Traditionell ist die Analyse von Unternehmen stark auf Fundamentaldaten aus Geschäftsberichten gestützt, jedoch werden dieselben Daten von Millionen Investoren weltweit herangezogen und sind darüberhinaus vergangenheitsbezogen. Für ein erfolgreiches Investment wird es immer wichtiger, aktuelle Trends ausmachen zu können oder Verbindungen zwischen Unternehmen zu erkennen, bevor der Markt dieses Potenzial vollständig wahrnimmt. So kann deshalb auf die Analyse sowohl traditioneller als auch alternativer Daten gesetzt werden, oder Big Data, um einen Informationsvorsprung zu erlangen.
Eine interessante Anwendung von Technologie zur Auswertung alternativer Daten ist die Nutzung Maschinellen Lernens zur Identifikation von Abhängigkeiten zwischen Unternehmen, die keine offensichtliche Verbindung, zum Beispiel die Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Sektor oder das gleiche Herkunftsland, aufweisen. Beispielsweise könnte ein Hersteller für Automobilsitze in Deutschland mit einem brasilianischen Textilhersteller verbunden sein, weil er diese Textilien für seine Sitze verarbeitet. Als Datenquelle können hier zum Beispiel Patente dienen, von denen Millionen existieren und die für jedermann öffentlich zugänglich sind. Die in ihnen angegebenen Liefer-, Absatz- oder Finanzierungsverbindungen können uns frühzeitig Aufschluss darüber geben, wie sich veränderte Geschäftszahlen eines Unternehmens auf dessen Lieferanten auswirken.
Mit dem technologischen Wandel verändern sich auch Geschäftsmodelle und damit ganze Wirtschaftszweige, somit wird es unserer Meinung nach immer wichtiger, umfassend über auf den ersten Blick unerwartete Verbindungen zwischen Unternehmen nachzudenken. Drei Themen lassen sich in diesem Jahr genau beobachten:
1. Smart Healthcare
Es ist für viele Unternehmen im Gesundheitswesen eine Herausforderung, den aktuellen Standard der bereitgestellten Gesundheitsinformationen zu verbessern. Eine Methode, die aus Branchensicht förderlich sein soll, ist der Einsatz von Technologien. Prognosen zufolge wird der Gesamtmarkt für das sogenannte Internet der Gesundheitsgeräte in den nächsten Jahren auf fast das Doppelte seiner heutigen Grösse ansteigen. Dementsprechend konnten wir bei Industriezweigen wie Medizinische Geräte und Anwendungssoftware beobachten, dass diese eng mit Themen wie «Plattform», «entwickelt» und «vorbeugen» verbunden sind. Heutzutage können auf das Gesundheitswesen fokussierte Anwendungen viele Erkenntnissen zur Förderung der öffentlichen Gesundheit liefern, wie unter anderem welche, die sich auf Diagnose, schnelle Kommunikation in Kliniken oder konsolidierte Patientendaten für Krankenhausärzte konzentrieren.
2. Kein Tropfen umsonst
Darüber hinaus haben wir Verbindungen zwischen Unternehmen der Softdrink-Industrie und der Öl- und Gasindustrie gefunden. Da beide Branchen im täglichen Betrieb grosse Wassermengen verbrauchen, sind sie über Themen wie «Wasser», «Versorgung», «Regulierung» und «Ressourcenschutz» miteinander verbunden. Beide Wirtschaftszweige fallen in den Einflussbereich neuer Vorschriften für die Bewirtschaftung und Wiederverwendung von Wasser, die zusätzliche Kosten für diese Unternehmen verursachen könnten. In Kalifornien wurden bereits im Mai letzten Jahres neue Vorschriften erlassen, um die Wassernutzung zu begrenzen. Auch in der EU, dem Vereinigten Königreich und in Australien wurden weitere Entwürfe zur Wasserwirtschaft vorgelegt, die in Zukunft für die Entwicklung dieser Unternehmen relevant werden könnten
3. Fliegen nahe der Sonne
Da die Kosten für Solarstrom weiter sinken, lassen sich bei Unternehmen aus den Branchen Erneuerbare Energien und Flughafendienstleistungen Verbindungen über Themen wie «Infrastruktur», «Projekte», «Solar» und «Kapazität» identifizieren. Weltweit verzeichnen Flughäfen seit fünf Jahren ein steigendes Passagieraufkommen, bei einem fast durchgehenden Betrieb und voraussichtlich wird das Passagieraufkommen weiter steigen. Über 150 grosse Flughäfen weltweit suchen als Reaktion darauf nach Möglichkeiten, Solarenergie und andere erneuerbare Energiequellen einzusetzen. So könnten sie ihre Betriebsinfrastruktur optimieren und letztendlich ihre Kapazität für eine effiziente und kostengünstige Betriebsführung steigern.
Fazit: Über den Tellerrand schauen
Investoren sollten kritisch darüber nachdenken sollten, welche Unternehmen zur Vergleichsgruppe in der relevanten Branche gehören. Dabei können sie ihre Analysen auf die Identifizierung von Marktthemen und langfristige Veränderungen ausrichten. So lassen sich Zusammenhänge zwischen ansonsten nicht offensichtlich miteinander verbundenen Unternehmen besser erkennen.
*Pascal Mischler, Country Head Schweiz bei Goldman Sachs Asset Management (GSAM)