Auf einem riesigen Platz in Zürich mit Gebrauchtwagen stehen die Modelle dicht an dicht. Ein TCS-Experte zückt eine Mini-Taschenlampe: «Und jetzt, ein kleiner Trick». Er leuchtet zwischen die Speichen des algengrünen Mini Cooper. Die Bremsscheiben sind völlig verrostet. Der Experte runzelt die Stirn: «Das ist kein Flugrost, die Korrosion hat sich schon ins Metall gefressen.»
Flugrost wäre harmlos und verschwindet nach der ersten scharfen Bremsung. Hat sich der Rost aber festgesetzt, neigt das Lenkrad beim Bremsen zum «Wackeln», die Bremsleistung leidet, im schlimmsten Fall blockiert das Rad. Glänzt die Scheibe, ist alles in Ordnung.
Eigenen Vorteil nutzen
«Beim Kauf einer Occasion ist es wichtig, sich erst einen Überblick zu verschaffen und das Auto auf sich wirken zu lassen», rät der TCS-Experte. Der algengrüne Mini ist zehn Jahre alt, hat 75'000 Kilometer auf dem Tacho und soll 9200 Franken kosten. Die gräulichen Ablagerungen unter den Türgriffen kommen vom Regenwasser. Das weise darauf hin, dass der Vorbesitzer den Lack nicht gut gepflegt habe, so der Experte.
Die Ablagerungen und die verrosteten Bremsscheiben lassen auch eine lange Standzeit vermuten. Umso dringender wird der Händler daran interessiert sein, das Fahrzeug loszuwerden. Das sollten Kunden beim Verhandeln im Hinterkopf behalten und zum eigenen Vorteil nutzen.
Eine Probefahrt ist ein Muss
Und wie fährt sich der Mini? Ein Occasionskauf ohne Probefahrt ist für den Experten vom TCS undenkbar: «Keine Probefahrt, kein Deal», sagt er. Die Probefahrt muss natürlich gratis sein. Im Idealfall sollte sie in eines der TCS-Verkehrszentren führen. Dort entdecken Experten auch versteckte Mängel. Ein Occasionstest kostet 240 Franken, für TCS-Mitglieder ab 120 Franken, je nach Zentrum.
Zwei Reihen weiter steht dunkel funkelnd ein Audi A4. Die Limousine mit dem Zweiliter-Dieselmotor ist drei Jahre alt, 16'800 Kilometer gefahren und für 43'800 Franken zu haben. Ein Schnäppchen – 28'300 Franken unter Neuwert, präzisiert das knallgelbe Preisschild. Doch dem Experten stechen sofort die Kratzspuren am unteren Ende der Stossstange ins Auge. Das kann auf einen ernsthaften Schaden deuten.
Am besten kaufen, wenn die Sonne scheint
Misstrauisch schaut der Experte genauer hin. Sein Blick bleibt an der vorderen Felge hängen. Grobe Kratzer ziehen sich rundherum, der schützende Gummiwulst der Reifen fehlt stellenweise ganz. Solche Schäden entstehen beim Parkieren, wenn die Felge dem Randstein entlangschrammt. Beim Audi sind alle Felgen betroffen. Für den TCS-Experten ein Alarmzeichen: «Der Fahrer war offensichtlich ein Grobian.»
Auch dass der Lack am hinteren Kotflügel unterschiedlich glänzt, lässt darauf schliessen. Bei trübem Wetter wären die Unregelmässigkeiten in der Lackierung kaum aufgefallen. Occasionsausstellungen besucht man deshalb mit Vorteil, wenn die Sonne scheint. Das Fazit des TCS-Experten zum Audi: «Von dem würde ich die Finger lassen.»
«Schlafen Sie erst darüber»
Ein wahres Schnäppchen erweist sich später dann doch noch. Ein VW Touran, Kilometerstand 34'100, Jahrgang 2008, 29'800 Franken. An der Karosserie keine Schramme, die Zusatzausstattung umfangreich. Auch Parksensoren fehlen nicht, ein Vorteil gerade bei Kombis. Bei der Blickkontrolle am Heck fällt dem Experten die kratzfreie Ladeunterkante auf, was bei Kombis eher selten ist.
Der Polsterbezug zeigt keine Flecken und kaum Abnutzungsspuren. «Das ist attraktiv. Kaufen!», rät der Mann vom TCS. Einen Nachteil hat das Angebot dennoch, und zwar gerade, weil es so attraktiv ist. Bei den Kaufverhandlungen gibt es kaum Argumente, um den Preis zu drücken. Deshalb der Rat: «Schlafen Sie erst darüber, bevor Sie das Portemonnaie zücken.»
Dieser Artikel erschien zuerst beim «Beobachter» unter dem Titel «Occasionsauto – erste Wahl aus zweiter Hand».
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