Volg-Chef Ferdinand Hirsig über das Landleben, die harzige Romandie-Expansion und darüber, warum er seinen Kunden Bio-Produkte vorenthält.
Ein so tiefer Durchschnitts-Bon zeigt doch vor allem eines: Der Dorfbewohner macht den Grosseinkauf bei Migros und Coop, beim Discounter und im Ausland. Im Volg holt er sich am Samstag kurz vor Ladenschluss noch das wenige, das er vergessen hat. Zufrieden damit?
Wenn das so wäre, gäbe es uns nicht mehr. Was Ihrer These schon mal widerspricht: Montag ist unser stärkster Tag.
Auf dem Land kommen die gleichen Kunden oft täglich mehrmals in den Laden. Trotzdem: 17 Franken ist sehr wenig.
Der tiefe Kundenfranken hat auch einen Vorteil für uns: Für ein Päckli Marlboro, ein Joghurt und ein Sandwich fahren die Leute nicht ins Ausland. Selbst in grenznahen Läden spüren wir den Einkaufstourismus kaum.
In einer Ära, die von Effizienz und Zeitmangel geprägt ist, erstaunt es, dass die Dorfbewohner so viel Zeit im Volg verbringen. Haben sie nichts Besseres zu tun?
Das haben sie sicher. Aber dank der Nähe der Volg-Läden zu ihren Kunden können diese direkt im Wohnort und damit zeitsparend einkaufen. Die verlängerten Öffnungszeiten begünstigen diesen Trend. Das zeigt sich zum Beispiel beim Brot. Wenn der Laden früher um 18.30 Uhr schloss, kauften die Kunden ihr Brot für den Abend schon am Morgen ein. Heute kommen sie zusätzlich am Abend vorbei und holen sich ein frisches Brot. Und dann sollten Sie noch etwas wissen, Herr Güntert.
Was denn?
Die Schweiz ist nicht Zürich. Wenn Sie auch nur eine Viertelstunde aus der Stadt hinausfahren, sieht die Welt schon ganz anders aus. Weniger gehetzt, mehr Leute, die über Mittag zu Hause essen, mehr junge Familien. Man spaziert zum Laden, trifft Bekannte, kauft ein.
Eigentlich erstaunlich, dass Sie mit Volg nicht in die Städte gehen. Dort ist man vernarrt ins Landleben. Man chillt im Schrebergarten, lässt sich vom Bauernhof beliefern, liest «Landliebe» und züchtet Balkon-Tomaten. Warum vernachlässigen Sie dieses Traumrevier so sträflich?
Können Sie sich einen Volg am Zürcher Paradeplatz vorstellen? Ich mir nicht. Das wäre etwa so passend wie ein Prada-Shop im Muotatal.
Lidl macht keine 300 Meter entfernt vom Paradeplatz gute Geschäfte.
Lidl ist viel urbaner als wir. Volg ist ein Dorfladen-Konzept. Ein Volg mitten in Zürich wäre vielleicht spannend für japanische Touristen. Aber kaum für die Städter selber. Kommt hinzu: Stadt-Mieten können wir uns nicht leisten.
Wo kann Volg denn noch wachsen in der Deutschschweiz?
In vielen Gegenden. Etwas weniger in der Ostschweiz, weil wir hier praktisch in jedem Dorf schon einen Laden haben. Aber zum Beispiel im Raum Solothurn oder im Kanton Bern gibt es noch einige Möglichkeiten.
«Können Sie sich einen Volg am Zürcher Paradeplatz vorstellen? Ich mir nicht.»
Seit Mai 2017 bietet Volg einen Online-Lieferservice. Wir hören von fünfzig bis sechzig Bestellungen monatlich. Fünfmal nichts.
Ich sage eher: Auf tiefem Niveau erfolgreich.
Berauschend klingt die Performance vom Dorfladen im Cyberspace nicht gerade.
Wir haben damit begonnen, weil wir lernen wollen. Ja, wir sind klein. Aber klein muss nicht doof heissen. Für unseren Online-Shop haben wir einen eigenen Ansatz gewählt. Die Auslieferung erfolgt nicht über eine Verteilzentrale, sondern geschieht in unseren Läden. Ende 2019 ziehen wir ein Fazit. Dass es finanziell nichts bringt, wissen wir heute schon. Aber finanziell bringt die Online-Sache auch anderen Online-Lebensmittel-Shops nichts.