Die Berufslehre ist und bleibt die erste Wahl bei Jugendlichen. Insgesamt mussten sich diesen Sommer 94'303 Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren für ihre erste Ausbildung entscheiden. 46 Prozent davon wollen gemäss dem Nahtstellenbarometer eine Berufslehre machen – gleich viele wie im Vorjahr.
Gymnasien und Fachmittelschulen sind dagegen weniger beliebt: Knapp ein Drittel der Jugendlichen haben sich dazu entschieden, weiterhin die Schulbank zu drücken. 2022 waren es noch 40 Prozent. Eine kleine Trendwende, meint Stefan Wolter (58), Professor an der Universität Bern und Berater des Nahtstellenbarometers. «Während der Coronapandemie haben sich mehr Schulabgänger für das Gymnasium entschieden. Das ändert sich nun wieder.»
Zudem legt neu jeder Achte – also rund 11'000 der Jugendlichen – ein Zwischenjahr ein. Als solches zählt beispielsweise das 12. Schuljahr. Als häufigsten als Grund nennen die Befragten, keine Lehrstelle gefunden zu haben.
Es gibt zu viele Lehrstellen
Das verwundert. Denn Ende Juli waren auf Yousty – dem grössten Lehrstellenportal der Schweiz – noch 10ʼ018 Lehrstellen für 2024 zu haben. Es herrscht also nach wie vor ein Überangebot. «In den letzten Jahren waren im Durchschnitt jeweils zwischen 7000 bis 10ʼ000 Lehrstellen unbesetzt geblieben, was etwa zehn Prozent aller Ausbildungsplätze ausmacht. Somit ist auch dieses Jahr noch absolut im Schnitt», erklärt Yousty-Sprecherin Julia Ebnöther.
Trotzdem konnten einige Branchen fast alle Stellen besetzen. «Die Informatikbranche hat mit lediglich vier Prozent unbesetzten Lehrstellen von allen Bereichen am besten besetzt», so Ebnöther. Lehrstellen als Informatiker sind seit Jahren gefragt, zeigen die Suchanfragen bei Yousty. Für 2024 hat es auf der Plattform Anfang August noch 16 freie IT-Lehrstellen.
Seit eh und je zählt das KV zu den beliebtesten Lehrberufen. Das bestätigen sowohl das Nahtstellenbarometer als auch Suchanfragen auf der Lehrstellenplattform. Seit letztem Jahr ist neben der KV- und Informatik-Lehre auch die Ausbildung zum Detailhandelsfachmann oder -frau sehr gefragt. Jedoch gibt es dort auch nach am meisten offene Lehrstellen für 2024 – 556 sind Anfang August noch umbesetzt. «Im Detailhandel werden jedes Jahr sehr viele Lehrstellen ausgeschrieben, daher bleiben prozentual auch mehr frei», erklärt Ebnöther.
Bisher sind im Verkauf 20 Prozent der Lehrstellen unbesetzt geblieben. Besonders viele offene Stellen gibt es in der Baubranche (34 Prozent) oder in der Gastronomie (27 Prozent).
Die Sorgen um den Nachwuchs
Drei Viertel der Unternehmen haben gleich viele Lehrstellen angeboten wie im Vorjahr. 10 Prozent der Firmen haben ihr Angebot ausgebaut. Der häufigste Grund für den Ausbau ist die Sorge um den Nachwuchs. «Grundsätzlich sind alle Branchen betroffen. Die Sorge nach dem Nachwuchs hat demografische Gründe», so Wolter. Bis 2030 gehen mit den Babyboomern besonders viele Menschen in Rente. Diese fehlen dann auf dem Arbeitsmarkt. Gleichzeitig zählen Jahrgänge, die jetzt mit der Ausbildung starten, deutlich weniger Menschen.
«Schlussendlich trifft es aber die Berufe, die am wenigsten beliebt sind», sagt der Experte. Die Branchen und Betriebe buhlen um die wenigen Lernenden und probieren, attraktiver als die Konkurrenz zu sein. So geben sie den Druck untereinander weiter. Davon können Schulabgänger profitieren.
Dieser Artikel erschien zuerst bei «Blick» unter dem Titel «Uns gehen die Stifte aus!»
1 Kommentar
Heute werden im Yousty für das Jahr 2024 lediglich noch 8'705 offene Stellen angezeigt. Entweder wurden also während den Sommerferien 1'313 Lehrverträge unterschrieben oder die Ausbildner habe nach Rückkehr ihrer Ferien ganz einfach die Stellenangebote zurückgezogen resp. gelöscht. Dies lässt für mich einfach keine seriösen Rückschlüsse zu. Somit scheint mir dieser Bericht und die reisserische Schlussfolgerung nicht viel Wert zu sein. Korrelation ist nicht gleich Kausalität. Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass sich junge Leute heute immer kurzfristiger für eine Stelle entscheiden "können." Wie auch immer: Ja, die Demographie ist angekommen; nein ein Trend lässt sich darauf nicht ablesen.