Die seltene Krankheit des Freundes, die Tochter, die trotz Diskalkulie den Lehrabschluss geschafft hat, die Bilder von der Velotour mit Aperol-Spritz-Pause auf dem Pass: Das Businessportal Linkedin entwickelt sich seit längerem zum Facebook der Geschäftswelt. Privates auf der Plattform preiszugeben, ist salonfähig geworden.

Besonders viele Herzchen und Daumen bekommen jene, die in intimen Posts von allerlei Lebenskrisen erzählen. Sie beginnen mit Sätzen wie «Leute, ich hatte vor einigen Jahren eine schlimme Depression» oder «Liebes Netzwerk, heute muss ich mir mal was von der Seele schreiben.» Eine von mir sehr geschätzte Berufskollegin schreibt seit Wochen über ihren Burnout und darüber, wie sie überfordert war, als sie Mutterrolle und Job unter einen Hut kriegen sollte. Man erfährt von Panikattacken, Brustentzündungen, Trennung.  

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Das Publikum beklatscht solche Beiträge gerne als «mutig», feiert sie als «Tabubruch». Aber sind sie das wirklich? Und wichtiger: Ist der Seelenstriptease auf der Plattform der eigenen beruflichen Positionierung und Ausstrahlung dienlich? Das wäre ja mitunter der Zweck von Linkedin.

Ich behaupte, nein.

Die Gastautorin

Karin Kofler ist Geschäftsführerin der Zuger Wirtschaftskammer und freischaffende Publizistin.

Sicher – die Solidarität des Publikums und die Inputs der User (in Form von Buchtipps und anderem) können kurzfristig schmeichelhaft, tröstlich und aufmerksamkeitsökonomisch interessant sein – neue Followerinnen sind programmiert. Die Burnout-Beiträge meiner Bekannten haben sogar den «Tages-Anzeiger» zu einer Story zum Thema inspiriert unter dem Titel «Ihr Burnout-Bekenntnis zeigt, woran die Arbeitswelt krankt». Gut so – das Thema verdient tatsächlich Raum.

Doch man sollte sich vom medialen Echo nicht blenden lassen. Je stärker Linkedin zur Offenbarungszone mutiert, desto rascher nutzen sich solche Posts ab.

Vor allem aber kontrastieren sie mit einer Arbeitswelt, die anders wertet als die Masse im Netz. Die Sensibilität für mentale Gesundheit ist in der Wirtschaft zwar deutlich gestiegen, und Firmen sind gefordert, mit ihren Arbeitsstrukturen Burnouts möglichst zu verhindern. Doch am Ende des Tages haben sie eine einfache Interessenlage: Sie wollen Leistung gegen Lohn.

Dieser marktwirtschaftliche und vielleicht etwas herzlos anmutende Gedanke hat mir stets geholfen, zu entscheiden, wie viel von meinen persönlichen Lebenskrisen ins berufliche Umfeld einfliessen soll – auch auf Social Media. Ist es nützlich, wenn ich im Linkedin-Feed plötzlich mit irgendwelchen «Mental Health»-Advokaten erscheine, wenn die Recruiterin mein Profil scannt? Was bewirke ich mit meiner seelischen Entblössung ausser hundert Klatschhändchen?

Mein Rat für Linkedin ist klar: Nicht zu viel Drama, bitte. Es schadet Ihrer Karriere.