«Noch ein Kind, muss denn das sein?», «Eine Beförderung mit kleinen Kindern?», «Nun werden Sie bloss nicht schon wieder schwanger»: Solche Sprüche hat die Journalistin Stefanie Bilen* selbst oder von anderen arbeitstätigen Frauen gehört. In ihrem Buch «Mut zu Kindern und Karriere» berichten 40 erfolgreiche Mütter in Deutschland, wie sie trotz Hindernissen ihre Kinder und Karriere gleichzeitig managen.

Da ist die Personalchefin, die Job-Sharing mit einer anderen Mutter betreibt, die Interimsmanagerin, die ein Unternehmen in einer Vier-Tage-Woche saniert, oder die Bereichsleiterin, die seit Jahren um 16.15 Uhr ihre Arbeit beendet. Von ihren wichtigsten Tipps und Anekdoten können auch Schweizer Berufstätige profitieren:

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Wann ist der ideale Zeitpunkt zum Kinderkriegen?

Den optimalen Zeitpunkt gibt es nicht. In dem Punkt sind sich die Working Moms einig. Karin Bernlocher, Marketingmanagerin aus München, sieht Vorteile beim frühen Kinderkriegen: «Junge Mütter, die beruflich am Ball bleiben, haben den Vorteil, mit Anfang, Mitte 40 im Job voll durchstarten zu können, weil ihre Kinder dann schon aus dem Gröbsten raus sind.» Sie bekam ihr erstes Kind mit 27. Ähnlich war es bei der Juristin Caroline Gilles, die mit 31 schwanger wurde. «Wer früher Kinder bekommt, geht unbeschwerter an die Verantwortung heran. Zudem tappen junge Eltern seltener in die Perfektionsfalle.»

Dennoch sprechen auch Faktoren für das späte Mutterglück: «Wer spät Kinder bekommt, hat die nötige Stabilität sowie oft auch die finanziellen Grundlagen, um sich ein Leben als Familie besser leisten zu können», so Ina Steidl, Personalberaterin und Vorstand bei Working Moms. In der Schweiz steigt das Alter stetig, in dem Frauen ihr erstes Kind kriegen. Das zeigen Daten des Bundesamts für Statistik. 31,2 Prozent der Frauen bekommen Kinder erst im Alter von über 34 Jahren, im Vergleich zu noch 20,5 Prozent im Jahr 2000.

Ist man im Mutterschaftsurlaub weg vom Fenster?

In der Schweiz dauert der Mutterschutz nach der Geburt 14 Wochen, Väter erhalten meist nur einen Tag. Viele Schweizer Unternehmen gewähren aber unbezahlten Urlaub über das gesetzliche Mininum hinaus, so dass Frauen zumindest für einige Monate aussteigen können. In Deutschland gibt es über den Mutterschutz hinaus Elternzeit. Diese können sich Mutter und Vater während drei Jahren aufteilen oder gleichzeitig nehmen. Zusätzlich erhalten sie während maximal 14 Monaten Elterngeld, welches einen grossen Teil des Einkommens ersetzt.

Die Expertinnen raten, auch während Zeit zu Hause im Kontakt mit dem Geschäft zu bleiben: «Ich habe sehr davon profitiert, auch während meiner Elternzeit einmal pro Woche mit meiner Vorgesetzten zu telefonieren, um mich auf dem Laufenden zu halten und im Gespräch zu bleiben», sagt Frauke Grotjahn, Wirtschaftsingenieurin mit Führungsverantwortung aus Hamburg.

Weiter raten die erfolgreichen Frauen: Sagen Sie klar und deutlich, dass Sie nach wie vor berufliche Ambitionen haben. «Wir als Arbeitgeber können ja nicht ahnen, wie die Lebensplanung unserer Kolleginnen aussieht», sagt Annette Feissel, Partnerin bei einer international tätigen Wirtschaftskanzlei in Berlin.  Sie rät Schwangeren: «Signalisiert eindeutig, wann ihr wiederkommen wollt und in welchem Umfang.»

Wie gelingt der Wiedereinstieg?

«Gehen Sie das ‹Projekt Wiedereinstieg und Elternzeit› genauso professionell an wie alle anderen Projekte», sagt Virginia Bastian, Personalleiterin bei Nestlé Purina Petcare. «Machen Sie einen Plan, überzeugen Sie Ihre Vorgesetzten davon und stehen Sie zu Ihrem Wort.» Weitere Tipps der Working Moms liegen darin, sich für externe Vorträge oder Podiumsdiskussionen zu engagieren oder während des Mutterschaftsurlaubs eine Weiterbildung zu machen.

Die Mütter liefern verschiedene Beispiele, wie es klappen kann. Anja Unglaub, Vice President in der zentralen IT bei Bosch sagt: «Eine Frau, die ihre Karriere auch nach der Elternzeit fortsetzen will, sollte erstens klar sagen, was und wohin sie will, zweitens sichtbar werden über Projekte und Zusatzthemen und drittens Chancen, die geboten werden, annehmen.» Dabei ist Eigeninitiative ein Erfolgsrezept: «Ich habe bei allen drei Kindern meinen Wiedereinstieg so gestaltet, dass mein Arbeitgeber kein Problem zu lösen hatte», sagt Fee Steinhoff, Innovationsmanagerin bei den Telekom Innovation Laboratories.

Wirtschaftsingenieurin Grotjahn variierte nach ihrem Wiedereinstieg die Arbeitszeiten: An normalen Arbeitstagen blieb sie länger im Büro, an zwei Tagen ging sie um halb vier nach Hause, um Zeit mit den Kindern zu verbringen. Sie rät: «Argumentiert in Vorteilen: Ich betone nicht, dass ich zweimal die Woche früher gehe. Ich hebe viel eher hervor, dass ich ab 21 Uhr wieder für Telefonkonferenzen zur Verfügung stehe, was meine Kollegen in den USA sehr schätzen.»

Beim Wiedereinstieg helfen Frauen auch sogenannte Rückkehrerprogramme. Die Universität St. Gallen etwa bietet das «Women Back to Business»-Programm an, das Führungskräften, Fachspezialisten und High Potentials den Weg zurück ins Berufsleben erleichtern soll.

Wie mache ich nach dem Wiedereinstieg Karriere?

Nach dem Wiedereinstieg kann es wichtig sein, selbst Flexiblität zu zeigen. Astrid Bohé etwa wurde drei Wochen vor Geburt ihres Sohnes in die Geschäftsführung von Accenture berufen. Sie organisierte ihr Privatleben so, dass sie ihren Job nach einer viermonatigen Auszeit nicht vernachlässigen musste: «Ich habe es so eingerichtet, dass ich an allen wichtigen Meetings und Terminen teilnehmen kann. Die unwichtigen habe ich ignoriert.» Dass sie zunächst Teilzeit arbeitete, kommunizierte sie nicht aktiv und steigerte die Arbeitszeit nach und nach wieder. Sie sagt: «Solange die Leistung stimmt, sind viele Arbeitszeitmodelle möglich».

Die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitsmodelle macht arbeitstätigen Frauen das Leben leichter. «Mit dem Internet und mobilen Arbeitsplätzen wird es immer unwichtiger, dass man zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort sein muss», sagt auch Startups.ch-CEO Michele Blasucchi gegenüber handelszeitung.ch. Startups.ch hilft immer mehr Frauen, ihre Businessideen umzusetzen.

Was können Arbeitgeber tun?

Hier müssen die Unternehmen aktiv werden: «Der Schlüssel zu flexiblen Arbeitsmodellen ist eine fehlende Präsenzkultur», sagt Andrea Jochum vom Karriereberater Rundstedt. «Wenn keiner darauf achtet, wer wann wo anwesend ist, gerät die eigentliche Leistung in den Vordergrund und auf einmal ist vieles möglich.»

Viel hat ausserdem mit der Kultur in einem Unternehmen zu tun. Oft würden Frauen und Männer am Arbeitsplatz schon bei der Nachricht der Schwangerschaft unterschiedlich behandelt, sagt Isabel Hochgesand, Logistik-Geschäftsführerin bei Procter & Gamble. «Männern wird freudig gratuliert, während sich viele Frauen sorgenvoll fragen müssen: ‹Und wann kommst du wieder...?›» Um eine familienfreundliche Atmosphäre zu schaffen und Mütter zur Fortsetzung ihrer Karriere zu animieren sei die Unternehmenskultur entscheidend, so Hochgesand.

Bis absolute Chancengleichheit herrscht, sei es an den Führungskräften, mit gutem Beispiel voranzugehen, sind sich die Working Moms einig. Sind Frauen mit Kindern selbst in Führungspositionen, können sie dafür sorgen, dass die Karriere von Nachwuchskräften nicht mit der Schwangerschaft endet.

Vollzeit oder Teilzeit?

Ist Teilzeit zu arbeiten ein Karrierekiller? Nicht unbedingt, aber viele der arbeitstätigen Mütter raten, nicht unter einen bestimmten Prozentsatz zu fallen. «Wer einen interessanten Job machen möchte, sollte mindestens eine 70-prozentige Tätigkeit wählen», sagt Anwältin und Partnerin bei einer Grosskanzlei Annette Feissel, die selbst 80 Prozent arbeitet. «Und dann sollten Sie gegenüber dem Arbeitgeber Verlässlichkeit demonstrieren. Wer sein Stundenkontingent kurz nach dem Wiedereinstieg schon wieder varriert, hat schlechte Karten».

Anja Unglaub von Bosch, rät Frauen in Teilzeit, über Projekte und Zusatzthemen im Unternehmen sichtbar zu werden. «Auch wenn sie keinen unmittelbaren Karriereschritt bedeuten». Weiter bieten Jobsharing-Modelle Frauen in Teilzeit die Möglichkeit, anspruchsvolle Jobs zu zweit zu meistern. Die Human-Resource-Direktorin bei der Nestlé-Tochter Purina Petcare suchte sich nach der Geburt ihrer Tochter etwa eine Tandem-Partnerin im Konzern, mit der sie sich die Personalleitung teilt. Inzwischen gilt das Tandem konzernintern als «Best Practice»-Fall.

Bei Teilzeit-Pensen droht aber auch eine Falle: Nämlich wenn man de facto Vollzeit arbeitet, aber für eine Teilzeit-Stelle bezahlt wird. Viele setzten sich abends noch einmal an den Laptop und arbeiteten von zuhause weiter. P&G-Logistik-Geschäftsführerin Hochgesand rät: «Wer ohnehin fast Vollzeit arbeitet, sollte sich auch eine volle Stelle bezahlen lassen.»

*Stefanie Bilen ist Wirtschaftsjournalistin und Herausgeberin von SAAL ZWEI, einem Online-Business-Magazin für Frauen. Ihre Laufbahn startete sie in Düsseldorf beim Handelsblatt, sie ist Co-Gründerin der Working Moms in Hamburg sowie Mitglied des Frauenbeirats der Hypovereinsbank. Bilen ist Mutter zweier Töchter.