Trotz eines Rechtestreits haben ein Universitätsdozent und eine Abgeordnete aus Frankreich das berühmte Tagebuch der Anne Frank frei abrufbar im Internet veröffentlicht. Sie stellten das Werk am Freitag im niederländischen Original online.
Dabei verwiesen sie darauf, dass die Schutzfrist 70 Jahre nach dem Tod von Anne Frank im NS-Konzentrationslager Bergen-Belsen ausgelaufen sei. Nach EU-Recht läuft die Schutzfrist beim Urheberrecht jeweils am 1. Januar nach dem 70. Todestag eines Autors aus.
Basler Fonds will Sperre bis 2037
Der Anne Frank Fonds in Basel, der die Rechte an dem Tagebuch hält, hatte allerdings vorab mit rechtlichen Schritten gedroht, sollte «Das Tagebuch der Anne Frank» ohne Erlaubnis veröffentlicht werden. Nach Ansicht des Fonds, der von Annes Vater Otto Frank gegründet wurde, handelt es sich bei dem Tagebuch um ein posthum veröffentlichtes Werk, bei dem eine 50-jährige Schutzfrist vom Zeitpunkt der Veröffentlichung an gelte. Da der vollständige Text erst 1986 veröffentlicht worden sei, sei er noch bis 2037 urheberrechtlich geschützt.
«Bei diesem Text, diesem Zeugnis und was es darstellt (...) habe ich weiter die Überzeugung, dass es keinen anderen Kampf zu führen gilt, als den seiner Befreiung», rechtfertigte der Informationswissenschaftler Olivier Ertzscheid von der Universität Nantes in einem Vorwort die Veröffentlichung in seinem Blog. Es sei eine Würdigung dieses wichtigen Werkes, es ohne Beschränkungen zugänglich zu machen. Auch die grüne Abgeordnete Isabelle Attard veröffentlichte das Tagebuch in ihrem Blog. «Es lebe das Tagebuch der Anne Frank, es lebe die Urheberrechtsfreiheit», schrieb sie dazu.
Gerichtsurteil in Amsterdam
Bereits am vergangenen Dienstag gab es im Streit um das Werk ein Gerichtsurteil in den Niederlanden: In Amsterdam entschieden die Richter, dass Texte aus den Tagebüchern von Anne Frank für wissenschaftliche Zwecke kopiert und veröffentlicht werden dürfen.
Die Amsterdamer Anne-Frank-Stiftung hatte gemeinsam mit der Königlichen Niederländischen Akademie der Wissenschaften eine Studie zu den Manuskripten gestartet und will diese auch veröffentlichen. Dafür wurden auch Originaltexte genutzt.
Die von Deutschland in die Niederlande ausgewanderte jüdische Familie Frank hatte sich seit 1942 in Amsterdam in einem Versteck aufgehalten, um den deutschen Besatzern zu entkommen. Während dieser Zeit bis zu ihrer Deportation schrieb die jugendliche Anne ihr Tagebuch, das nach dem Krieg entdeckt wurde.
Ihr Vater Otto Frank, der Auschwitz überlebte und erst 1980 starb, veröffentlichte 1947 die Aufzeichnungen seiner Tochter, von denen er allerdings einige Seiten zerstörte. Das Tagebuch wurde inzwischen in 70 Sprachen übersetzt und mehr als 30 Millionen Mal verkauft.
(sda/chb)