Herr Frey, wie deuten Sie den Anstieg der Arbeitslosenquote im Bankensektor, und welche langfristigen Auswirkungen könnte dies haben?
Zunächst gilt es festzuhalten, dass die Arbeitslosenquote in der Bankbranche im laufenden Jahr parallel zu derjenigen der Gesamtwirtschaft ansteigt. Wir haben es also nicht mit einer bankenspezifischen Entwicklung zu tun. Interessant ist aber, dass die Arbeitslosenquote der Bankbranche neuerdings ganz leicht über derjenigen der Gesamtwirtschaft liegt. Hier scheinen die Massnahmen der Banken zur laufenden Senkung ihrer Kostenstruktur – auch im Personalbereich – sichtbar zu werden.
Was sind die Gründe für die konstante Zahl offener Stellen bei gleichzeitig leicht steigender Beschäftigtenzahl?
Die vielen offenen Stellen in der Bankbranche bei zunehmender Beschäftigung und steigender Arbeitslosigkeit widerspiegeln den Fachkräftemangel und den Strukturwandel in diesem Sektor. Dies bestätigt auch der Arbeitsmarktindex von Arbeitgeber Banken. Die Banken suchen Mitarbeitende mit Kompetenzen und Profilen, die nicht immer denjenigen entsprechen, die auf dem Arbeitsmarkt verfügbar sind.
Inwiefern beeinflusst die Digitalisierung die Nachfrage nach spezifischen Fachkräften in der Bankbranche, und wie reagieren Banken darauf?
Die Digitalisierung ist in der Bankbranche kein neuer Trend. Aber der Bedarf nach spezialisierten Fachkräften hat nochmals deutlich zugenommen. Dabei stehen die Banken in Konkurrenz mit vielen anderen Branchen. Sie setzen einerseits auf die permanente Weiterbildung und Kompetenzentwicklung ihrer Mitarbeitenden, gehören aber auch zu den Branchen, die mit am meisten IT-Lernende in der Schweiz ausbilden.
Welche Veränderungen erwarten Sie für das kommende Jahr bezüglich Rekrutierungsschwierigkeiten und Stellenaufbau im Bankensektor?
Die unserem Arbeitsmarktindex zugrunde liegenden Befragungen stimmen leicht optimistisch: Die Banken gehen von einem Stellenausbau und einer sich leicht entspannenden Fachkräftesituation auf dem Arbeitsmarkt aus. Aktuell beobachten wir eine leicht abnehmende Anzahl offener Stellen, was darauf hindeutet, dass die Banken ihre Fachkräfte etwas leichter finden dürften. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Fachkräftemangel in der Bankbranche weiterhin hoch ist.
Welche Rolle spielt die Attraktivität der Bankbranche als Arbeitgeber im Vergleich zu anderen Sektoren, und wie könnte sie gesteigert werden?
Im Kampf um Talente spielen attraktive Arbeitsbedingungen eine entscheidende Rolle. Hier spielen die Banken ganz vorne mit, wobei es nicht nur um den Lohn, sondern vor allem auch um Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten oder moderne Arbeitsformen geht. Gerade in diesen Bereichen können viele Banken mit grossen Tech-Firmen mithalten.
Gibt es regionale Unterschiede im Fachkräftemangel innerhalb der Bankbranche, und falls ja, welche Faktoren tragen dazu bei?
Ja, es gibt durchaus regionale Unterschiede. Wenn wir das Verhältnis zwischen offenen Stellen und der Arbeitslosigkeit betrachten, so zeigt sich vor allem in der Region Zürich ein grosses Missverhältnis: Auf drei ausgeschriebene Stellen kommt hier eine arbeitslose Person. Das weist auf einen Fachkräftemangel hin. Auch in der Westschweiz, im Kanton Bern oder in den Ostschweizer Kantonen St. Gallen und Thurgau stellen wir einen eher hohen Fachkräftemangel fest, wenn auch nicht ganz so hoch wie in Zürich. Im Tessin, in Graubünden oder auch in der Innerschweiz ist das Verhältnis zwischen Arbeitslosen und offenen Stellen deutlich geringer, was dementsprechend auf einen tieferen Fachkräftemangel hinweist.