Konstantin Korotov, Professor an der European School of Management and Technology in Berlin, hat täglich Dutzende von künftigen Führungskräften im Hörsaal, die mit grossem Einsatz eine Weiterbildung in der Kaderschmiede absolvieren – meist auf Kosten ihrer Firmen. Nicht selten kommt es vor, dass Korotov nach den Lektionen in Diskussionen mit den Studierenden verwickelt wird. «In den letzten Jahren wurde ich dabei häufiger gefragt, ob es eigentlich legi-tim sei, keine Führungsverantwortung übernehmen zu wollen», sagt Korotov, der auf die Themen Leadership und Management spezialisiert ist.
Für ihn sind das Zeichen einer sich anbahnenden Veränderung. «Karriere im Sinne eines Aufstiegs in der Führungshierarchie wird zunehmend hinterfragt», meint er. Und das nicht nur von der jungen, selbstbewussten Generation Y, sondern auch von den 35- bis 50-Jährigen, also jener Altersgruppe, die mitten im -Berufsleben steht. Sie sieht sich gerade in den globalen Grosskonzernen zunehmend einfluss- und wirkungslos. «Viele fühlen sich ausgeliefert, weil sie nur ein kleines Rad im Ganzen sind und teilweise nicht mal mehr sehen, was sie -eigentlich produzieren», so Korotov. Der Professor will das -Phänomen der skeptischen Karrieristen nun in einer eigenen Studie genauer untersuchen.
Er steht mit seiner Beobachtung nicht allein da. Auch -Matthias Mölleney, Ex-Personalchef der Swissair und heute selbständiger HR-Berater, weiss, dass die klassische Kamin-karriere von unten nach oben nicht mehr wie selbstverständlich in Angriff genommen wird. «Karriere bekommt nach und nach einen mehrdimensionalen Charakter. Viele suchen nach Alternativen.»
Alternative gesucht. Noch sprechen die Zahlen zwar eine andere Sprache: Im jüngsten HR-Barometer der Uni Zürich, das auf einer Umfrage unter 1479 Beschäftigten in der Schweiz basiert, erhält die -traditionell aufstiegsorientierte Karriere nach wie vor den höchsten Zuspruch. 51 Prozent der Befragten leben diese -Orientierung im Job. Gleichzeitig aber bekannten sich in der Studie mehr Beschäftigte als im Vorjahr zu einer eigenverantwortlichen Karriere (18 Prozent). Dieser Typus von Karrierist erwartet nicht, dass ihm der Arbeitgeber klar vorgegebene -Entwicklungsmöglichkeiten offeriert, sondern er will primär seine Fähigkeiten vielfältig einsetzen und -Eigenverantwortung übernehmen. Im Klartext: Er will machen, wozu er Lust hat und was ihm guttut.
Für Cécile Tschopp, Mitautorin der Studie, ist klar: «Die klassische Karriere wird auch in Zukunft Zuspruch finden. Aufzusteigen und viel Geld zu verdienen, bleibt attraktiv, auch wenn das selten jemand offen zugibt», sagt die Arbeitspsychologin. Für Tschopp ist der Begriff Karriere aber viel zu einseitig mit dieser Option besetzt. «Wir sollten heute von Laufbahn sprechen. Dieser Begriff vermag die Vielfalt der beruflichen Wege klarer -abzubilden.» Konkret heisst das, dass Unternehmen talentierten Mitarbeitenden andere Optionen bieten müssen, wenn sie diese nicht verlieren wollen. Zum Beispiel eine Fachkarriere. Die -Industrie, die dem Krieg um die besten -Talente schon länger ausgesetzt ist, kennt diesen Weg schon lange. «Doch jetzt greift der Trend zur Fachkarriere auch auf andere Branchen über», weiss Personalberater Mölleney.
Etwa bei der Zürcher Kantonalbank. Die ZKB richtet ihr Augenmerk seit ein paar Jahren vermehrt auf die drei Wege Führung–Projekt–Fachkarriere. Zwar seien Leitungsfunktionen nach wie vor am meisten gefragt, heisst es bei der Bank. Doch die -Fachlaufbahn werde ständig weiterentwickelt und den Führungspositionen stufengerecht gleichgestellt. Mehr Lohn, aber auch soziale Anerkennung – das ist es, was die Fachkarriere zur attraktiven Alternative macht für führungsunwillige Talente. Genau da hapert es allerdings noch.
Tücken der Umsetzung. Auch mit der Umsetzung der neuen Karrieremodelle in die Praxis tun sich viele Firmen noch immer schwer. Eine aktuelle Umfrage des auf Assessments spezialisierten deutschen Unternehmens SHL unter 480 Personalverantwortlichen förderte zutage, dass das Thema Karriere-entwicklung von den Personalchefs vernachlässigt wird. «Auf dem Papier tönen alternative Karrieremodelle gut. Aber in der Praxis ist die Umsetzung hochkomplex, weil sie zum Beispiel auch Auswirkungen auf das Vergütungssystem hat. Da bleibt man im Zweifelsfall lieber beim Bewährten», sagt Oliver Barth, der bei SHL für Zentral-europa verantwortlich zeichnet.
Funktioniert das Zusammenspiel zwischen Fach- und Führungskarriere aber dereinst, sieht Barth dies auch als Chance, um ein weiteres Problem zu lösen: dasjenige der -«Sesselkleber». Mangels Alternativen sind Führungskräfte heute gezwungen, bis ins hohe Alter auf ihren Posten zu verharren – und versperren dem ambitionierten Nachwuchs so die Chance auf den Aufstieg. Die Fachkarriere könnte ein Ausweg aus dem Dilemma sein. Oliver Barth würde sogar noch weiter gehen und als Firma ein Downgrade-Assessmentcenter schaffen. «Die Alterspyramide in den Unternehmen könnte so besser gemanagt werden, Jobs würden entsprechend besser verteilt.»
20 bis 30 Jahre: Hochfahren
Zwischen 20 und 30 ist man am Anfang der Karriere. Zwar stehen einem vermeintlich noch alle Optionen offen. Trotzdem tut man gut daran, grob festzulegen, welche Branche oder welches Tätigkeitsgebiet für das nächste halbe Dezennium im Vordergrund stehen soll. Wer eine Lehre absolviert hat, muss das als Eintrittsticket verstehen, das mit einer Weiterbildung kombiniert werden soll. Wer aus der akademischen Welt kommt, sollte sich jetzt daranmachen, auch einmal berufliche Erfahrung zu sammeln, bevor die Diplom-Sammlung weiter vorangetrieben wird. Richtig fit für die nähere Zukunft macht ein Abstecher ins Ausland.
30 bis 40 Jahre: Durchstarten
Zwischen 30 und 40 ist man wohl in der dynamischsten Phase des Lebens. Erst- und Zweitausbildung absolviert, schon mehrere Jahre Erfahrung auf dem Buckel, möglicherweise schon einige verschiedene Jobs und Firmen gesehen. Jetzt ist es Zeit, um den Karriere-Turbo zu zünden. Wer noch Wissenslücken hat, sollte sie jetzt ausbessern – möglicherweise im Zusammenhang mit einem Auslandaufenthalt. Wenn Sie zu den digitalen Immigranten gehören, ist es höchste Zeit, im Feld der virtuellen Karriere-Tools aufzuholen. Die Gruppe der 20- bis 30-Jährigen ist hier in den meisten Fällen viel fitter.
40 bis 50 Jahre: Weiterdenken
Eigentlich liegt zwischen 40 und 50 die Blütezeit der Karriere. Wer auf eine lineare Laufbahn setzt, sollte jetzt den Zenit an materiellem und statusbezogenem Erfolg erreicht haben. Gegenüber der jüngeren Generation verfügen die 40- bis 50-Jährigen über jenes Plus an Persönlichkeit, das sie zum Leader prädestiniert. Viele merken in dem Alter allerdings auch, dass es auf der Karriereleiter nicht immer nur -aufwärtsgeht, und müssen lernen, mit Brüchen umzugehen. Das lohnt sich – auch um die nächsten 20 Berufsjahre zu überstehen.
50 bis 60 Jahre: Ernten
Ein typisches Berufsleben lässt sich heute in drei Phasen aufteilen. Die ersten 15 Jahre wird aufgebaut, weitere 15 Jahre heisst es: liefern. Die letzten 15 Jahre bilden die sogenannte «Pay back»-Phase. Man sollte endlich ernten und seine Fähigkeiten im Job voll -ausspielen können. Und die 50 gleichzeitig als Scheideweg sehen. «In diesem Alter hinterfragen viele ihre Karriere – da kann sogar ein Job-verlust im Nachhinein heilsam sein», sagt André Schläppi, Geschäftsführer Zürich und Partner beim Outplacement-Spezialisten Grass & Partner.
60 bis 70 Jahre: Abrunden
Wer heute die 60 überschreitet, kann es sich nicht leisten, sich geistig in die Pension zu verabschieden, wie es einst möglich war. Die Phase zwischen 60 und 70 wird aufgrund von Demografie und angeschlagenen Sozialwerken vermehrt zum Arbeitsabschnitt werden. Dieser sollte indes genau geplant werden. Die Kräfte lassen nach, die Interessen wandeln sich. Deshalb sollte man die Karriere auf den Prüfstand stellen und der Lebensqualität eine höhere Priorität einräumen.