Stablecoins, an Währungen oder Gold gekoppeltes Digitalgeld, sind beim Zahlen international auf dem Vormarsch. «Stablecoins sind bald nicht mehr wegzudenken», meint etwa Gregor von Bergen, Leiter des Zahlungsverkehrsgeschäfts und digitaler Assets bei Capco. Doch unterschiedliche Auflagen in der EU und in der Schweiz hemmen offenbar hierzulande die Entwicklung von Stablecoins.
Für Aufruhr in der Stablecoin-Szene sorgte die am 26. Juli die von der Finma publizierte Aufsichtsmitteilung «Stablecoins: Risiken und Anforderungen für Stablecoin-Herausgebende und garantiestellende Banken». Der Vorwurf: Die Vorgaben des Schweizer Regulators verunmöglichten hierzulande die Herausgabe von Stablecoins.
In den USA und in Grossbritannnien scheint das Umfeld innovationsfreundlicher zu sein: Die US-Grossbank J. P. Morgan hat als erste Bank einen Stablecoin herausgegeben. Bereits Ende Oktober letzten Jahres vermeldete der US-Finanzriese auf seiner Blockchain ein Transaktionsvolumen von 1 Milliarde Dollar pro Tag. Mit ein Grund für diese Riesensumme: Unter anderem bietet J. P. Morgan ihren Kundinnen und Kunden die Abwicklung von Zahlungen über diese Plattform an.
Während im Ausland Stablecoins einen rasanten Zuwachs verzeichnen, dümpelt die Schweizer Szene im Vergleich dazu vor sich hin. Eine härtere Gangart des Regulators, der Finanzmarktaufsicht Finma, scheint hierfür der Grund zu sein: Für einen Stablecoin im Wert von 1 Franken müssen Banken 64 Rappen als Eigenkapital hinterlegen.
Das sind 800 Prozent gemäss BCBS-Gewichtung. Zum Vergleich: In der EU müssen kleine Anbieter von Stablecoins lediglich die Vorgaben der Markets-in-Crypto-Assets-Regulation (Micar) erfüllen und nur 2 Rappen für einen Franken hinterlegen. Für systemrelevante Anbieter wie Tether sind es bloss 3 Rappen. Wird hier von der Finma überreguliert? Interviewpartner Gregor von Bergen ordnet ein.
Gregor von Bergen, was halten Sie grundsätzlich von Regulierungen?
Es ist immer ein Trade-off: Wie viel Kraft nimmt man damit aus Innovationen? Ich glaube, das ist der Kontext. Ich bin 15 Jahre im Feld Payments zu Hause – welches wahrscheinlich eines der reguliertesten im Finanzsektor ist. Insofern ist Regulierung für mich natürlich das tägliche Brot.
Was ist denn die Grenze zwischen einer Überregulierung und einer notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingung, dass der Markt für alle gleich fair ist?
Eine Überregulierung besteht meiner Meinung nach dann, wenn im Vergleich zum Rahmen im Ausland in gewissen Bereichen massiv eingeschritten wird. Dass man quasi verunmöglicht, etwas voranzutreiben. Ich glaube, das ist für mich das entscheidende Kriterium. Der Grund kann etwa Protektionismus sein: Man schützt etablierte Player gegenüber ausländischen Konkurrenten.
Was hat das neueste Papier der Finanzmarktaufsicht Finma in der Stablecoin-Szene ausgelöst?
Aus meinem Netzwerk waren teilweise extreme Aufschreie zu vernehmen. Verschiedene Stimmen waren der Meinung, die Finma verhindere das Thema Stablecoin in der Schweiz generell. Das ist in meinen Augen ein zu eindimensionaler Standpunkt, denn die Finma hat nichts anderes gemacht, als die rechtlichen Rahmenbedingungen, die es schon seit 2017 gibt, noch einmal klar zu adressieren. Allerdings geschah es dieses Mal so spezifisch, wie man es noch nie gesehen hat. Nun wissen wir mehr hinsichtlich der geforderten Bankgarantien.
Können Startups ohne Banklizenz in Zukunft noch Stablecoins herausgeben?
In der Schweiz gibt es vier Möglichkeiten, Stablecoins herauszugeben. Erstens: Ich habe eine Bank mit Lizenz. Zweitens: Ich verfüge über eine Fintech-Lizenz, die sogenannte 1B-Bewilligung. Drittens: Es handelt sich um eine kollektive Kapitalanlage. Oder viertens: Ich bin ein Finanzintermediär mit einer Bankgarantie. Und ja, auch nach den neuen Verlautbarungen geht es zukünftig immer noch ohne Banklizenz.
Gibt es ein Aber?
Ich glaube, es ist sehr klar, was die Finma bezüglich dieser Bankgarantie will. Eine Bank muss für alle Einlagen der Kundinnen und Kunden garantieren. Meiner Meinung nach ist dies keine so grosse Sache, auch für Einlagen in Stablecoins. Das würde die eine oder andere Bank sicher noch machen. Die Frage ist einfach, wie hoch diese Absicherung sein muss.
Steht das infrage?
Bei den heutigen Bankgarantien sprechen wir von Grössenordnungen um die 2 Millionen Franken. Nicht mehr. Erst wenn ein Stablecoin wirklich populär wird, müsste eine Bank hier ein grösseres Risiko eingehen. Aber einen Stablecoin als Finanzintermediär an sich auszustellen, das ist technologisch und operativ kein Problem.
Gibt es weitere Stolpersteine?
Die Finma vertritt schon seit 2021 die Meinung, ein Stablecoin dürfe nur von A nach B geschickt werden, wenn beide Parteien identifiziert sind. Dieser Ansatz des Schweizer Regulators wird international anders gesehen. Dort sagt man: Wir kontrollieren den On- und Off-Ramp zu Fiat-Geld. Die Schweiz ist somit also strikter unterwegs.
Was bedeutet das für Schweizer Unternehmen?
Für Schweizer Unternehmen heisst es konkret: Es wird sicherlich möglich sein, einen Stablecoin zu issuen und an die Kundschaft auszugeben. Schwierig wird es hingegen beim Zahlungsverfahren – ausser beide User nutzen die gleiche Plattform. Wobei wir dann fast schon den Weg Richtung E-Money beschreiten.
Können Sie sich erklären, warum die Finma entgegen internationalen Trends auf ihrer harten Linie beharrt?
Es ist im Interesse des Schweizer Bankenplatzes. Es gibt natürlich sehr viele Risiken bei anonymen Wallets. Die Finma erklärt, es bestünden relativ viele Geldwäschethemen, man beanstande eine mögliche Umgehung von Sanktionen, und auch Terrorismusfinanzierung wäre möglich. Die Finma will sich weniger den internationalen Gepflogenheiten entziehen, sondern gewichtet den Schutz der Konsumenten und Konsumentinnen und die Verhinderung von Geldwäsche besonders hoch. Das leuchtet mir ein.
Welche Chancen bieten sich für Banken bei Stablecoins?
Die Banken sehen immer noch einen grossen Elefanten im Raum: die Eigenmittelvorschriften. Wer heute einen Franken als Stablecoin entgegennimmt, muss 800 Prozent Risikogewichtung sicherstellen. Das ist ein sehr ineffizientes Geschäftsmodell. Die Banken verdienen damit Geld, das sie passiv verleihen. Darum ist das Thema Stablecoin so für sie nicht interessant. Das ist auch der Grund, warum bis dato noch keine grössere Bank etwas wirklich Durchschlagendes punkto Stablecoin auf die Beine gestellt hat.
Ein Stablecoin müsste zudem Vorteile für Konsumentinnen und Konsumenten bieten, ansonsten wäre er einfach ein Ersatz von Twint.
Können Sie ein Beispiel für solch einen Vorteil machen?
In Asien hat man oft Beispiele gesehen, in denen Stablecoins mit Reward-Systemen verbunden waren. Wenn man dort etwa einen Kaffeeautomaten mit dem Coin bezahlt, werden Transaktionskosten eingespart. Diese bekommen die Nutzerinnen und Nutzer schliesslich in Form von Kaffeebons geschenkt. Wenn solche Dinge hierzulande kommen, wird das Thema Stablecoin in der Schweiz relativ schnell in den Garten genommen.