Nach zehn Jahren Tauziehen führt die Europäische Union sie ein: die Frauenquote.
Ganz ehrlich, können Sie den Begriff noch hören? Mir hing er schon als Volontärin zum Hals heraus. Damals berichtete ich für eine grosse Tageszeitung in Berlin darüber, dass sich der erste DAX-Konzern – die deutsche Telekom – freiwillig zu einer Frauenquote verpflichtete. Das war im Jahr 2010.
Zwölf Jahre später gibt es Grund zur Freude in der Schweiz: Erstmals erreicht der Anteil Frauen in den Verwaltungsräten der SMI-Firmen die magische Marke von 30 Prozent, das zeigt der aktuelle Report von Guido Schilling. Auch in der Schweiz gelten seit 2019 Geschlechter-Richtwerte für die 200 grössten Unternehmen, eine Art softe Quote. Und die SMI-Unternehmen haben den Zielwert jetzt bereits drei Jahre vor Ende der Übergangsfrist erreicht. Was für ein Tempo!
Die Argumente sind altbekannt
Es ist noch interessant. Die Argumente für und wider die Quote haben sich in den vergangenen zwanzig Jahren kaum verändert. So wie es mir bereits als Volontärin erging, ergeht es wohl vielen: Eigentlich liegen die Karten nicht nur längst auf dem Tisch, sie sind auch deutlich verstaubt.
Dennoch hat das Thema Quote in den vergangenen Jahren spürbar an Fahrt aufgenommen. Das zeigt das gesetzliche Commitment in der Schweiz, das zeigt auch jetzt, dass die EU nach zehn Jahren Blockade für den Vorstoss von Viviane Reding den Weg frei macht. Ein häufiger Kommentar zur Frauenquote, gerade aus dem Mund von Frauen, ist dieser: «Lange war ich dagegen, weil ich keine Quotenfrau sein wollte. Aber es war eine Illusion, zu glauben, dass sich ohne Frauenquote etwas bewegt.» Selbst Angela Merkel, lange eine klare Quoten-Gegnerin, hat zum Ende ihrer letzten Amtszeit als Bundeskanzlerin ihre Haltung in dieser Sache geändert.
Zwang zur Transparenz
Und das ist die Realität: Ohne klare, messbare Ziele bewegt sich, wenn überhaupt, nur sehr langsam etwas in den Firmen. Sei es in der Schweiz oder in Europa. Erst der Zwang zur Transparenz beschleunigt die Gleichstellung von Frauen und Männern in Führungspositionen.
Das belegt zum Beispiel die härtere Kennziffer für die Entwicklung in der Schweiz, der Frauenanteil in der Geschäftsleitung. Auch als bereits vermehrt Frauen in die Verwaltungsräte einzogen, tat sich hier lange wenig. Seit der Einführung der Geschlechter-Richtwerte 2019 hat der Frauenanteil einen Satz gemacht, von 9 auf 17 Prozent. Nahezu eine Verdoppelung.
Die Kosten des Schneckentempos
Natürlich, die Frauenquote bleibt eine ungeliebte Krücke. Ihre Verfechterinnen sind gleichzeitig diejenigen, die sie gerne schnell wieder abschaffen würden. Denn der Erfolg der Frauenquote hat ja einen deutlich bitteren Beigeschmack. Wäre es anders gegangen, hätten viele einen Weg der Freiwilligkeit und des organischen Wandels bevorzugt.
Doch noch mehr Geduld zu haben, wäre die falsche Wahl gewesen. Viviane Reding schreibt so treffend auf Twitter: A long lost time for talents. Allein dass die Einführung der EU-Frauenquote zehn Jahre gedauert hat, kostet. Sie hat Frauen um Chancen gebracht und Unternehmen um die Fähigkeiten von Frauen, die es erst gar nicht an die Spitze geschafft haben. Wie hoch soll die Rechnung am Schluss ausfallen?
Die Mütter meiner Generation hofften, dass sie als letzte für Gleichstellung haben kämpfen müssen. Meine Tochter ist jetzt zwei Jahre alt. Mittlerweile hoffe ich für sie.