Wenn Sie ziellos in irgendeinen Master hineinhüpfen, werden Sie mittelfristig nicht erfolgreich sein», sagt Jürg Gabathuler, Berater und Dozent am Zentrum Human Resources, Development & Sportpsychologie am IAP Institut für Angewandte Psychologie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW und dortiger Leiter des Studiengangs MAS Ausbildungsmanagement. Er muss es wissen, denn er arbeitete während mehrerer Jahre in leitender Funktion im Personalwesen in grossen Schweizer Unternehmen.
Das Postulat des vielgepriesenen, kontinuierlichen Lernens findet so leider noch nicht statt oder ist noch nicht in allen Köpfen angekommen, hat Gabathuler leider nur allzu oft festgestellt. Der erfahrene Personalentwickler weiss, dass die wenigsten Mitarbeitenden konsequent lebenslang lernen.
«Viele bilden sich nicht weiter oder nur auf Druck des Arbeitgebers. Wenn sie dann mit fünfzig von einer Reorganisation betroffen sind und nur ihre Basisausbildung und Berufserfahrung vorweisen können, reicht das häufig nicht mehr», so Jürg Gabathuler. Insbesondere wenn sie sich mit neuen Fachkräften messen müssen, die frisch von der Uni kommen. Auch die ganze Digitalisierung bedinge, dass man sich für den Job wirklich fit halte.
Jürg Gabathuler: «Vielleicht brechen einige Teile der Tätigkeit in meinem Job weg, wenn sie digitalisiert, das heisst durch Softwarelösungen ersetzt werden. Deshalb muss ich mich fragen: Wie wirkt sich die Arbeitswelt 4.0 auf meine Tätigkeiten aus? Was muss ich können, um darin gut zu bleiben?»
Aktiv anwenden können, entscheidet
Scrollt man sich dann durch die zahllosen Angebote der Weiterbildungsinstitute, kann man schon mal die Übersicht verlieren. Für Jürg Gabathuler ist folgendes Vorgehen ratsam: Als Erstes sollte man sich die Frage stellen, ob man als Fachkraft eine fachliche Weiterbildung oder – wenn man bereits in einer Führungsposition arbeitet – eine Weiterbildung im Führungsbereich absolvieren möchte. Es bringt nichts, einen Führungskurs «auf Halde» zu besuchen, also ohne konkrete Anwendungsmöglichkeit in der aktuellen Posi-tion. «Wenn Sie das Gelernte nicht gleich aktiv anwenden können, vergessen Sie es schnell wieder.»
Um sich im Dschungel der Ausbildungen zurechtzufinden, ist für Gabathuler die Beantwortung der folgenden Leitfragen sinnvoll: Ist die Ausbildung anwendungsorientiert, ist sie praxisbezogen? Ist ein roter Faden erkennbar im Lehrgang? Werden Modelle, Theorien und Konzepte vermittelt, die ich wirklich im Alltag einsetzen kann? Diese Fragen beantwortet am besten eine Person, die die betreffende Ausbildung bereits absolviert hat.
Absolventen einer Weiterbildung können die treffendsten Hinweise geben, zum Beispiel wie die Dozenten mit den Teilnehmenden umgehen. Ist der Umgang wertschätzend, begegnet man sich auf Augenhöhe? Ist der Unterricht interaktiv und mit eigenen Erfahrungen und Praxisbeispielen verknüpft? Werden E-Learnings sinnvoll eingebunden oder stellen sie eine Stand-alone-Lösung dar? Denn dann sind sie nicht wirksam. Jürg Gabathuler betont: «Oft geht vergessen, dass die Menschen soziale Wesen sind und sich gerne mit anderen austauschen.»
Das eigene Netzwerk abklopfen
Absolventen sind häufig auch im eigenen Unternehmen zu finden. Hier kann die Human Recources wertvolle Hinweise auf Personen oder auf bereits bewährte Weiterbildungsinstitute geben. Ebenfalls hilfreich ist das Befragen des eigenen Netzwerkes, auch in den sozialen Medien: Was hält die Community von einer bestimmten Weiterbildung? Es lohnt sich, selber aktiv zu werden, um sich die notwendigen Informationen zu beschaffen.
Die Zusammensetzung und der Hintergrund der einzelnen Dozenten können ebenfalls Auskunft geben über die Qualität eines Weiterbildungsangebots: Bringen die Dozentinnen und Dozenten die nötige berufliche Erfahrung mit? Haben sie jemals im betreffenden Gebiet gearbeitet?
Genug Zeit für die Auswahl einplanen
Es lohnt sich auch, genau zu schauen, was sich hinter den einzelnen Lehrveranstaltungen versteckt. Aufschlussreich ist es gemäss Jürg Gabathuler, den Weiterbildungsanbietern ganz konkrete Fragen zur Auswahl und Zusammenstellung der Lerninhalte zu stellen. Etwa: Wie wurde das Programm konzipiert, welche Überlegungen hat man sich beim Zusammenstellen der Lehrveranstaltungen gemacht? «Es sollte ja darum gehen, das Kompetenzprofil der Teilnehmenden zu schärfen.
Dazu muss man wissen, wie das Anforderungsprofil aussieht: Was beschäftigt die Fach- und Führungskräfte im Alltag? Wo liegen in der Zukunft die Trends?», sagt Gabathuler. Er weiss, dass sich die meisten Menschen so schnell wie möglich für eine Weiterbildung entscheiden wollen. Trotzdem sollte man sich genügend Zeit für die Auswahl nehmen. «Employabilität erhalten heisst, sich in einem Feld Expertise anzueignen, in dem man auch in Zukunft Chancen für sich sieht.»
«Bei einem billigen CAS würde ich genau hinschauen»
Worauf haben Sie in Ihrer langjährigen Tätigkeit im HR-Bereich beim
Thema Weiterbildung der Kandidaten geachtet?
Jürg Gabathuler: Eine Person war für uns sicher interessanter, wenn sie sich alle fünf bis zehn Jahre umfassend weitergebildet hat. Damit zeigte sie, dass sie sich geöffnet und neues Wissen, neue Konzepte angeschaut hat.
Gibt es noch sichere Weiterbildungswerte?
Sichere Werte gibt es heute nicht mehr. Aber ein Master of Advanced Studies ist eine gute Basis, um die Employabilität à jour zu halten. Es ist ein guter Weg, sich zu vertiefen und neue Kompetenzen zu entwickeln.
Ein Master of Advanced Studies (MAS) ist nicht dasselbe wie ein Master an einer Uni oder Fachhochschule. Welchen Stellenwert hat der MAS heute dennoch?
Natürlich ist der MAS nicht dasselbe wie der Uni- oder Fachhochschul-Master. Ein Master of Advanced Studies ist anwendungsorientiert und kein konsekutiver Master. Ich habe aber oft festgestellt, dass der Unterschied in der Aussenwirkung sehr beschränkt ist.
Wie merke ich, dass ein Weiterbildungsangebot eine Mogelpackung ist?
Wenn der Inhalt nicht das hält, was versprochen wird. Zum Beispiel, wenn es beim Thema Personalentwicklung gar keine Dozenten mit Erfahrung in Personalentwicklung gibt, sondern lediglich HR- und Führungsspezialisten. Dann werden Sie wenig über Personalentwicklungskonzepte lernen. Auch der Preis könnte aufhorchen lassen. Bei einem CAS für nur 1000 Franken würde ich sehr genau hinschauen.
Wann ist der richtige Zeitpunkt, um sich weiterzubilden?
Es ist sicher nicht sinnvoll, eine Weiterbildung gleich nach der Universität zu absolvieren. Aber wenn sich jemand nach rund zehn Jahren Berufspraxis weiterbildet, bewahrt er seine Employabilität. Idealerweise sollte das das erste Mal weit vor fünfzig stattfinden. Wenn jemand mit Anfang fünfzig in eine Reorganisierung gerät, ist es zu spät. Unsere CAS- und MAS-Studierende sind im Schnitt zwischen 30 und 45.
Was halten Sie von einer Weiterbildung in einem fremden Fachgebiet?
Ein solche Wahl muss man sich gut überlegen. Die Unternehmen stellen lieber Leute mit langer Berufserfahrung ein als Quereinsteiger. Stellen Sie sich vor, Sie sind Recruiter und suchen jemanden, der Sie im Rekrutierungsprozess unterstützt. Sie haben einen Handwerker, der die Berufsmatura nachgeholt und einen CAS oder MAS in Rekrutierung absolviert hat. Und Sie haben eine HR-Fachfrau, die schon zwanzig Jahre Mitarbeitende rekrutiert hat. Die Wahl wird auf die HR-Fachfrau fallen. Denn das Risiko mit dem Quereinsteiger ohne Berufserfahrung will niemand eingehen. Auch wenn man sich für einen CAS oder MAS entscheidet, ist die Berufserfahrung ein wesentliches Kriterium für die Berufserfahrung. Deshalb wird nur in wenigen Fällen ein CAS oder MAS beim Quereinstieg helfen, solange Berufserfahrungen fehlen.
Interview: Susanne Wagner