Von Geld hatte ich absolut keine Ahnung. Ich schäme mich fast. Der Kurs gab mir Mut, über Geld Fragen zu stellen. Ich werde weiterhin dranbleiben und versuchen, meine Situation betreffend Finanzen zu ändern. Danke. Bianca.»

So wie Bianca geht es vielen Frauen. Verschiedene Studien zeigen, dass Finanzwissen und der Umgang mit Geld für viele Menschen und im besonderen Masse für Frauen eine Herausforderung ist: So bewerten sechs von zehn Frauen ihr Wissen über die wichtigsten Anlagemöglichkeiten wie Aktien, Anleihen, Fonds und Finanzberatung als unterdurchschnittlich bis schlecht.

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Aufgrund von vermeintlich mangelndem Finanzwissen sparen deshalb viele Frauen lieber auf dem Sparkonto und legen deutlich weniger renditeorientiert an als viele Männer – in der Studie von Sotomo gaben gerade einmal etwas mehr als ein Drittel der befragten Frauen an, renditeorientiert anzulegen, im Vergleich zu 48 Prozent der befragten Männer.

Dabei wäre es gerade für die längerfristige finanzielle Zukunft wünschenswert, wenn Frauen die Zeit und die Möglichkeiten nutzen könnten, um Vermögen für das Alter zielgerichtet aufzubauen. Denn der Pension Gap – der Unterschied zwischen Frauen und Männern bei der Altersvorsorge – beträgt gemäss dem BFS in der Schweiz immer noch rund 35 Prozent. So haben Frauen pro Jahr eine um rund 18 900 Franken tiefere Gesamtrente aus allen drei Säulen der Altersvorsorge als Männer (Frauen 35 840 Franken, Männer 54 764 Franken).

Ziel: Finanzielle Freiheit

Der Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit ist weit verbreitet. Gemäss der aktuellen Mastercard-Studie sagen fast sieben von zehn Frauen in der Schweiz, finanzielle Unabhängigkeit zähle für sie zu den wichtigsten Zielen im Leben.

Die Autorinnen

Olga Miler ist Fintech-Unternehmerin. Ihre Firma Smart Purse ist eine Plattform für Finanzbildung mit zahlreichen kostenlosen Angeboten.

Sandra-Stella Triebl ist Verlegerin und Medienunternehmerin. Mit Ladies Drive hat sie 2007 die erste erfolgreiche Wirtschaftsplattform für Frauen lanciert.

Olga und Stella bieten gemeinsam mit den Finanzexpertinnen Jamie Vrijhof-Droese, Stella Wolfsgruber und Joana Torres auf Youtube den «Moneywalk» an, eine kostenlose Videoserie über Finanzthemen.

Die Realität sieht leider anders aus: Zwei Drittel der Frauen mit Kindern können ihren aktuellen Lebensunterhalt nicht alleine bestreiten, und fast jede dritte Frau fühlt sich finanziell abhängig. Von den finanziell abhängigen Frauen sind 62 Prozent überzeugt, auch niemals finanziell unabhängig zu werden. Die Hauptgründe dafür sind einerseits geringere Einkommen aufgrund von Teilzeit- und Care-Arbeit (in der Schweiz arbeiten 57,9 Prozent der Frauen in Teilzeit versus 18,7 Prozent der Männer), anderseits mangelndes Finanzwissen. So fühlt sich auch gemäss der Mastercard-Studie gerade einmal jede sechste in der Schweiz befragte Frau (15,6 Prozent) zum Thema Finanzen gut informiert, 51 Prozent sagen, Investment-Themen seien für sie unverständlich (51,3 Prozent).

Nicht nur für Frauen relevant

Haben wir neben den ganzen Pay Gaps, Pension Gaps und verschiedenen anderen Gaps auch eine geschlechterspezifische Finanzbildungslücke, die Frauen davon abhält, mehr aus ihrem Geld zu machen? Schaut man genauer hin, dann zeigen die Zahlen, dass praktisches Finanzwissen eine gesellschaftliche Chance für uns alle ist und nicht unbedingt nur ein Frauenthema: Gemäss Studien sagen beispielsweise mehr als ein Fünftel (22 Prozent) der Männer, dass sie aufgrund von mangelndem Wissen nicht renditeorientiert anlegen.

Im gesamtschweizerischen Vergleich des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) beantworteten knapp die Hälfte der über 3100 befragten Personen alle drei Finanzwissensfragen korrekt. Belegt wurde durch diesen Datensatz auch, dass finanziell besser gebildete Personen deutlich öfter an den Finanzmärkten investiert sind als Personen mit geringeren Finanzkenntnissen. In der Schweiz ist gegenwärtig das Sparkonto immer noch die Anlageform Nummer eins – gemäss Studien der Migros schlummern rund 62 Prozent des frei verfügbaren Vermögens dort.

Mehr Know-how, mehr Gleichheit

Neben persönlichen Vorteilen gibt es eine Reihe gesellschaftlicher Gründe, warum wir uns vermehrt mit unseren Finanzen beschäftigen sollten:

  1. Ökonomische Partizipation für alle: Finanzwissen ermöglicht besonders Frauen, aktiv am Wirtschaftsleben teilzuhaben, sei es durch Gründung von eigenen Unternehmen oder durch eine selbstbestimmte Gestaltung des Arbeitsalltags.
     
  2. Mehr Selbstbewusstsein, Wohlbefinden und Erfolg: Grundwissen zu Themen wie Budgetierung, Sparen und Investieren stärken die Handlungsfähigkeit, aber auch das persönliche Selbstbewusstsein, und tragen so dazu bei, Geldstress und Überschuldung zu vermeiden.
     
  3. Chancengleichheit: Mit dem nötigen Grundwissen können alle, besonders Frauen und junge Menschen, die bestehenden Finanzlösungen effizient nutzen. Finanzwissen ermächtigt nicht nur zum Investieren, sondern trägt auch wesentlich zur Schliessung der verschiedenen geschlechtsspezifischen Lücken – von Lohnunterschieden bis hin zur Vorsorgelücke – bei.
     
  4. Finanzielle Unabhängigkeit erlangen: Viele von uns haben grosse Träume. Und beerdigen diese regelmässig wieder. Meist, weil das Geld fehlt. Macht euch frei von Abhängigkeiten und sorgt dafür, dass ihr selbstbestimmt durchs Leben gehen könnt. Seid nicht zu schüchtern, zu fragen. Es gibt keine dummen Fragen – ausser jene, die man nie stellt. Es gibt unzählige Angebote auf dem Markt – nutzt das Wissen, das da draussen schon vorhanden ist. Wir versprechen euch: Es ist nicht Rocket Science. Fahrrad fahren zu lernen, war viel schwieriger.

Führt man sich vor Augen, dass unsere Kinder in der Schule heute immer noch relativ wenig praktisches Finanzwissen lernen, wird klar, dass Finanzbildung für uns alle, nicht nur für die Frauen, eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Chance darstellt.

Gender Pension Gap: Altersarmut ist weiblich

Frauen in der Schweiz sind fast doppelt so oft von Altersarmut betroffen wie Männer (17,7 versus 9,9 Prozent). Dieser Geschlechtereffekt wurde in zahlreichen Studien identifiziert, unter anderem im ersten Teilbericht des nationalen Altersmonitors von Pro Senectute Schweiz.

Erklären lässt sich dieser Effekt in erster Linie mit der stark geschlechterspezifischen Rollentrennung, welche die Schweiz im letzten Jahrhundert prägte: Während die meisten Männer bis zur Pensionierung mit einem hohen Beschäftigungsgrad erwerbstätig waren, leiste-ten Frauen unbezahlte Care-Arbeit für Kinder und Angehörige und erzielten entweder gar kein oder nur ein tiefes Erwerbseinkommen in einem niedrigen Arbeitspensum. Dies führt dazu, dass Pensionärinnen besonders in der beruflichen Vorsorge oft bedeutende finanzielle Nachteile haben: Sie verfügen entweder über gar keine Rente aus der zweiten Säule oder nur über eine sehr niedrige.

Zu den unterschiedlichen Erwerbsbiografien kommt eine Reihe an institutionellen Defiziten, weshalb die Schweiz auch im internationalen Vergleich einen überdurchschnittlich hohen Gender Pension Gap aufweist. Dazu gehören etwa die Eintrittsschwelle und der Koordinationsabzug in der beruflichen Vorsorge oder eine unzureichende Berücksichtigung von Betreuungszeiten im Vorsorgesystem.

Der Gender Pension Gap geht in der Tendenz zurück, weil sich die Erwerbsmuster von Frauen und Männern annähern, jüngere Frauen also länger und in höheren Pensen beruflich aktiv sind. Ein Ende der Ungleichheit ist aber noch lange nicht in Sicht.