Die Finma bleibt bei ihrer Einschätzung, dass die Grossbanken im Krisenfall saniert oder geordnet liquidiert werden können. «Die Schweizer Notfallpläne der Credit Suisse und UBS sind weiterhin umsetzbar», urteilt die Finanzmarktaufsichtsbehörde in ihrem am Mittwoch publizierten jährlichen «Resolution report». Das heisst: Auch die systemrelevanten Banken können scheitern, so wie es das Ziel der «Too big to fail»-Regulierung (TBTF) ist.
Was mit Blick auf den CS-Kollaps und die Rettungsaktion wie ein Witz tönt, ist durchaus ernst gemeint.
Der Bericht basiert auf Auswertungen vom letzten Jahr, das heisst, die jüngste Übernahme der CS durch die UBS ist nicht berücksichtigt. Man kann jedoch davon ausgehen, dass dieses Urteil auch im nächsten Bericht für die neue, fusionierte UBS Bestand hat, wenn es jetzt für die beiden Institute separat gilt.
In der Einleitung des Berichts geht Finma-Chef Urban Angehrn denn auch auf die aktuelle Situation mit der CS ein und sagt, was die Behörden schon mehrmals betont haben: Man war vorbereitet, und die Abwicklung der Bank war eine Option.
«Die Ereignisse rund um die Credit Suisse zeigen, wie wichtig konkrete Vorbereitungen für Krisenfälle sind. So hatten die Behörden mit dem Sanierungsplan und mit dem Notfallplan Optionen auf dem Tisch, die es vor zehn Jahren schlicht nicht gab», so Angehrn.
Die Sanierungs- und Notfallpläne sollen sicherstellen, dass die systemrelevanten Funktionen wie das Einlage- und Kreditgeschäft im Inland sowie der Zahlungsverkehr weitergeführt werden, auch wenn der globale Teil in Konkurs gegangen ist.
Sanierungs- und Notfallpläne sind bereit
Laut der Finma haben die Grossbanken anders als die Postfinance und die ZKB die wichtigen Vorkehrungen für den Krisenfall getroffen. Dazu zählt die Einführung einer Holdingstruktur mit der Ausgliederung systemrelevanter Funktionen in Schweizer Tochtergesellschaften und die Fähigkeit der Banken, die Daten zur Schätzung des Liquiditätsbedarfs und zur Durchführung eines Bail-ins schnell bereitzustellen.
Unter Bail-in versteht man die Rekapitalisierung über die zwangsweise Beteiligung der Gläubiger. So wie es im Fall der CS geschehen ist, indem AT1-Obligationen abgeschrieben wurden, was den Deal mit der UBS wohl erst ermöglicht hatte.
Auch die juristische und operative Machbarkeit eines Bail-ins im US-Kapitalmarkt wurde gemäss Finma durch eine externe Beurteilung überprüft und bestätigt.
CS-Abwicklung wäre der erste Testfall gewesen
Der Grund, weshalb die Option der Sanierung und geordneten Liquidierung im Fall der CS verworfen wurde, war demnach nicht, dass die Abwicklung über mehrere Jurisdiktionen nicht möglich gewesen wäre, sondern den Ausschlag gaben die potenziell erheblichen negativen Auswirkungen auf andere Banken, die Schweizer Volkswirtschaft und das globale Finanzsystem.
Das heisst: Man wäre parat gewesen, aber man hat sich nicht getraut. Schliesslich wäre es das erste Mal gewesen, dass seit den TBTF-Regulierungsbestrebungen nach der Finanzkrise eine systemrelevante Grossbank abgewickelt worden wäre.
Es wird viel darüber spekuliert, ob die TBTF-Regulierung versagt hat. Doch der Blick auf die letzten zehn Jahre zeigt, dass seit der Finanzkrise kaum noch Bankkunden und Bankkundinnen oder die Steuerzahlenden zu Schaden kamen, weil Banken in Schieflage gerieten.
Ausnahmen sind die Interventionen in Italien, wo sowohl bei der systemrelevanten Bank Monte dei Paschi di Siena als auch bei zwei Regionalbanken Ausnahmeregelungen gefunden wurden, damit der Staat einspringt.
Im Fall der spanischen Banco Popular hingegen kamen 2017 zum ersten Mal die neuen EU-Regeln zur Bankenabwicklung zum Einsatz. Die Besitzer von nachrangigen Anleihen sowie die Aktionärinnen und Aktionäre wurden im Sinne der Bail-in-Regeln zur Kasse gebeten. Den Rest der Bank, mit allen Schulden, übernahm die Grossbank Santander.
Teile der Regulierung funktionieren
Im Fall der CS bot sich mit der UBS-Übernahme eine Lösung an, bei der das Risiko für den Staat überschaubar bleibt und die Steuerzahlenden nicht für den Bail-out der Investoren aufkommen müssen. Anders als bei der UBS-Rettung von 2008 hat der Bund nur Garantien gesprochen und sich nicht an der Rekapitalisierung beteiligt. Stattdessen kam ein zentrales Sanierungsinstrument des TBTF-Regelwerk zum Einsatz, indem die Gläubiger durch die Abschreibung der AT1-Anleihen zur Kasse gebeten wurden.
Ein Schönheitsfehler der Aktion ist, dass sie sich – zumindest innerhalb der Schweiz – nicht mehr wiederholen lässt und es jetzt nur noch eine Grossbank gibt, deren Rettung den Kleinstaat ans Limit brächte.
Deshalb ist es so wichtig, dass die UBS entweder kleiner wird oder ein international akzeptierter Notfall- und Sanierungsplan ausgearbeitet wird, der dann auch zur Anwendung kommt.
Zweifel am Finma-Urteil
Die Finma glaubt schon heute, dass die Pläne umsetzbar sind. Andere Expertinnen und Experten wie etwa ETH-Professor Hans Gersbach sind skeptisch. Er zweifelt vor allem am vorgesehenen Single-Point-of-Entry-Verfahren. Dieses bedeutet, dass die Finma auf Konzernebene interveniert und dort den Bail-in der Gläubiger anordnet.
Das Verfahren sei politisch nicht akzeptiert, weil es bedeuten würde, dass beispielsweise die Behörden in den USA der Finma Eingriffsmöglichkeiten auf die US-Tochter der Grossbank einräumen müssten.
Es ist zu hoffen, dass das TBTF-Konzept möglichst bald in Zusammenarbeit mit den Regulatoren in anderen Ländern so überarbeitet wird, damit im Fall einer künftigen Krise bei der UBS die internationale Abwickelbarkeit tatsächlich gegeben ist.
Denn die Optionen Fusion und Verstaatlichung gibt es nicht mehr.