In den letzten Jahren haben Finanzinstitute erheblich in die Digitalisierung investiert. Die Einführung von Online- und Mobile-Banking, digitalen Anlageplattformen und Finanzmanagement-Apps hat nicht nur den Zugang zu Finanzdienstleistungen vereinfacht, sondern auch die Kundenerwartungen tiefgreifend verändert. Vor diesem Hintergrund gewinnen Lombardkredite zunehmend an Bedeutung.
Lombardkredite werden gegen leicht liquidierbare Vermögenswerte wie Aktien, Anleihen und Fondsanteile vergeben, die im Depot des Kreditnehmers hinterlegt sind. Diese Kredite bieten erhebliche Flexibilität und können zur Finanzierung weiterer Investitionen, zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen oder zum Ergreifen von Investmentchancen genutzt werden, ohne dass bestehende Anlagen verkauft werden müssen.
Trotz ihrer Vorteile stehen Lombardkredite auch im Fokus der Aufsicht, wie der «Risikomonitor» der Finma aus dem Jahr 2023 zeigt. Ein Blick auf den Branchenführer UBS verdeutlicht die Bedeutung dieser Kreditart: Laut dem «Pillar 3 Disclosures»-Report der UBS umfasst das Kreditbuch für Lombardkredite mindestens 238 Milliarden Franken. Diese Zahl unterstreicht die wachsende Rolle von Lombardkrediten am Schweizer Finanzplatz.
Marco Kundert ist Partner und Leiter des Bereichs Banking and Capital Markets bei der Management- und Technologieberatung Bearing Point.
Elias Loki ist Senior Manager bei Bearing Point und Leiter des Digital-Risk-Advisory-Teams.
KI erhöht Prozessgeschwindigkeit und Qualität der Kreditprüfung
Durch die Integration von KI in die Lombardkredit-Wertschöpfungskette wird die Prozessdurchlaufzeit für standardisierte und insbesondere massgeschneiderte Lombardkredit-Produkte erheblich verkürzt. Gleichzeitig verbessert sich das «Learning on the job» für junge Risikomanager und Kundenberaterinnen. In komplexen Lombardkredit-Prozessen, insbesondere bei strukturierten Transaktionen mit zahlreichen Beteiligten, spielt der Einsatz von künstlicher Intelligenz eine entscheidende Rolle. Durch die Einführung von KI-Agenten – autonomen Systemen, die spezifische Aufgaben im Kreditprozess eigenständig ausführen – wird die Prozesseffizienz erheblich gesteigert. Diese Agenten fungieren als autonome Einheiten und übernehmen Aufgaben, die sonst menschliches Eingreifen erfordern würden. Sie treffen eigenständig Entscheidungen und führen Aktionen aus, indem sie Daten in Echtzeit sammeln und verarbeiten. Sie sind beispielsweise in der Lage, Kreditdokumente zu analysieren, Risikofaktoren zu identifizieren und vorläufige Kreditentscheidungen zu treffen.
Ein zentrales Konzept dabei ist das React-Prinzip – «reflect and respond», welches den dynamischen Reaktionsmechanismus von KI-Systemen auf neue Informationen oder Veränderungen beschreibt. Es basiert auf zahlreichen Iterationen vor einer Entscheidungsfindung. Dies bedeutet, dass die KI-Systeme kontinuierlich Daten und Rückmeldungen reflektieren, daraus lernen und ihre Strategien iterativ anpassen. Dieses Vorgehen ist besonders in der Kreditüberwachung und im Risikomanagement von grosser Bedeutung, wo schnelle und präzise Anpassungen entscheidend sind, um potenzielle Verluste zu minimieren.
Die Integration von KI-Agenten bringt Potenziale zum Vorschein, verbessert die Koordination zwischen den verschiedenen Akteuren im Kreditprozess und automatisiert die Bearbeitung von komplexen, strukturierten Kreditanträgen. Wichtig ist, dass dieser technologiegetriebene Ansatz nicht nur für grosse, sondern auch für kleinere Banken von Vorteil ist, sofern die Prozesse und Richtlinien gut dokumentiert sind. Die Nutzung von Large Language Models (LLMs) innerhalb einer Private Cloud ermöglicht es kleineren Finanzinstituten, kritische kundenbezogene Informationen – auch als Client Identifying Data (CID) bekannt – sicher zu verarbeiten und zu schützen, während sie gleichzeitig von den Vorteilen fortschrittlicher KI-Technologien profitieren.