Mit der Wahl des Ivorers Tidjane Thiam hat die Credit Suisse alle überrascht. Bei einigen Schweizerinnen und Schweizern sorgt das für Unverständnis: Weshalb berief die Grossbank nach dem Deutschen Oswald Grübel und dem Amerikaner Brady Dougan einmal mehr keinen Eidgenossen für den Posten als Geschäftsleiter? Handelszeitung.ch sprach darüber mit dem Headhunter und Personalfachmann Bjørn Johansson.
Welche Qualitäten braucht der neue Chef der Credit Suisse?
Bjørn Johansson: Erstens muss der CEO eine starke Führungspersönlichkeit sein. Das ist ein absolutes Muss. Zweitens ist die Internationalität äusserst wichtig. Er muss die Welt begreifen und in grossen wie kleinen Ländern, in der westlichen Welt wie auch Emerging Markets tätig gewesen sein. Nur so kann er verstehen wie die Welt heute funktioniert. Drittens muss ein Chef seine Branche kennen. Es ist wichtig, dass ein Credit-Suisse-Chef sich mit den verschiedenen Aspekten des Bankensektors auskennt. Und zuletzt muss sich der CEO einer Schweizer Grossbank in der Schweiz integrieren. Nicht nur soll er die Sprache beherrschen, sondern man soll ihn auch in der Stadt Zürich antreffen können. Ein gutes Beispiel dafür ist Christoph Franz. Dem Verwaltungsratspräsident von Roche und früherer Swiss Chef ist die Integration besonders gut gelungen.
Wer passt auf Ihre Beschreibung am ehesten?
Ein gutes Beispiel dafür ist Christoph Franz. Dem deutschen Verwaltungsratspräsidenten von Roche ist die Integration besonders gut gelungen.
Swiss Banking mit einem Ausländer an der Spitze. Leidet durch diesen theoretischen Widerspruch die Reputation der Credit Suisse in der Schweiz?
Die Banken müssen eine gesunde Mischung aus Schweizern und Ausländern finden, anders geht es nicht. Entweder der CEO oder der Verwaltungsratspräsident sollte bei einer Schweizer Grossbank aus der Schweiz sein. Alle Spitzenpositionen mit Schweizern besetzen zu wollen, wäre aber illusorisch. Denn es gibt viele grosse und global tätige Unternehmen in der Schweiz, aber nur acht Millionen Einwohner. Seit dem Ende der 1990er-Jahre haben sich die Schweizer Führungsetagen deshalb radikal verändert und internationalisiert. Heute kommen bei den 30 grössten Schweizer Firmen 74 Prozent der CEOs aus dem Ausland. Bei den CFOs sind es 50 Prozent und auch bei den Verwaltungsratspräsidenten beträgt der Ausländeranteil 44 Prozent. Diese Internationalität gibt es sonst nirgends auf der Welt.
Können Sie Ihre These mit Zahlen belegen?
Heute kommen bei den 30 grössten Schweizer Firmen 74 Prozent der Topmanager aus dem Ausland. In der Finanzbranche sind es 50 Prozent und auch bei den Verwaltungsratspräsidenten beträgt der Ausländeranteil 44 Prozent. Das gibt es sonst nirgends auf der Welt.
Wie wichtig ist die internationale Vernetzung bei der Besetzung von Managerposten? Sind Ausländer womöglich bessere Networker als Schweizer?
Die Stellenvergaben auch in den Teppichetagen erfolgen über Headhunter. Wichtige internationale Netzwerke sind McKinsey, Harvard Business School oder World Economic Forum. Bei diesen Netzwerken sind alle Nationalitäten gleich. In der Schweiz waren in der Vergangenheit Netzwerke aus Militär oder Zünften etabliert, diese spielen aber bei international tätigen Konzernen heute keine Rolle mehr.
Zum dritten Mal in Folge kommt ein Ausländer in die Position des Credit-Suisse-Chefs. Was fehlt bei Schweizer Spitzenkräften für den Sprung in die Chefetage?
Die Ausgangslage für Schweizer Führungskräfte wäre nicht schlecht. Die Ausbildung ist gut und Schweizer sind respektiert in der Welt, auch wenn Politiker und Medien ein anderes Bild malen. Aber es ist doch klar: Schweizer sind nicht intelligenter als Ausländer. Und das Reservoir ist wie erwähnt eher klein. Dazu kommt, dass es uns in der Schweiz gut geht. In meiner über 35-jährigen Tätigkeit als Headhunter konnte ich einen Rückgang an Mobilität beobachten, weil es bequem ist, in der Schweiz zu bleiben. Dies wirkt sich im internationalen Wettbewerb zum Nachteil für Schweizer Führungskräfte aus.
Welche Tipps können Sie ehrgeizigen Schweizer Führungskräften geben?
Streben Sie eine internationale Karriere an. Fliegen Sie nicht nur in die Ferien, sondern lassen Sie sich im Ausland nieder. Gerade für Frauen gibt es eine unglaubliche Chance, wenn sie bereit sind, die «extra Meile» zu gehen. Das Problem ist, dass viele Frauen nach dem ersten Kind aussteigen und danach die Motivation und das Interesse verlieren, CEO zu werden. Für alle gilt, dass man hart arbeiten muss. Es braucht eine gute Ausbildung mit Universitäts- oder ETH-Abschluss. Am Allerwichtigsten ist es, Ergebnisse zu liefern und ambitioniert zu bleiben. Trotzdem gehört natürlich immer auch etwas Glück dazu.
Dr. Bjørn Johansson promovierte an der HSG in St. Gallen und arbeitete als Manager in verschiedenen Unternehmen in ganz Europa. 1993 gründete er seine Personalvermittlungsagentur Dr. Bjørn Johansson Associates und spezialisiert sich auf die Vermittlung von Führungskräften.