Wie kleine Drachen hat ein Urzeittierchen seinen eingekapselten Nachwuchs an Leinen hinter sich hergezogen. Von keinem anderen Tier sei ein solches Vorgehen bekannt, berichten Forscher im Fachjournal «PNAS». Die Wissenschaftler der Universitäten Yale, Oxford, Leicester und des Imperial College London benannten den 430 Millionen Jahre alten «Drachenläufer» (Kite Runner) nach dem Roman von Khaled Hosseini.
Das Fossil des Gliederfüssers wurde in England gefunden, wie es in der Studie heisst. Das gefundene Exemplar des gut einen Zentimeter langen Tierchens mit dem wissenschaftlichen Namen Aquilonifer spinosus hatte demnach zehn Nachkommen. «Wenn sich das Elterntier bewegt hat, haben die Jungen wie Dekoration oder befestigte Drachen ausgesehen», sagt Erstautor Derek Briggs von der Universität Yale.
Evolutionäre Sackgasse
«Heutige Krebstiere haben eine Reihe von Strategien, um ihre Eier und Embryos vor Räubern zu schützen - sie befestigen sie an den Gliedmassen, halten sie unter dem Panzer oder umgeben sie mit einer besonderen Tasche», erklärt er. «Aber dieses Beispiel ist einzigartig.» Die Methode habe sich im Laufe der Evolution vielleicht als weniger erfolgreich erwiesen und sei daher wieder verschwunden.
Die zehn Nachkommen des Drachenläufers seien unterschiedlich weit entwickelt, schreiben die Forscher. Die grösste Kapsel ist demnach rund zwei Millimeter lang. Die Forscher gehen davon aus, dass der Drachenläufer bis zum Schlüpfen aller Nachkommen gewartet hat, ehe er sich im Zuge seines Wachstums häutete - sonst hätten die Kapseln schutzlos herumgelegen.
Am Boden von Gewässern
Wahrscheinlich handle es sich bei dem Fossil um ein Weibchen, allerdings kümmerten sich bei manchen heutigen Verwandten des Drachenläufers auch die Männchen um den Nachwuchs. Die Idee, dass es sich bei den zehn kleinen Lebewesen auch um Parasiten handeln könnte, verwarfen die Forscher wieder.
Sie ordnen den Drachenläufer bei den Mandibeltieren ein, einer Tiergruppe, zu der auch etwa Krebstiere und Insekten gehören. Wahrscheinlich habe er am Boden von Gewässern gelebt. Die detailreiche Darstellung erreichten die Forscher durch eine virtuelle Rekonstruktion: Schicht für winzige Schicht rieben sie das Fossil ab und erstellten digitale Aufnahmen.
(sda/gku/ama)