Nächste Woche fischt der Direktor des Schweizer Fernsehens, Ruedi Matter, ein dickes Couvert aus seiner Post. Absender: SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli. Inhalt: Neue Dokumente, die belegen sollen, dass das SRF-Magazin «Rundschau» in einem Beitrag über Mörgeli massiv getrickst hat und unwahr berichtete, wie der «SonntagsBlick» schreibt.

Im Laufe der Sendung zeigt die «Rundschau» eine handgeschriebene, von Mörgeli unterzeichnete Aktennotiz. Dazu sagt die Stimme aus dem Off: «Im Uniarchiv findet die Rundschau weitere Hinweise, die zeigen: Mörgeli segnete offenbar übersetzte und abgeschriebene Texte als Doktorarbeiten ab – und bemängelte lediglich die Rechtschreibung.» 

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Kopie des Dokuments gefunden

Die Aktennotiz sei an eine «Doktorandin» gegangen, berichtete die «Rundschau» – und zitiert daraus zwei Sätze: «Ich kann nicht jedes Wort selbst korrigieren. Ich müsste Sie bitten, alle Texte sorgfältig zu überarbeiten.»
Mörgeli sagt, er habe eine Kopie des in der «Rundschau» gezeigten Dokuments in seinen Unterlagen gesucht – und gefunden.

Tatsächlich gleichen sich die beiden Schriftstücke aufs Haar. Adressat in Mörgelis Kopie ist keine Frau, sondern ein in der Ostschweiz praktizierender Zahnarzt, der bei Mörgeli eine Disseration machen wollte – zu einem Abschluss mit Doktortitel ist es in Zürich aber nie gekommen, wie das Dekanat der Universität bestätigt. 

«Doktorarbeit nicht durchgewunken»

In der Notiz spricht Mörgeli den Zahnarzt auf den drohenden Abbruch der Doktorarbeit an. Wörtlich steht: «Sehr geehrter Herr Ich habe einen sehr gut leserlichen Text korrigiert und der hat viel zu viele Fehler. Ich kann nicht jedes Wort korrigieren. Ich müsste Sie bitten, alle Texte sorgfältig zu überarbeiten, sonst müssen wir das Dissertations-Projekt begraben. Beste Grüsse Ch. Mörgeli».

Das Dokument beweise gerade nicht, dass er Doktorarbeiten durchgewunken habe, sagt Mörgeli. Die «Rundschau» wollte konkrete Fragen dazu nicht beantworten.

Mit Dissertation gescheitert

Als Kronzeuge liess die «Rundschau» zudem einen unkenntlich gemachten ehemaligen Doktoranden auftreten. «Wissenschaftlich musste ich rein gar nichts leisten», gab der zu Protokoll. Er habe im Auftrag Mörgelis bloss einen alten deutschen Text transkribieren müssen. Mörgeli glaubt, den Mann erkannt zu haben: Es handle sich um einen Zahnarzt – und der sei mit seiner Dissertation bei ihm gescheitert. Die «Weltwoche» machte der «Rundschau» den Vorwurf vom «falschen Doktor» schon vor Wochen. 

Die «Rundschau» wehrte sich umgehend. Der Zahnarzt, von dem die «Weltwoche» spreche, sei von ihr nie kontaktiert worden. Nun doppelt Mörgeli mit einem zwölfseitigen Gutachten des deutschen Anthropolgen Friedrich Wilhelm Rösing nach. Rösing ist Professor in Ulm und betreibt eine private Gutachterpraxis. Er hat die am TV gezeigten Bilder des Kronzeugen mit Bildern des von Mörgeli genannten Zahnarztes verglichen. Rösing kommt zum Schluss, dass die von der «Rundschau» gezeigte Person und der von Mörgeli genannte Zahnarzt «sehr wahrscheinlich identisch» sind. 

«Rundschau»: Mörgeli-Vorwürfe «geradezu grotesk»

Die Rundschau verweist auf ihre Stellungnahme zu allen Vorwürfen, die Christoph Mörgeli gegen die Sendung vorgebracht hat, im Rahmen des Beanstandungsverfahrens beim Ombudsmann. Mario Poletti, Redaktionsleiter Rundschau nennt gegenüber Handelszeitung.ch die von Mörgeli erneut geäusserten Zweifel am 'Kronzeugen' «geradezu grotesk»: «Wenn ein von Herrn Mörgeli beauftragter Anthropologe in einem zwölfseitigen Gutachten aufgrund eines Schattenbildes zum Schluss kommt, dass Herr Mörgeli 'sehr wahrscheinlich' doch recht haben soll, erübrigt sich jeder weitere Kommentar.»

(aho/chb)