Frau Bilen, für Ihr Buch «Mut zu Kindern und Karriere» haben Sie 40 arbeitstätige Mütter in Deutschland interviewt. In der Schweiz sind die Rahmenbedingungen anders: Männer erhalten oft nur einen Tag Vaterschaftsurlaub, das Parlament lehnte eine Ausweitung mehrfach ab. Wie können Frauen dennoch Kind und Karriere vereinen?
Stefanie Bilen*: Grundvoraussetzung ist eine verlässliche und bezahlbare Kinderbetreuung, mit der Eltern wie Kinder sich wohlfühlen. Dann habe ich die Hoffnung, dass die jüngere Generation zunehmend flexiblere Arbeitsmodelle fordert. Ich höre oft, dass junge Berufstätige in Einstellungsgesprächen fragen, ob Teilzeitpensen und flexiblere Arbeitsbedingungen möglich sind. Arbeitgeber werden sich zunehmend auf diese Kandidaten einstellen müssen – dazu gehört, die Vereinbarkeit von Kind und Karriere zu erleichtern.
Dennoch: Wenn die Rahmenbedingungen nicht politisch gewollt sind und die Bevölkerung das mitträgt, wird es schwierig.
Änderungen könnten auch von aussen angestossen werden: von internationalen Konzernen etwa. Diese ziehen viel qualifiziertes Personal aus dem Ausland an. Wenn die Rahmenbedingungen für dieses unattraktiv wird, dürfte ein Umdenken angestossen werden. Vielleicht muss in der Schweiz der Fachkräftemangel aber auch noch stärker greifen, bis man reagiert.
Welche Anreize können Unternehmen setzen, um Mütter im Arbeitsleben zu halten?
Alles, was der Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort dient. Diese Massnahmen müssen aber tatsächlich flexibel sein. Es darf nicht so ablaufen, das man für jeden Tag im Home Office einen Antrag stellen muss. Solche Arbeitsbedingungen einzufordern ist die grosse Aufgabe für Frauen.
Inwiefern?
Frauen müssen Dinge stärker für sich in Anspruch nehmen und sollten sich weniger entschuldigen, wenn ein Termin mit den Kindern ansteht. Mütter sind tendenziell darauf bedacht, es dem Arbeitgeber Recht zu machen. Das ist unnötig: Sie sollten selbst Lösungen aufzeigen, wie sie ihre Arbeit und Kind vereinen können und diese durchsetzen. Wieso sollte man 100 Prozent Flexibilität gegenüber dem Arbeitgeber zeigen, wenn dieser sie nicht zeigt?
Ein Weg in die Flexibilität ist die Selbstständigkeit. Das beschreiben Sie auch in Ihrem Buch. Ist man selbstständig, muss man aber oft 100 Prozent am Ball sein, um Erfolg zu haben. Geht das überhaupt mit kleinen Kindern?
Sich mit Kleinkindern noch ein unternehmerisches Baby ans Bein zu binden ist unglaublich kräftezehrend, gerade wenn man mit einer völlig neuen Idee startet. Sich selbstständig zu machen ist einfacher, wenn man die Karriere schon ein Stück weit voran gebracht hat und darauf aufbaut. Ein Beispiel wäre, dass man lange in einer Grosskanzlei gearbeitet und einen Kundenstamm hat, den man in die Selbstständigkeit mitnehmen kann. Das wäre ein gutes Modell. Als Freiberufler kommt es stark darauf an, wie die Beziehung mit dem Partner strukturiert ist - etwa ob dieser einen bei der Kinderbetreuung unterstützt.
Ohne das Engagement der Männer in der Kinderbetreuung geht die Frauenförderung nicht, heisst es immer wieder. Müsste man nicht eher einen Ratgeber für Männer schreiben, anstatt von einer Frau für Frauen, wie Sie es getan haben?
Das wäre auch eine gute Idee. Fragt sich, ob die Väter das Buch dann auch lesen. Sanfter Druck von innen ist da vielleicht sinnvoller: Viel muss in der Partnerschaft ausgehandelt werden. Es soll hier und da noch Väter geben, die keine Lust haben, sich um den Nachwuchs zu kümmern. Meist kommt das aber von den zementierten Rollenbildern, die sie aus ihrer Kindheit kennen. Dort hilft es Frauen, klar zu kommunizieren, dass sie weiter arbeiten wollen - auch mit Kind. Frauen sind zu schnell zu Kompromissen bereit und geben klein bei. Es sind allerdings immer mehr Männer, die bereit sind, ihre Karriere für die Kinderbetreuung zurückzustellen.
Sie selbst sind eine Working Mom. Was ist Ihr persönlicher Tipp an die arbeitenden Mütter?
Viele Frauen haben ein schlechtes Gewissen, wenn Sie nicht rund um die Uhr bei den Kindern sind, dabei gibt es dazu gar keinen Grund. Wenn beide Elternteile arbeiten, sehen die Kinder das als selbstverständlich – und haben später zwei verschiedene berufliche Vorbilder.
*Stefanie Bilen ist Wirtschaftsjournalistin. Ihre Laufbahn startete sie in Düsseldorf beim Handelsblatt, sie ist Co-Gründerin der Working Moms in Hamburg sowie Mitglied des Frauenbeirats der Hypovereinsbank. Bilen ist Mutter zweier Töchter.
Stefanie Bilen, «Mut zu Kindern und Karriere», Frankfurter Societäts-Medien GmbH, 24,90 Euro.
Was Frauen bei der Lohnverhandlung beachten sollten, sehen Sie in der Bildergalerie unten: