Der Untergang der Credit Suisse ist eine Zäsur für die Schweiz. Seit einem Jahr wird mittlerweile darüber diskutiert, wie es so weit kommen konnte. Verbunden mit der Frage, ob die Credit Suisse nicht doch hätte gerettet werden können. Klar ist: Die Übernahme durch die UBS und die unmittelbar ergriffenen Massnahmen der Schweizer Behörden sorgten am Morgen des 20. März für Stabilität.
Dank dem raschen Handeln hat die Schweiz aus eigener Kraft das Risiko einer internationalen Finanzkrise beseitigt. Die Einlagen der Kundinnen und Kunden waren jederzeit sicher. Jetzt ist es wichtig, die Gründe, die zur Krise geführt haben, zu analysieren und daraus die richtigen Lehren für die Zukunft zu ziehen.
Lücken zielgerichtet schliessen
Damit die Schweizer Banken unverändert ihren Beitrag zur Wirtschaft und zum Wohlstand für alle Bürgerinnen und Bürger leisten können, ist ein wettbewerbsfähiger Regulierungsrahmen zwingend. Mögliche Lücken im bestehenden Regelwerk sollen daher zielgerichtet geschlossen werden, um die wirklichen Probleme zu lösen.
Die Grösse der jeweiligen Bank, die Systemrelevanz, das Geschäftsmodell und die internationalen Verflechtungen sind dafür relevante Faktoren. Letztlich soll der gesamte Bankensektor robuster aus dieser Situation herauskommen und externe Schocks, wie beispielsweise ein digitaler Bank-Run aufgrund eines Tweets, besser absorbieren können.
Liquidität sicherstellen
Die Credit Suisse hat erfahren, wie heftig heute solche Bank-Runs ausfallen. Ein solches Ereignis kann auch andere Banken treffen. Wenn die Finanzierung am Markt plötzlich nicht mehr möglich ist, braucht es einen schnellen Zugang zu Liquidität durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) – wenn die betroffene Bank noch solvent ist und ihr Geschäft weiterführen kann. Dafür muss die Bank genügend Sicherheiten an die SNB abtreten.
Die effiziente Versorgung des Geldmarktes mit Liquidität durch die SNB rückt somit noch stärker in den Fokus. Sie ist aus unserer Sicht eine der wirkungsvollsten Stellschrauben, um das Finanzsystem nachhaltig zu stärken. Damit senkt sie zugleich das Risiko für den Einsatz des sogenannten Public Liquidity Backstop (PLB) – einer Ausfallgarantie des Bundes zuhanden der SNB. Diese Garantie kommt nämlich nur im äussersten Krisenfall zum Zug, wenn eine Bank durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) saniert beziehungsweise abgewickelt werden müsste.
Persönliche Verantwortung festlegen
Ebenso erachten wir es als sinnvoll, dass die Pflicht zu einer langfristig ausgerichteten Vergütungspolitik gesetzlich verankert und ein schlankes Verantwortlichkeitsregime («Senior Managers Regime») eingeführt werden. Damit könnten in der Schweiz die Verantwortungsträgerinnen und -träger rascher und eindeutiger bestimmt und bei klarem Versagen persönlich zur Verantwortung gezogen werden.
Die Credit Suisse ist aufgrund einer Vertrauenskrise untergegangen, und diese hat viel damit zu tun, wie Spitzenmanagerinnen und -manager ihre Verantwortung wahrnehmen, die Firma führen und ihr Handwerk beherrschen. Weitere Verbesserungen in der Aufsichtstätigkeit der Finma mit mehr Kompetenzen können zielführend sein, sofern sich im Rahmen der Aufarbeitung Handlungsbedarf zeigt.
Nicht die Bürgerinnen, Bürger und die Wirtschaft schröpfen
Die Schweizer Banken haben in den vergangenen Jahren alle regulatorischen Verschärfungen mitgemacht. Sie verfügen heute über massiv höhere Liquiditäts- und Kapitalpolster. Die Eigenmittelanforderungen an systemrelevante Banken entsprechen internationalen Standards und sind im Vergleich zu anderen Finanzplätzen viel strenger. Und mit der Einführung von «Basel III final» werden sie ab 2025 nochmals deutlich höher. Trotzdem liegt die Forderung nach einer erneuten Erhöhung von Eigenkapital wieder auf dem Tisch.
Kapital war nicht das Problem beim Untergang der Credit Suisse. Daher gehört die pauschale Forderung nach mehr Eigenkapital auch nicht in den Massnahmenkatalog für zielgerichtete regulatorische Verbesserungen.
Eine Erhöhung des Eigenkapitals hätte ausserdem massive Auswirkungen auf die Bevölkerung, die Unternehmen und die öffentliche Hand, wie das Rechenbeispiel der Zürcher Kantonalbank (ZKB) zeigt:
Eine Erhöhung der ungewichteten Kapitalanforderung von 4,5 Prozent auf 15 Prozent würde für die öffentlich-rechtliche ZKB bedeuten, dass sie zusätzliches Eigenkapital im Umfang von 20 Milliarden Franken beschaffen müsste. Um diese Vorgabe zu erfüllen, blieben der ZKB im Wesentlichen drei Alternativen: entweder eine Erhöhung ihres Dotationskapitals durch den Kanton um 20 Milliarden Franken. Oder ein Verzicht auf Gewinnausschüttungen an den Kanton Zürich und die Zürcher Gemeinden während rund zwanzig Jahren – bei einem angenommenen Jahresgewinn von rund 1 Milliarde Franken. Oder die Reduktion der Bilanzsumme um rund zwei Drittel, was rund 60 Prozent der Hypotheken der Bank betreffen würde.
Im April wird der Too-big-to-fail-Bericht veröffentlicht, später im Jahr folgt derjenige der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK). Dann liegen alle wesentlichen Informationen auf dem Tisch, und die erforderlichen Massnahmen können mit der nötigen Klarheit getroffen werden. Mit dem Fokus, die Stabilität und den Erfolg des Bankenplatzes Schweiz für die Zukunft zu sichern.