbrauch.
An erster Stelle stehen Antwerpen (Belgien) und Amsterdam mit einem Schnitt von über 1,5 Gramm Kokain pro 1000 Einwohner pro Tag. Die Städte Barcelona, London, Mailand und Paris befinden sich nebst anderen im Mittelfeld mit 0,5 bis einem Gramm.
In skandinavischen Städten wie Stockholm, Oslo oder Helsinki hingegen ist der Konsum mit weniger als 0,15 Gramm pro Tag und 1000 Einwohner sehr gering. Generell wird in Zentral- und Westeuropa deutlich mehr konsumiert als in Ost- und Nordeuropa, schreiben die Wissenschaftler.
Viermal mehr Kokain an der Street Parade
Eine Hochrechnung auf der Basis dieser Daten erlaubt eine Schätzung des Gesamt-Kokainkonsums in Europa. Er liegt bei 356 Kilogramm pro Tag. Das entspricht etwa 10 bis 15 Prozent der globalen, vom Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung geschätzten Kokainproduktion.
Die letztjährige Studie über die Schweizer Situation zeigt, dass «die Kokainmengen im Abwasser im gleichen Bereich wie bei jenen europäischen Städten mit dem höchsten Konsum liegen», zitiert das Communiqué Christoph Ort von der Abteilung Siedlungswasserwirtschaft der Eawag.
Diese Arbeiten haben auch ergeben, dass die Drogenmenge an Wochenenden und während bestimmten Anlässen wie der Zürcher Street Parade - die nächsten Samstag stattfindet - oder Musikfestivals zwei- bis viermal so hoch ist wie an gewöhnlichen Wochentagen. Diese Resultate beruhen auf Messungen an einzelnen Tagen im Jahr 2009, während die europäische Studie auf Daten fusst, die in einer Woche im März 2011 ermittelt wurden.
Weitere Drogen
Die Wissenschaftler haben im Urin auch nach Biomarkern für andere Drogen gesucht, wie Amphetamine, Ecstasy, Metamphetamin und Cannabis. Es stellte sich heraus, dass die Skandinavier - Schlusslichter beim Kokainverbrauch - bei den Metamphetaminen Meister sind: Helsinki und Turku (Finnland), sowie Oslo (Norwegen) und Budweis (Tschechische Republik) führen die Liste an.
Die Niederlande - Utrecht, Amsterdam und Eindhoven - und wiederum Antwerpen und London zeigen die höchsten Werte für Ecstasy auf. Beim Cannabis hingegen konnten nur Daten in 11 von 19 Städten erhoben werden. Nach dem wenig überraschenden Spitzenreiter Amsterdam kommt Paris, dicht gefolgt von Barcelona, Castellón (Spanien), Utrecht und Eindhoven.
Kampf gegen Mikroverunreinigungen
Christoph Ort und sein Team haben zum Design der Studie beigetragen, mit dem Ziel, unterschiedliche Abwassersysteme verschiedenster Städte objektiv miteinander vergleichen zu können. Zudem beteiligen sie sich an einer derzeit laufenden internationalen Messkampagne, bei der neben Basel, Bern, Genf, St. Gallen und Zürich viele weitere europäische und amerikanische Städte untersucht werden.
Die Eawag interessiert dabei besonders das Vorkommen und Verhalten von Spurenstoffen wie Arzneimitteln und Haushaltchemikalien im Abwasser. Daraus lassen sich neue Erkenntnisse gewinnen, um Mikroverunreinigungen in den Gewässern zu verringern, wie das Institut schreibt.
(vst/laf/sda)