Bis vor knapp zwei Jahren kannten der 34-jährige gelernte Innendekorateur Alois Gunzenreiner und der 61-jährige ehemalige Swissair-Mitarbeiter Karl Laasner einander noch gar nicht. Und beide hätten auch nie gedacht, dass sie dereinst ausländische Mitarbeitende von international tätigen Firmen beim temporären Umzug in die Schweiz unterstützen würden.
Alois Gunzenreiner arbeitete mit einzelnen kurzen Unterbrüchen bis zur Übernahme im familieneigenen Innendekorationsgeschäft. «Ich absolvierte eine Lehre als Innendekorateur. Auf Grund gesundheitlicher Probleme meines Vaters vollzog ich den Einstieg ins Familienunternehmen früher als geplant.» Ein anstrengender Job, bei dem er aber dadurch entschädigt wird, sein eigener Herr und Meister zu sein, und sich die Freiheit nehmen kann, sich militärisch oder politisch zu engagieren. Zudem hat er sich durch Weiterbildungen ein fundiertes kaufmännisches Wissen aneignen können. «Durch meine Engagements konnte ich mir in jungen Jahren ein gutes Beziehungsnetz schaffen und wertvolle Erfahrungen sammeln. Zudem haben meine Interessen und meine Aktivitäten bei mir eine hohe Affinität zur Vernetzung hervorgerufen», erklärt der Ostschweizer.
Mit dem Thema Relocation begann er sich eher zufällig auseinander zu setzen, als einer seiner Kunden von St. Gallen nach Zürich zog und er diesem an beiden Orten helfen konnte. Natürlich sei dies nicht dasselbe, wie wenn jemand von Tokio nach Zürich ziehe, so Gunzenreiner. Doch seine Neugierde sei geweckt worden. «Angesichts der Trends zu liberalisierten Arbeitsmärkten, Globalisierung und Outsourcing war ich überzeugt, dass die Betreuung von Wohnsitzwechseln ein zunehmendes Bedürfnis sein müsste. So begann ich mich mit diesem Markt auseinander zu setzen.»
Mit dem neuen Interessenfokus taten sich neue Türen auf. Eines Tages machte Gunzenreiners Schwester, die als ReMax-Maklerin in einem Immobilienunternehmen arbeitet, ihn darauf aufmerksam, dass das weltweit tätige Netzwerk auch in der Schweiz einen Relocation-Service aufbauen wolle. «Und so bewarb ich mich um die Franchiselizenz und erhielt nach einigen Verhandlungen den Zuschlag.»
Zum Zeitpunkt von Gunzenreiners Verhandlungen war auch Karl Laasner in Kontakt mit ReMax. «Nachdem ich ein Jahr Frühpensionierung hatte geniessen können, kam das Grounding der Swissair. Meine Rente blieb aus, ich musste mir wieder einen Job suchen.» Mit 58 Jahren keine einfache Sache. Für den Winterthurer ergab sich dann die Möglichkeit, bei ReMax Winterthur ins Maklergeschäft einzusteigen. Laasner merkte schnell, dass für dieses Business ein anderer Hintergrund nötig war. «Um als Makler einen guten Job zu machen, muss man lokal verankert sein. Durch meine zahlreichen jobbedingten Wohnortswechsel war ich aber ein Weltenbürger.» Der Leiter von ReMax Winterthur erkannte das Dilemma und brachte Laasner mit ReMax Relocation Europe zusammen, die einen Auftrag im Raum Zürich anstehend hatte. «Ich übernahm diesen Job und fühlte mich sofort zu Hause.»
An diesem Punkt kreuzten sich die Wege von Alois Gunzenreiner und Karl Laasner. Schnell erkannten sie, dass sie sich hervorragend ergänzten. «Unsere Zusammenarbeit basiert nicht auf einem umfangreichen Regelwerk, sondern auf Vertrauen und Kommunikation», erklärt Alois Gunzenreiner. Da stelle es auch kein Problem dar, dass zwischen ihnen über 20 Jahre Altersunterschied lägen.
Zudem war durch den beruflichen Werdegang sowie die individuellen Talente auch die Aufgabenteilung von Beginn an klar. Als «Innenminister» beziehungsweise Managing Director und Lizenznehmer zieht der Jüngere der beiden die Fäden im Hintergrund und ist für Administration, Kommunikation und Netzwerk verantwortlich. Der Ältere ist als «Aussenminister» für die Kundenpflege, die Akquisition und die Betreuung der fünf freien Mitarbeitenden zuständig. «Ich bin quasi der Dreh- und Angelpunkt bei der Auftragsausführung», umschreibt er seine Tätigkeit. Und Gunzenreiner ergänzt: «Da ich noch nie im Ausland gearbeitet habe und zudem auch noch unser familieneigenes Geschäft weiterführe und öffentliche Ämter innehabe, ist unsere Kombination optimal.»
Optimal war auch der Start der beiden Jungunternehmer. Im ersten Geschäftsjahr ist es ihnen gelungen, rund 20 Kunden an Land zu ziehen. Dazu zählen Namen wie Sulzer, Gate Gourmet oder die «Winterthur». Doch möglichst rasch eine möglichst grosse Anzahl Kunden zu haben, ist gar nicht das Ziel. «Unser Wachstum soll nachhaltig und organisch erfolgen», so Gunzenreiner. «In den ersten Monaten haben wir die Grundlagen für unsere Geschäftstätigkeit aufgebaut. Im hart umkämpften Relocation-Markt können wir uns nur durch eine perfekte Dienstleistung sowie durch absolute Seriosität differenzieren.»
Daher ist es ihnen bei der Rekrutierung von Mitarbeitenden wichtig, dass alle über Erfahrung mit dem Umzug ins Ausland verfügen und die Tätigkeit bei ReMax Relocation nicht Hauptberuf ist. «Denn wenn es uns allen unmittelbar darum ginge, nur möglichst viel Umsatz zu erzielen, wäre das der Anfang vom Ende unseres Geschäfts», ist Laasner überzeugt. Relocation ist People-Business, daher sei es das A und O, sich an den echten Bedürfnissen des Umziehenden zu orientieren. Dies ist auch der Grund, weshalb die beiden nicht über eigene Objekte verfügen, die sie vermitteln. Dadurch haben sie keinerlei Verpflichtungen und können auf die individuelle Situation der Kunden eingehen. «Vor allem in der ersten Phase des Umzuges sind wir Bezugs- und Vertrauensperson in einem. Das geht weit über Fragen rund um die neue Wohnung oder andere administrative Belange hinaus.» Dazu zählen das Training in interkulturellen Fragen, die Vermittlung von Sprachschulen, das Betreuen von Kindern und Lebenspartnern oder die Einführung ins neue Umfeld. Daher sei es auch so wichtig, dass alle Mitarbeiter selber Erfahrungen mit dem Umzug ins Ausland hätten. «Nur so können sie verstehen, dass zum Beispiel das Einkaufen in einem neuen Land eine schwierige Aufgabe sein kann.»
Zurzeit arbeiten fünf Freelancer als Registered Relocation Agents für ReMax Schweiz mit Sitz in Mogelsberg SG. Sie sind auf alle Regionen der Schweiz verteilt und knüpfen dort Kontakte zu Unternehmen. «Die regionale Verankerung ist extrem wichtig, um unsere Kunden und deren Personalabteilung optimal unterstützen zu können», erklärt Karl Laasner. «Unsere Mitarbeitenden sind in einer vertrauensvollen Position als Berater, Betreuer und Coach für die in die Schweiz kommenden ausländischen Berufsleute.» Neben Auslandserfahrung, Mehrsprachigkeit und der notwendigen Sensibilität für Probleme während einer Versetzung durchlaufen alle Mitarbeitenden firmeneigene Weiterbildungen. Diese umfassen die Ausbildung zum zertifizierten Registered Relocation Agent und in einer zusätzlichen Schulung zum Registered Relocation Professional.
Wichtig ist für die beiden Partner, dass sie zwar unter dem etablierten Brand ReMax arbeiten und durch diesen über einheitliche technische Hilfsmittel oder Weiterbildungsstandards verfügen, ansonsten aber unabhängig operieren. Dies betrifft auch das Verhältnis zwischen ReMax Immobilien und ReMax Relocation. «Ein Franchisesystem ist eine gute Plattform, um selbstständig zu agieren, doch wir kämpfen mit den gleichen Problemen wie andere Jungunternehmer», meint Gunzenreiner auf die Frage, ob Franchising die einfachere Variante der Selbstständigkeit sei.
Inhaber eines alteingesessenen Familienbetriebes und Managing Director bei einem Jungunternehmen – ist das nicht gar viel auf einmal? «Die zwei Tätigkeiten sind extrem unterschiedlich», so Gunzenreiner. «Das macht mir unglaublichen Spass und gibt mir Energie, um beides meistern zu können.»
Unternehmer zu sein, wurde dem 34-Jährigen quasi in die Wiege gelegt – Karl Laasner hingegen war 40 Jahre lang in einem Grossbetrieb angestellt. Wie kommt er mit der Selbstständigkeit zurecht? «Da ich für die Swissair verschiedene Aussenbüros auf der ganzen Welt leitete, war ich auch in meiner Zeit als Angestellter unternehmerisch tätig. Natürlich war das nicht ganz dasselbe, weil der Lohn ja einfach jeden Monat reinkam, egal wie viele Tickets wir verkauften.» Es habe ihn einfach gereizt, das Know-how, das er als langjähriger Expatriot am eigenen Leib erlebt und erlernt habe, weiterzugeben.
ReMax Relocation
Gegründet: Franchisenehmer seit 2004
Umsatz: keine Angaben
Anzahl Mitarbeitende: 2 plus 5 freie Mitarbeitende
Geschäftsleitung: Alois Gunzenreiner und Karl Laasner
Finanzierung: Eigenkapital
Geschäftsidee: Betreuung sowie Durchführung von Wohnsitzwechseln und Verlagerung von Firmen (Relocation)
Firmenphilosophie: «Vernetzung ist die Potenzierung von Stärken.»
Führungsgrundsätze: «Menschen sind wichtiger als Strategien, deshalb gilt für jede Position oder Funktion: Verantwortung erkennen, übernehmen und tragen.»
Junior Chamber
BILANZ präsentiert in jeder Ausgabe ein Beispiel von jungem Unternehmertum – in Zusammenarbeit mit der Junior Chamber Switzerland (JCS). Die Chamber ist das grösste Netzwerk von jungen Führungskräften und Unternehmern in der Schweiz. Weitere Infos und Angaben zu JCS-Veranstaltungen auf www.juniorchamber.ch.