Anfang 2022 hat ISS die Charta von EqualVoice United unterzeichnet und treibt seither die Gleichheit zwischen den Geschlechtern in der Arbeitswelt voran. Eine Zwischenbilanz?

Seither ist sehr viel geschehen. Ein wichtiger Meilenstein war die Employee Value Proposition «A Place to Be You», aber auch der «Inclusive Language Guide», den wir im Dezember lanciert haben. Des Weiteren haben wir weltweit bereits zwei von fünf Corporate-Trainings ausgerollt, um unsere Mitarbeitenden in Bezug auf Company of Belonging weiterzubringen und zu fördern. Das erste war der Placemaker-Workshop, in dem es darum ging, was «A place to be you» bedeutet, worauf also unser Werteverständnis aufgebaut und was unsere Servicekultur ist. Das zweite Training bezog sich auf das Thema Service-Leadership, also darauf, wie wir unsere Kultur weiter fördern können.

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Sie sind seit September 2022 Director People & Culture bei ISS Schweiz. Welche Weichen konnten Sie persönlich in den vergangenen neun Monaten stellen?

Obwohl bei der neuen One-ISS-Strategie vieles vom ISS-Hauptsitz in Kopenhagen aus gesteuert wird, konnte ich einiges bewegen: Im Mai wurde My ISS lanciert, eine Kommunikations-App für alle 13 000 ISS-Mitarbeitende, welche das Intranet ablöst. Da konnte ich sehr viel beisteuern. Zudem habe ich die Akquisition von Livit FM stark begleitet.

Was waren da die Herausforderungen?

Mit Livit FM stiessen 600 Mitarbeitende zu uns. Eine solche Akquisition ist eine grosse Herausforderung, gerade in Bezug auf die kulturelle Integration. Deshalb haben wir eine Reihe von Massnahmen initiiert – darunter ein siebzigseitiges Booklet zu ISS als Arbeitgeber, unseren Werten und dazu, wie die nächsten Schritte im Onboarding-Prozess aussehen –, damit sich die Mitarbeitenden so gut wie möglich mit dieser Situation auseinandersetzen konnten, die richtigen Ansprechpersonen hatten und sich möglichst schnell wohlfühlten. Zudem haben wir sie gleich in unsere Placemaker-Workshops sowie – noch vor ihrem Start bei ISS – an unsere Weihnachtsfeiern eingeladen. Damit sollten sie ein echtes Gefühl der Zugehörigkeit erfahren und sich willkommen fühlen.

Die One-ISS-Strategie hat in jedem Land ihre Schwerpunkte. Wo bestehen die grössten länderspezifischen Unterschiede beim Thema Diversity & Inclusion?

Die sind mal grösser, mal kleiner. In der Schweiz ist zum Beispiel Gender Balance ein sehr aktuelles Thema; in den nordischen Ländern eher weniger, weil dort die Situation vom Staat her – Stichwort Kita-Finanzierung, Elternzeit und generell das schulische System – anders ist. Unterschiede gibt es auch beim Thema Diversity. In Spanien etwa werden Unternehmen, die 10 Prozent Menschen mit Behinderungen beschäftigen, vom Staat finanziell unterstützt. In der Schweiz ist das nicht so, dennoch stellt ISS auch Geflüchtete oder Menschen mit physischen, psychischen oder geistigen Behinderungen ein, und zwar aus intrinsischer Motivation

EqualVoice
Taten statt Quoten

Die Ringier-Initiative treibt die Gleichstellung von Männern und Frauen voran.

Sie haben vorhin den «Inclusive Language Guide» erwähnt. Was beinhaltet dieser?

Er gibt vor, wie wir kommunizieren – sei das bei Stelleninseraten oder bei internen Mitteilungen. Ziel ist, inklusiv zu schreiben, sodass sich alle angesprochen fühlen. Das gelingt manchmal besser, manchmal weniger gut. Sprache ist ein Spielplatz, kein Museum. Deshalb müssen wir immer wieder hinterfragen, was ein Wort bei unseren Mitarbeitenden, Kundinnen und bei der Öffentlichkeit auslöst. Das gibt ganz spannende Diskussionen.

Was ist der Benefit dieses Guides?

Mit ihm wollen wir sicherstellen, dass unsere Kommunikation und Interaktion allen Menschen den ihnen gebührenden Respekt erbringt. Er hilft uns auch, neue und diverse Talente zu gewinnen. Um unser Gender-Balance-Ziel von 40 Prozent Frauen in Führungspositionen zu erreichen, ist es beispielsweise wichtig, dass wir mit unseren Stelleninseraten auch weibliche Führungskräfte ansprechen.

Die Menschenkennerin

Name: Tanja Aebi

Funktion: Director People & Culture und Mitglied der Geschäftsleitung von ISS Schweiz

Alter: 39

Wohnort: Thalwil

Familie: verheiratet, zwei Söhne (drei und fünf Jahre alt)

Ausbildung: Master in Arbeits- und Organisationspsychologie und Bachelor in Psychologie der Universität Bern, CAS Change Management, Organisationsentwicklung und -beratung der ZHAW, Diploma of International HR Management.

Muss man Frauen anders anwerben als Männer?

Ja. Wir haben viel positives Feedback erhalten von Bewerberinnen, die fanden, dass das Anforderungsprofil so geschrieben war, dass sie sich angesprochen fühlten. Inkludierend zu kommunizieren, bedeutet, weniger Bulletpoints aufzuführen und auf harte Ausdrücke, die eher männlich wirken (etwa «Dynamik»), zu verzichten. Wir wählen gezielt sanftere Wörter, die zwar dasselbe aussagen, aber weniger hart wirken. Auch die Formulierung «die Extrameile gehen» versuchen wir zu vermeiden, weil sie falsch verstanden werden kann. So wirkt eine solche Formulierung zum Beispiel auf eine Mutter von zwei Kindern, die den Berufswiedereinstieg sucht, vielleicht überfordernd. Solche Gefühle wollen wir nicht auslösen.

«A Place to Be You». Was bedeutet das?

Mit dieser Employee Value Proposition versprechen wir unseren Mitarbeitenden, ein Arbeitgeber zu sein, der sie so akzeptiert, wie sie sind, der sie wertschätzt und dem ihre Meinung wichtig ist. «A Place to Be You» ist ein grosser Begriff, und es ist uns ein Anliegen, dass jeder und jede weiss, was das für ihn oder sie selbst bedeutet. Deshalb haben wir verschiedene Videos gedreht, die zeigen, wie wichtig uns die Mitarbeitenden sind. Sie sollen sich als Teil von etwas Grösserem fühlen, worin sie sich entwickeln können.

Im Frühling hat ISS eine weltweite Umfrage in verschiedenen Branchen auf verschiedenen Mitarbeitendenstufen in sechs Ländern zum Thema «Belonging» durchgeführt. Was war der Gedanke dahinter?

Den Puls der Gesellschaft zu fühlen. «Belonging», also Zugehörigkeit, betrifft nicht nur unsere Firma, sondern alle. Wir wollten wissen, was Diversity & Inclusion, Belonging und Equity für Menschen ausserhalb von ISS bedeutet und wo wir da als Gesellschaft stehen.

Was sind die Schlüsselerkenntnisse?

Vielfalt, Integration, Zugehörigkeit. Das alles hat hohe Priorität, wie die Studie gezeigt hat. Fühlen sich die Menschen an ihrem Arbeitsplatz sicher und wertgeschätzt, steigert sich ihr geistiges Wohlbefinden, sie sind motivierter und weniger krank. Eine Kultur von Belonging sollte darum nicht nur ein Nice-to-have-Ansatz sein, sondern ein Must-have.

Tanja Aebi ISS
«Diversität ist kein Papiertiger»

Das Dienstleistungsunternehmen ISS fördert seine Diversität im Unternehmen. Folgende Hürden stellen sich dabei – und diese Massnahmen setzt das Unternehmen um.

Welche Ergebnisse haben Sie überrascht?

Viele Schweizer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben 2022 offenbar negative Erfahrungen gemacht am Arbeitsplatz. Obwohl viele Schweizer Arbeitnehmende ein hohes Zugehörigkeitsgefühl empfinden, fand jede zweite befragte Person (51 Prozent), dass sie oder er nicht in der Lage sei, die Meinung frei zu äussern. Zudem stehen 54 Prozent nicht hinter den Werten des Unternehmens, für das sie arbeiten. 47 Prozent der Befragten fühlen sich nicht respektiert oder unfair behandelt. Von denen gaben wiederum 18 Prozent an, über eine schlechtere psychische Gesundheit zu verfügen und eher mal Angstzustände oder Depressionen zu erleiden.

Welche Massnahmen leiten Sie daraus für ISS Schweiz ab?

Wenn jede und jeder zweite Arbeitnehmende die eigene Meinung nicht äussern kann, müssen wir ihnen zu verstehen geben, dass ihre Meinung wichtig ist. Die My-ISS-App unterstützt uns dabei, weil hier jeder und jede einzelne Mitarbeitende etwas beitragen, Communitys gründen, Storys kommentieren und Feedback geben kann – und sich somit inkludiert und wertgeschätzt fühlt.

Eine ähnliche Umfrage wird im Herbst 2024 unter den 13 000 Mitarbeitenden der ISS durchgeführt. Erwarten Sie Unterschiede zur externen Umfrage?

Ich bin gespannt, ob es auch bei uns Überraschungen gibt. Wir sind ein People-Business, und der Mensch steht bei uns im Zentrum. Ich hoffe, dass wir durch unsere internen Massnahmen wie Führungstrainings, Sensibilisierungen, Weiterentwicklungsmöglichkeiten und Wertschätzungsinitiativen viel zur Zugehörigkeit jedes und jeder Einzelnen beitragen können. Ich freue mich aber auch auf weitere spannende Erkenntnisse, aus welchen wir konkreten Handlungsbedarf ableiten werden.