Kulturwandel? Für viele Manager eher nice to have. Doch inzwischen ist dieser vorgebliche Soft Factor zum strategischen Wettbewerbsvorteil für Unternehmen angewachsen. Denn hoch qualifizierte Frauen entscheiden sich lieber für Arbeitgeber, auf deren Bürofluren sie nicht zum Miststück werden müssen, um karrieretechnisch zu überleben. Und es wächst eine Generation von Frauen und Männern nach, die an ihrem Arbeitsplatz ein kollegiales und wertschätzendes Arbeitsklima erwarten, das weitgehend frei ist von Machtspielchen.

Machtspielchen, wie sie heute vielerorts noch munter praktiziert werden – zum Leidwesen vieler. Wie sehr das Thema die Leute beschäftigt, zeigt die grosse Beachtung, auf die mein Buch «Schach der Dame!» gestossen ist. Es hat einen Tsunami an Reaktionen ausgelöst; die allermeisten davon positiv von Männern und Frauen, die mich wissen liessen, wie wichtig es sei, dass endlich die heimlichen Spielregeln im Management aufgezeigt würden. Machtspiele werden natürlich von allen gespielt, von Männern wie von Frauen. Und es sind auch Männer wie Frauen davon betroffen. Der einzige relevante Unterschied zwischen Tätern und Opfern ist: Die Täter wissen, wie das Spiel funktioniert.

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Regelkenntnis ist eine notwendige Kompetenz

Die Opfer, darunter insbesondere (Führungs-)Frauen, verfügen leider oft über einen zu schwach ausgeprägten Intrigen-Sensor und eine zu geringe Kenntnis der Spielregeln. Regelkenntnis ist eine notwendige Kompetenz, die ein Aufsteigen und Sich-oben-Halten im Management erfordert.

Zum Beispiel die Mehrheitsregel: Die beste Fach- und Führungskompetenz nützt nichts, wenn man sich für seine Vorschläge und Projekte nicht zuerst die nötige Mehrheit im Management verschafft und eine Hausmacht kreiert. Tut man/frau das nicht, setzt einen der nächstbeste Intrigant mit seinem nächsten Zug matt (daher der Buchtitel). Um dem Matt zu entgehen, sollte man/frau jedoch zunächst wissen, welches Spiel gespielt wird. Viele Frauen wissen manchmal gar nicht, dass überhaupt ein Spiel gespielt wird, oder tippen auf Monopoly, während ihr Managementumfeld American Football spielt. Das endet manchmal abrupt im Karriere-Totalschaden oder im Wechsel zu einem Arbeitgeber mit einer kollegialeren Firmenkultur.

Wiebke Köhler

Wiebke Köhler: Die Ex-McKinsey-Beraterin und Axa-Personalvorständin hat eine eigene Beratungsfirma gegründet und ist Autorin des Bestsellers «Schach der Dame!».

Quelle: JohnnyCam

Das ist ein möglicher Ausgang. Die zweite Option: Man passt sich halt an, spielt das Spiel mit und verbiegt sich dabei. Daher die dritte Option: Man ändert das System von innen heraus, betreibt den Kulturwandel selber, nachdem man sich intern die nötige Mehrheit beschafft hat. Alleine schafft das keine(r).

Kulturwandel als strategischer Wettbewerbsvorteil

Zusammen mit Professor Ingo Hamm von der Hochschule Darmstadt habe ich in den letzten Monaten eine Marktforschungsstudie durchgeführt, die am Beispiel von Deutschland nachweist, was ein Kulturwandel wert ist. Die Summe ist enorm: 275 Milliarden Euro – pro Jahr.

Kultur wird auch oft deshalb als nice to have missverstanden, weil die Diskussion bisher als reiner Glaubenskrieg geführt wurde, ohne Berechnung des ökonomischen Impacts. Genau diese Potenzialrechnung braucht es aber: Noch nicht jeder im Management hat gemerkt, dass in Zeiten des akuten Fach- und Führungskräftemangels frei werdende Stellen umso schneller besetzt werden können, je positiver und wertschätzender die Unternehmenskultur wahrgenommen wird.

Auf Basis der Studie unterstützen wir inzwischen Unternehmen beim nötigen Kulturwandel. Wem dieser gelingt, der wird mit höherer Produktivität, stärkerer Mitarbeiterbegeisterung und geringerer Fluktuation belohnt. Ein Wandel, der von Wettbewerbern kurzfristig nicht kopiert werden kann und einen strategischen Wettbewerbsvorteil darstellt. Ein zukunftsweisender Wandel. Und keine Frau muss dafür zum Miststück werden.