Die Geschäftsleitung informiert die Belegschaft beim montäglichen Townhall-Meeting über einen abrupten Kurswechsel, der sei dringend nötig. Alle hören aufmerksam zu, nicken geschäftig und packen es an. Super gelaufen, findet das C-Level nach dem Meeting. Willkommen in der Welt der Artificial Harmony, würde Patrick sagen. Patrick wer?

Patrick Lencioni, der Meister der Organisationsdynamik, beschreibt in seinem Buch «The Five Dysfunctions of a Team» dieses Phänomen übertrieben konstruktiven und konformistischen Verhaltens als Illusion einer positiven Firmenkultur. Vielen scheinbar reibungslosen Entscheidungen und dem hohen Stellenwert zwischenmenschlicher Harmonie liegt jedoch oft nur eines zugrunde: die Angst vor Konflikten. Und die hat ihren Preis: HIPPOs (= Akronym für Highest Paid Person’s Opinion) werden nicht zu Ende gedacht, kontroverse Ideen hinuntergeschluckt. Faule Eier im Team können es sich richtig gemütlich machen. Kurzum: Harmonie um jeden Preis ist so nützlich wie ein Bleigürtel beim Schwimmen.

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Wenn Ihnen die folgenden Situationen bekannt vorkommen, sollten Sie dringend wieder mehr streiten im Büro:

  • Am Ende einer Präsentation stellt niemand Fragen.
  • Beschlüsse werden schnell und ohne Diskussion abgenickt, im Gang aber geht das grosse Murren los.
  • Ihre Mitarbeitenden kündigen – und Sie fallen aus allen Wolken.
  • «Konflikte sind schlecht» lautet einer der Glaubenssätze, mit denen Sie aufgewachsen sind.

Die Gastautorin

Tanja Lau ist Gründerin der Product Academy und unterstützt Firmen auf dem Weg zur schnell lernenden (Produkt-)Organisation.

Natürlich muss man jetzt nicht gerade ins andere Extrem verfallen. Mean-spirited personal attacks – gemeine persönliche Angriffe – so nennt Lencioni das rechte Ende seiner Skala. Dass diese unnötig Energie rauben und die Mitarbeitenden lähmen, ist offensichtlich. Meiner Erfahrung nach können sich viele Teams jedoch noch ein gutes Stück weiter nach rechts auf dem Konfliktkontinuum begeben, um eine gesündere Streitkultur zu pflegen. «Mining for conflict» heisst es bei Lencioni: im Konflikt den Schatz heben. Lassen Sie also Ihrem Missmut öfter freien Lauf (nach den vorher festgelegten Diskussionsregeln), fragen Sie offen nach Missständen, nehmen Sie den Fuss vom Gas bei der nächsten Entscheidungsfindung und belohnen Sie Mitarbeitende für ihren Mut, unpopuläre Meinungen zu äussern.

Und wenn ein Bewerber Sie im nächsten Jobinterview fragt: «Gibt es oft Konflikte hier?», dann nicken Sie stolz.