Christoph Singer, ist KI bei Ihnen ein Thema? Wo macht KI bereits für die Ersparniskasse Schaffhausen (EKS) Sinn?

Ja, KI ist ein Thema. Ich glaube, vor diesem Thema kann man sich nicht verschliessen. KI kann vielfältig eingesetzt werden. Es hat seine positiven Seiten, aber auch Limiten. Wir spüren beispielsweise verdächtige Zahlungen mit KI auf.

Also Fraud Detection und Fraud Prevention …

Genau. Ausserdem haben wir vor rund einem halben Jahr einen Chatbot eingeführt. So können wir unsere Kundinnen und Kunden rund um die Uhr mit Antworten bedienen.

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Wie kommt der Chatbot bei den Kundinnen und Kunden an?

Ganz ehrlich: Wir haben noch wenig Feedback erhalten. Dazu muss ich vielleicht erwähnen: Unsere Bank steht nicht für eine digitale Welt, sondern für den physischen, persönlichen Kontakt vor Ort. Ich glaube, die Kunst für uns liegt darin, den persönlichen Kontakt, das persönliche Ansprechen der Kundschaft mit der digitalen Welt zu kombinieren. Ich glaube, hier gibt es weder Weiss noch Schwarz. Wir sammeln Erfahrungen.

Arbeiten Sie bei der Digitalisierung mit Partnern zusammen?

Ja, diese und andere Dienstleistungen kaufen wir mit einem Kooperationsvertrag ein. So nutzen wir Skaleneffekte. Wir als Ersparniskasse kaufen bei der Clientis AG in Bern verschiedene Bankendienstleistungen ein. So, wie es Clientis-Banken auch machen.

Sie stellen für Ihre Bank also einzelne für Sie nützliche Module aus dem Clientis-Angebot zusammen?

Richtig. Es sind mehrere Servicedienstleistungen, die wir dort extern einkaufen.

Ist Online-Onboarding schon integriert?

Wir haben ein Online-Onboarding. Bei der Eröffnung einer Kundenbeziehung ist die Identifikation des Vertragspartners ein ganz wichtiges Thema. Diese kann online stattfinden, wenn Kundinnen und Kunden das wünschen. Die Verträge werden dann per Post zum Unterschreiben zugestellt. Komplett digital ist es also noch nicht.

Das wäre eine KI-Anwendung, deren Einführung viele Banken in ähnlicher Grösse testen. 

Exakt. Bei der Kreditvergabe gibt es zudem bereits einen digitalisierten Kreditprozess, Financial Loan Advisor nennt sich das. Diese Dienstleistung kaufen wir auch bei Clientis ein.

Was haben Sie punkto Digitalisierung sonst noch vor?

Es gibt eine Roadmap. Die Ressourcen und die finanziellen Mittel sind begrenzt. Entsprechend wird priorisiert, was man wann machen will. Ausserdem ist eine Weiterentwicklung des Core-Banken-Systems Finnova ein Thema. Hier ist viel Fingerspitzengefühl erforderlich, da man quasi am offenen Herzen der beteiligten Banken operiert.

Das wird Sie noch über Jahre beschäftigen, oder?

Absolut, der Wandel ist im Gang. Das Kundenverhalten ist heterogen: Junge Leute verhalten sich anders als gesetztere Damen und Herren. Die Zukunft der Bankschalter wird ein wichtiges Thema sein. Diese kosten Geld. Gewisse Banken haben ganze Filialen geschlossen oder haben keinen Bargeldschalter mehr. Wir haben immer noch das Gefühl, dass der persönliche Service einen Mehrwert bietet und einem Kundenbedürfnis entspricht. Doch die Schalteröffnungszeiten muss man überdenken. Braucht es noch einen Full-Service oder kann der Schalter auch einmal einen Nachmittag geschlossen bleiben?

Ist ein Zusammenschluss mit anderen Finanzinstituten ein Thema? Oder gehen Sie dezidiert einen eigenen Kurs?

Ja, gehen wir. Bei uns steht immer noch im Fokus, organisch zu wachsen. Dienstleistungen, die wir nicht selbst erbringen können, kaufen wir extern zu. Doch wenn es einen externen Vermögensverwalter gäbe, der sagt: «Wir haben keine Nachfolgelösung», dann wäre das für die Ersparniskasse Schaffhausen schon interessant.

Was wäre der Reiz bei einer Übernahme eines externen Vermögensverwalters?

Dass wir unsere Asset-Basis erweitern können. Die Erträge zu diversifizieren, wäre attraktiv.

Passivgelder sind bei kleineren Banken ein sehr grosses Thema. 

Wir haben hierauf ein besonderes Augenmerk gelegt. In jedem Gespräch versuchen wir, die Passivseite weiter auszubauen. Ausserdem bemühen wir uns, vermehrt auch mit institutionellen Kunden zusammenzuarbeiten, da dieses Kundensegment über gewisse Volumina verfügt. Das hat sich stark verändert. Während der letzten sieben Jahre mussten Banken die Annahme von Neugeldern teilweise blockieren. Jetzt suchen alle Banken wieder Passivgelder.

Was machen Sie und andere Banken?

Heute hat fast jede Bank ihre Aktion, um mit einem besonders spannenden Angebot Passivgelder ins Haus zu bringen. Grundsätzlich geht es im Bankgeschäft darum, dass die Bank auf der Aktivseite der Bilanz Finanzierungen in Form von Hypotheken vergibt. Auf der Passivseite muss sie schauen, dass dieses Geld auch wieder reinkommt. Und das in einem gewissen Verhältnis. Das war im vergangenen Jahr schon eine Herausforderung.

Und kam für alle überraschend …

In dieser Geschwindigkeit schon etwas. Wer Wachstumsambitionen hat, muss auf der Aktivseite wachsen. Und wenn Sie dort Vollgas geben, dann muss auf der Passivseite geschaut werden, dass genügend Geld reinkommt.

Welche Möglichkeiten haben Regionalbanken wie die Ersparniskasse Schaffhausen hier?

Wir können uns beispielsweise über Pfandbriefe refinanzieren, um neues Hypothekar-Wachstum zu finanzieren.

Das ist auch nicht gerade billig, oder?

Das ist natürlich so. Andererseits bezahlen wir Kunden aktuell für Festgelder auch rund 1,1 Prozent Zins. Aber es ist nicht so, dass man gar keine Quellen hat, um an Passivgeld heranzukommen.

Welche Auswirkungen hat der Kampf der Banken um Passivgelder?

Wir sind heute im Kreditbereich selektiver. Wenn jemand eine sogenannte Standalone-Hypothek will, ohne sonstige Geschäftsbeziehungen zu uns, sagen wir eher Nein. Wir vergeben unsere Hypothek lieber dort, wo die Marge okay ist oder Kundinnen und Kunden sagen, wir bringen zudem noch ein Salärkonto.

Sie sind an ganzheitlichen Kundenbeziehungen interessiert?

Absolut. Bei Einzelgeschäften sind wir zurückhaltender. An neuen Kundenbeziehungen sind wir sehr interessiert. Wenn jedoch Anfragen für Finanzierungen im zweistelligen Millionenbereich vorliegen, muss besonders auf die Passivseite geachtet werden. Da können und wollen wir nicht jedes Geschäft machen. Momentan beobachten wir eine grosse Nachfrage im Aktivgeschäft.

Vor allem bei Hypotheken?

Ja. Ich bin mir nicht sicher, ob es einen Zusammenhang mit der Übernahme der CS durch die UBS hat. Bei der CS haben die Passivgelder abgenommen. Das Vertrauen war ja weg. Aber das Kreditvolumen ist auf der Bilanz der UBS geblieben. Es scheint, als ob die UBS als grosser Player im Markt ein bisschen zurückhaltender ist – und deshalb mehr neue Anfragen eingehen.

Haben Sie wie viele Ihrer CEO-Kollegen kleinerer Banken auch Regulierungsangst?

(Nickt) Ja, diese Befürchtungen teile ich. Das ganze Fidleg-Thema zum Beispiel, zum Schutz des Anlegenden. Transparente Geschäfte sind wichtig. Doch eine UBS und eine Ersparniskasse sind nicht das Gleiche. Ich habe das Gefühl, dass Fidleg kleinere Banken in der Beratung eher einschränkt. Fidleg ist eine starre regulatorische Auflage. Da gibt es drei Dienstleistungstypen: Entweder machen die Kunden alle ihre Anlagen selbst, die Bank berät die Kunden oder sie entscheiden sich für eine Vermögensverwaltung.

Wo liegt das Problem?

Gerade bei einer Anlageberatung benötigen Kundinnen und Kunden auch gewisse Volumen, damit eine Beratung Sinn macht und eine breite Diversifikation erreicht werden kann.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Wenn Sie auf eine Bank kommen und sagen: «Ich kann 50’000 Franken anlegen.» Dann ist es schwierig, die Anlage mit einer Anlageberatung genügend zu diversifizieren und die Risiken zu streuen. Dann bleibt Ihnen oft nur die Vermögensverwaltung.

Im Nachgang zum CS-Debakel sind stärkere Regulierungen angedacht. Wie ordnen Sie das ein?

Zuletzt waren die Mindestreserven ein Thema von der Schweizerischen Nationalbank SNB, die wir zum Glück problemlos erfüllen können, weil wir bei den Passivgeldern sehr stark sind. Meine Meinung: Regulierung muss in Zukunft differenzierter nach Bankengruppe und Geschäftsfeld umgesetzt werden.

Es gibt ja schon unterschiedlich abgestufte fünf Gruppen der Finma-Regulierung. Sie finden, das sei noch zu wenig differenziert?

Ja. Das Finanzdienstleistungsgesetz Fidleg ist beispielsweise für jede Bank gleich. Während meiner zehn Jahre bei der UBS habe ich ein anderes Kundensegment kennen gelernt als hier. Die Ersparniskasse Schaffhausen ist rein regional tätig. Wir kennen das Umfeld und auch die Kunden sehr gut. Wenn aber die gleichen regulatorischen Auflagen eingefordert werden, wird es für kleine Banken schwieriger.

Einfach teuer?

Teuer, genau. Die Kosten für die Regulierung müssen wir natürlich auf ein kleineres Volumen ummünzen, als es eine Grossbank kann. Dieser Unterschied hat Einfluss auf das Geschäftsergebnis.

Haben Sie vor, bei der Ersparniskasse neue Geschäftsfelder und Marktsegmente zu erschliessen? Sie haben bereits das Assetmanagement respektive den Vermögensverwalter erwähnt.

Wir sind für eine Regionalbank bereits sehr stark im Anlagegeschäft. Momentan steht die ganze Vorsorgethematik weit oben auf der Agenda. Die Bank hat in der Vergangenheit sehr stark in den Sparten Anlegen und Kredite funktioniert. Die Vorsorge ist für Kundinnen und Kunden ein zentraler Punkt. Wir haben die BVG-Revision. Die 13. AHV und die Erbrechtsrevision sind durch. Die Leute beschäftigen sich stark mit dem, was in diesen Themenbereichen passiert. Hier wollen wir stärker im Markt auftreten und uns als kompetente Ansprechpartnerin präsentieren.

Was heisst das für Sie als CEO? Rekrutieren?

Ja, das ist so. Wir sind offen für eine zweite Person oder sogar drei. Das ist immer eine Frage des Volumens. Einerseits geht es darum, sich bezüglich des Fachwissens austauschen und eine zweite Meinung einholen zu können. Darum möchte ich, dass es eine zweite Person im Team gibt, an die man herantreten kann.

Wie können Sie das machen? Welche Mittel haben Sie?

Wir hatten einen Tag der offenen Tür. Dann planen wir weitere kleine, persönliche Veranstaltungen. Da sind etwa vierzig Personen eingeladen. Dann haben wir immer wieder Fachartikel in Zeitungen wie den «Schaffhauser Nachrichten» oder dem «Schaffhauser Bock». Unsere Mitarbeitenden selbst zeigen sich an Versammlungen des regionalen Gewerbes.

Schaffhausen ragt – umgeben von Deutschland im Norden, Westen und Osten – gewissermassen als Zipfel auf der Landkarte heraus. Hat das Auswirkungen? 

Gute Mitarbeitende in Schaffhausen zu finden, ist eine Herausforderung. Sie haben fast niemanden, der von Zürich oder Winterthur zu uns kommt. Zürich bietet genügend Arbeitsstellen. Unser Arbeitsmarkt spielt sich rein in Schaffhausen ab. Das ist sicher eine Herausforderung.

Wenn das Rekrutieren schwierig ist, greifen Sie dann tiefer in die Lohntüte?

Nein, aber wir sind bei den Lohnnebenleistungen sehr grosszügig, sind es schon immer gewesen: Gesundheitsförderung, Mitarbeiter-Events und vieles mehr gibt es bei uns schon sehr lange. Doch die Leute damit allein zu überzeugen, reicht nicht. Es muss vielmehr die Unternehmenskultur der Bank sein, die überzeugt.

Sie meinen das «Mitenand»?

Ja. Der Grund, warum jemand sagt: Da würde ich gerne arbeiten. Die neu umgebauten Räume unseres Hauptsitzes widerspiegeln die Wertschätzung, die den Mitarbeitenden entgegengebracht wird. Nach der Renovation unseres Hauptsitzes haben wir die Schaffhauserinnen und Schaffhauser zu einem Tag der offenen Tür mit Führungen durch die Bank eingeladen. Nach diesem Tag konnten wir beispielsweise Blindbewerbungen entgegennehmen.

Welches Ziel visieren Sie in diesem Jahr an?

In Schaffhausen sind fast alle Banken präsent: Regionalbanken, Raiffeisenbank, Valiant, Kantonalbank, Grossbank. Wir haben unseren Hauptsitz jetzt renoviert. Wir sind aber ein wenig zurückversetzt von der Hauptfussgängerpassage. Da ist es uns ein Anliegen, die Ersparniskasse Schaffhausen als kompetente, nahbare Bank zu positionieren. Sie soll als Alternative zu einer Kantonalbank oder UBS wahrgenommen werden – auch wenn beide grösser sind als wir.

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Die Ersparniskasse Schaffhausen
  • Gründungsjahr: 1817
  • Bilanzsumme in Millionen Franken: 967,7
  • Kundinnen und Kunden: rund 12’000
  • Verbreitungsgebiet/abgedeckte Region: Schaffhausen und Zürcher Weinland
  • Aktiengesellschaft
  • Was ist an Ihrer Bank im Vergleich zu anderen Banken speziell? Gegründet 1817 durch die gemeinnützige Hülfsgesellschaft, um der einfachen Bevölkerung Zugang zu Finanzdienstleistungen zu ermöglichen. Regional verwurzelt, persönliche und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Kundinnen und Kunden, kurze Entscheidungswege.

 

Zur Person Christoph Singer
  • Seit wann sind Sie CEO Ihrer Bank? Seit Februar 2024 Vorsitzender der Geschäftsleitung a. i.
  • Höchste/letzte Ausbildung? Master Financial Consulting ZHAW, CAS Change & Innovation Management HSG
  • Alter: 51
  • Persönliche Info: verheiratet, interessiert an Sport allgemein, insbesondere Fahrradfahren und Fussball