Die Finanzierung eines Eigenheims stellt für die meisten Menschen in der Schweiz das grösste Investment ihres Lebens dar, und die hierfür gesprochenen Hypotheken sind für Finanzinstitute der Hauptbestandteil ihres Geschäftserfolges. Die aktuelle makroökonomische Volatilität und starken Veränderungen in der Wettbewerbslandschaft bergen sowohl Chancen als auch Risiken für alle Marktteilnehmenden – diese gilt es jetzt strategisch anzugehen.
Nach Jahren der Stabilität steht der Hypothekarmarkt in der Schweiz nun wieder vor zunehmenden Veränderungen. Nebst dem überdurchschnittlichen Anstieg von Immobilienbewertungen und Zinsen haben auch die schnell voranschreitende Digitalisierung und die Etablierung von Plattformen den Markt und die Kundenerwartungen im Ökosystem Wohnen verändert. Zudem schlägt die CS-Übernahme durch die UBS am Finanzplatz Schweiz weiterhin hohe Wellen. Dies zeigt eine vor kurzem von Deloitte durchgeführte Studie mit 38 Finanzinstituten und 65 Prozent Marktabdeckung.
Margendruck rückt kurzfristige Optimierungen wieder in den Fokus
Zu beobachten sind dabei sehr unterschiedliche Kundenerfahrungen: Bei den Antragsprozessen herrscht noch immer eine grosse Heterogenität im Hypothekarmarkt. Selbst bei vermeintlich standardisierten Anfragen müssen Kunden und Kundinnen heute teilweise noch immer lange auf eine Finanzierungsbestätigung warten – dies dauert je nach Anbieter nur wenige Stunden bis hin zu mehreren Tagen. Und zwar in einem zeitkritischen Moment, wenn es darum geht, sich das je nach Region rare Wunschobjekt unter all den Mitbietenden zu sichern. Banken und Versicherungen haben dieses weiterhin grosse Optimierungspotenzial erkannt und wollen es – auch aufgrund des Margendrucks – in den kommenden Jahren priorisiert angehen.
«Digital first» gilt zunehmend auch bei der Hypothekarkreditvergabe
Die Schweiz geniesst noch immer das Ansehen eines führenden Bankenplatzes und eines der innovativsten Länder weltweit. Im Schweizer Kreditgeschäft fand bisher aber eher eine vorsichtige Evolution als eine disruptive Revolution statt. Trotz zunehmendem Preisdruck ist das Geschäft noch immer zu wenig portabel und die Loyalität der Kundinnen und Kunden gegenüber ihrer Hausbank weiterhin hoch – erst ab Zinsunterschieden von etwa 0,2 Prozent sind sie bereit, einen Wechsel des bisherigen Finanzierungspartners in Betracht zu ziehen.
Eric Gutzwiller leitet als Director beim Beratungsunternehmen Deloitte Schweiz das Centre of Excellence für das Kreditgeschäft und ist Autor der Studie.
Ereignisse im Markt erfordern eine strategische Neuausrichtung
Der im Juni auf 1,25 Prozent gesenkte SNB-Leitzins belebt die Nachfrage aktuell wieder etwas. Bereits zuvor hat sich das ungebremste, natürliche Volumenwachstum aus der Tiefzinsphase deutlich entschleunigt. Trotzdem plant die Hälfte der Finanzinstitute weiterhin, mit rund 5 Prozent zu wachsen – und somit klar über dem Niveau des Gesamtmarktes, welchem sie gleichzeitig nur unter 3 Prozent Wachstum zutrauen. Der Kampf um Marktanteile wird sich somit verschärfen. Gleichzeitig wird die Fusion der UBS mit der CS im Massengeschäft mehrheitlich als Chance gesehen. Kantonal- und Regionalbanken als typische Hausbanken sind dabei besonders aktiv – auch über traditionelle geografische Grenzen hinaus. Für die Endkundschaft kann dies von Vorteil sein, wenn sie bereit ist, Angebote zu vergleichen.
In vielen anderen Ländern oder Servicedienstleistungsindustrien (zum Beispiel Versicherungen oder E-Commerce) konnten Kundinnen und Kunden von nutzerfreundlichen digitalen Angeboten, Plattformen, Ökosystemen oder Fintechs stärker profitieren. Dass hier Nachholbedarf besteht, haben Schweizer Finanzinstitute nun auch im Kerngeschäft mit Hypotheken erkannt. Zwar ist der Druck, die Effizienz zu steigern, weiterhin der grösste Ansporn für die Digitalisierung ihrer Dienstleistungen; doch die Banken fokussieren zunehmend auch darauf, die Kundenbindung zu stärken und eine allumfassende (Allfinanz-)Beratung anzubieten, unter anderem auch mit Partnerschaften. Kleinere Institute sind hier teilweise agiler, auch weil sie mehr Druck haben, sich im Markt zu differenzieren.
Inflation und steigende Zinsen belasten Haushaltsbudgets
Die Schweizer Immobilienblase aus den Neunzigerjahren liegt zwar eine Generation zurück, doch einzelne Stimmen werden laut, eine solche könne sich bald wiederholen. Die Ausgangslage ist heute jedoch eine andere. Regulierungen und interne Verbesserungen bei den Finanzinstituten haben das Fundament über die Jahrzehnte gestärkt. Ein genügendes Mass an Vorsicht gilt es dennoch zu wahren.
Während der Schweizer Häusermarkt aus makroökonomischer Sicht gerade im internationalen Vergleich noch immer stabil ist, werden die Hürden für einzelne Endkunden und Endkundinnen höher. Der Traum vom Hauskauf ist immer schwerer zu realisieren, und entsprechend müssen Finanzierungsgrenzwerte öfters ausgereizt oder sogar überschritten werden, insbesondere bezüglich der monatlichen Tragbarkeit. Auch werden Hypothekarnehmende mit einer hohen Belehnung bei Hauspreiskorrekturen somit anfälliger, wenn es darum geht, schnell oder unerwartet zu amortisieren. Allerdings besteht aktuell mehr Unsicherheit eher bei grösseren Rendite- oder Investorenprojekten. Auch die Finanzinstitute erwarten – wenn auch noch im verkraftbaren Rahmen – mehr Kreditausfälle. Dem Kreditrisikomanagement muss folglich wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.
All diese Entwicklungen deuten auf den Beginn eines neuen Kapitels, aber auch auf eine Chance zum Wandel im Schweizer Hypothekarmarkt hin – sowohl für Banken als auch für Kunden und Kundinnen: Kreditinstitute sollten jetzt proaktiv sein und die Maturität im internen Betriebsmodell ihres Kreditgeschäfts steigern, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Davon wird der gesamte Markt profitieren, etwa von attraktiveren Preisen und besserer Vergleichbarkeit wie auch von besseren, individuelleren Kundenerlebnissen. Schweizer Hypothekarkunden und -kundinnen sollten auf vertrauensvolle, kompetente Beraterinnen und Berater setzen und gleichzeitig von den vielen Anbietern profitieren, die zum Beispiel durch Plattformkollaborationen noch attraktivere Zinssätze ermöglichen.