Herr Ramelet, das revidierte Geldwäschereigesetz (GwG) soll auch Anwälte einer Meldepflicht analog zu Banken, Vermögensverwaltern, Trustees und anderen Finanzintermediären unterstellen. Verhindert das in Zukunft die Tätigkeit von «schwarzen Schafen» in der Anwaltsbranche?

Anders als der Grundtatbestand der Geldwäscherei und der Finanzierung des Terrorismus ist das Geldwäschereigesetz keine strafrechtliche Verbotsnorm, sondern will durch den Einbezug der involvierten Branchen die Entdeckungsrate von strafrechtlich sanktioniertem Verhalten erhöhen. Der Finanzmarkt hat eine Rolle als Sensor erhalten. Soweit Anwälte als sog. Finanzintermediäre im regulierten Finanzmarkt tätig sind, ist dies ein bewährtes System. Die im Entwurf präsentierten neuen Regeln sind ähnlich strukturiert, umfassen aber neu auch Tätigkeiten ausserhalb der Finanzmarktgesetzgebung.

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Was bedeutet das konkret?

Es werden quasi mehr Fischer verpflichtet, ihre Netze auszuwerfen, um Informationen über unzulässiges Verhalten zuhanden der Strafverfolgungsbehörden zu suchen. Der Wert der neuen wie der alten Regeln ist jedoch davon abhängig, dass der oder die Betroffene diese auch ausübt.

Und was bedeutet das im Hinblick auf die «schwarzen Schafe»?

Die «schwarzen Schafe» sind dabei nicht jene, welche unwissend gar nicht oder nur fehlerhaft die Regeln befolgen. Eine hohe Komplexität einer Gesetzgebung, wie sie im präsentierten Entwurf vorliegt, kann zu solch ungewolltem Fehlverhalten führen, was vermieden werden sollte. Die wirklichen «schwarzen Schafe» sind jene, welche die Regeln bewusst umgehen, um Klienten mit unzulässigem Verhalten zu schützen. Diese stellten allerdings auch in der Vergangenheit eine verschwindend kleine Zahl der gesamten Berufsgruppe dar, schaden aber dem Ruf der ganzen Branche massiv.

Es sind also Einzelfälle?

Die Erfahrungen seit der Einführung des Geldwäschereigesetzes zeigen, dass die überwiegende Mehrheit jeder involvierten Branche erfolgreich bemüht ist, die Regeln anzuwenden und so dem Recht zur Durchsetzung zu verhelfen.

In Ihrem Referat beim Zürcher Anwaltsverband betonten Sie, das revidierte GwG sei zu kompliziert. Warum kommen Sie zu diesem Schluss?

Der Entwurf des revidierten GwG weitet den Kreis der Unterstellten auf rechtsberatende Berufe und ähnliche Tätigkeiten aus. Zudem sollen analoge, aber nicht deckungsgleiche Pflichten den Anwältinnen und Anwälten auferlegt werden, welche ihrerseits aber ausserhalb der Finanzmarktgesetzgebung, nämlich im Anwaltsgesetz, geregelt werden. Die präsentierte Lösung ist bereits im Entwurf verzettelt. Zudem wird seit Einführung des GwG zum erstem Mal in dessen Anwendungsbereich eine Tätigkeit ohne Möglichkeit eines Bezugs zu einer Transaktion unterworfen, was dem Grundgedanken des GwG und dessen Ausforschungskette, welche zu einem «Suspicious Transaction Report» (STR) an eine staatliche Auswertungsstelle führen soll, widerspricht.

Das war aber nicht Ihr einziger Kritikpunkt.

Ausserdem ist der Entwurf der Änderungen im Bereich der neuen Pflichten so skizziert, dass nebst einer Bundespraxis auch jeweils eine kantonale Praxis etabliert werden würde, was unweigerlich zu Unschärfen, einem Forum-Shopping und dadurch ganz generell nicht zu einer Verbesserung des Geldwäschereiabwehrdispositivs führen würde. Eine Erweiterung der Regeln sollte unbedingt so strukturiert werden, dass die bislang bewährten Mechanismen basierend auf den etablierten Prinzipien gestärkt und ausgebaut werden.

Sie kritisieren, das revidierte GwG untergrabe das Vertrauen der Kundinnen und Kunden in Schweizer Anwälte, da eine Meldepflicht bestehe. Wann gilt diese Meldepflicht und warum ist das ein Problem?

Bereits heute unterliegen Anwälte, welche als Finanzintermediäre am regulierten Finanzmarkt teilnehmen, den Geldwäschereivorschriften. Neu sollen weitere Tätigkeiten der Anwaltschaft einer Meldepflicht unterliegen. Die finanzintermediäre Tätigkeit eines Anwalts, welche bereits bisher nach den Vorschriften des GwG reguliert ist, ist nach objektiven Kriterien gut und verständlich abzugrenzen vom mit dem Berufsgeheimnis geschützten Monopolbereich des Anwalts. Die im Entwurf vorgesehenen Tätigkeiten, welche ebenfalls nach den bislang im GwG geltenden Regeln behandelt werden sollen, lassen diese Schärfe vermissen. Eine klare Abgrenzung ist jedoch unerlässlich, weil ansonsten ein Anwalt riskiert, ungewollt entweder die neuen Vorschriften oder das Berufsgeheimnis zu verletzen.

Wird dabei das Berufsgeheimnis der Anwältinnen und Anwälte geritzt?

Der Entwurf sieht zwar vor, dass eine Meldung an die staatliche Auswertungsstelle nicht gemacht werden muss, wenn die Informationen dem Berufsgeheimnis unterliegen. Da die Abwägung der Anwendung des Berufsgeheimnisses jedoch nicht jederzeit eindeutig gemacht werden kann, wird der Entscheid wohl eher zulasten des Berufsgeheimnisses und damit zulasten der Klientschaft gemacht, da sich der Anwalt selbst vor einem Gesetzesverstoss schützen will.

Worin besteht das Problem?

Das ist deshalb problematisch, weil das Berufsgeheimnis nicht den Anwalt schützen will, sondern jeder Person ermöglichen möchte, in einem geschützten Rahmen die eigenen Rechtspositionen und -strategien mit einer fachkundigen Person zu besprechen. Dieses Grundvertrauen würde mit einer Aufweichung der heute bestehenden Grenzen des Berufsgeheimnisses erschüttert, was letztendlich in einem Vertrauensverlust der Bevölkerung in das Rechtssystem resultieren kann.

Um lusche Praktiken durch «schwarzen Schafe» zu unterbinden, hat die EU eine andere Lösung als die Schweiz realisiert. Kommen deswegen trotz GwG-Revision Probleme auf die Schweiz respektive auf Schweizer Anwälte zu?

Im Bereich der Geldwäschereigesetzgebung ist der internationale Massstab das Resultat der Prüfungen zur Einhaltung der 40 Empfehlungen der Financial Action Task Force. Vor diesem Hintergrund sieht das Eidg. Finanzdepartement hier auch Handlungsbedarf, da die Schweiz im Bereich der sogenannten Designated Non-Financial Businesses and Professions nur «teilweise compliant» mit den Anforderungen war. Insofern muss die Schweiz tatsächlich, um dieses Prüfresultat in den Bereich von «mehrheitlich compliant» oder vorbehaltslos «compliant» zu verbessern, ihr Geldwäschereiabwehrdispositiv weiter stärken. Das Parlament hat den von Altbundesrat Ueli Maurer rechtzeitig eingebrachten Entwurf nicht angenommen. Deshalb ist es richtig, dass nun erneut im Parlament eine Gesetzesänderung diskutiert werden muss.

Was erwarten Sie nun?

Der Entwurf ist nicht vom Grundanliegen her zu kritisieren. Die Regeln sind jedoch so auszugestalten, dass die Rechtsunterworfenen auf einer verlässlichen, klar definierten Basis agieren können. Im Sinne der Verlässlichkeit, der Akzeptanz und letztendlich des Systemvertrauens muss eine solche weitreichende Gesetzesanpassung gerecht werden, insbesondere wenn rechtsstaatliche Prinzipien wie das Anwaltsgeheimnis berührt sind.

Was bringt das revidierte GwG? Erhöht es die Abwehr gegen Geldwäscherei und Terrorfinanzierung?

Der Grundgedanke ist wie erwähnt, dass mehr Fischer ihre Netze auswerfen, um pönalisiertes Verhalten zu identifizieren, was – abstrakt betrachtet – die Fangquote erhöht. Allerdings braucht es dazu klare Regeln, damit die Betroffenen und deren Kunden Klarheit über die anwendbaren Vorschriften haben. Es ist ein Grundmerkmal und wesentliches Standortkriterium, dass Rechtsunterworfene Gewissheit über Regulierungen haben.

Stellen Sie sich persönlich gegen oder für die Revision des GwG?

Eine verlässliche Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung ist ein Qualitätsmerkmal eines verlässlichen Finanzmarkts. Die Schweiz, die circa 10 Prozent des BIP im Bereich des Finanzmarkts erwirtschaftet, ist geradezu darauf angewiesen, dass ihre Regulierung auf Augenhöhe mit den internationalen Anforderungen in diesem Bereich ist. Daher ist es natürlich auch wichtig, dass identifizierte Schwachstellen im Geldwäschereiabwehrdispositiv geschlossen werden. Klare Regeln sind jedoch ein Kernelement einer verlässlichen Regulierung, insbesondere, wenn alle Rechtssubjekte, wie im Fall des GwG, potenziell Teil dieses Abwehrdispositivs sind. Die aktuell thematisierte Ausweitung des GwG ist ein Meilenstein in der Weiterentwicklung desselben und soll daher unbedingt klare, verständliche und vor allem verlässliche Regeln implementieren.