Kommunikation ist nicht nur im Business-Alltag das A und O für gelingende Abläufe. Aber ganz so einfach ist das oft nicht: Meinungen und Interessen müssen ausgetauscht und abgeglichen werden, um schliesslich gemeinsame Lösungen zu finden und Visionen umzusetzen.

Ganz besonders in Pandemiezeiten, in denen diese Verhandlungen meist nur virtuell stattfinden, sind die Anforderungen an erfolgreiche Verhandlungen nochmals gestiegen. Das frisch im Basler Helbing Lichtenhahn Verlag erschienene Buch «Die Kunst der Verhandlungsführung» will hier helfen. Es vermittelt Strategien zur strukturierten Kommunikation, die sich dynamisch dem Gegenüber und der Situation anpassen – auch remote.

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Autor Lukas Wyss ist seit über 25 Jahren Rechtsanwalt, hat über 150 Prozesse vor staatlichen Gerichten und privaten Schiedsgerichten geführt. Er ist als Anwalt in Bern tätig und coacht zudem in den Bereichen Verhandlungsführung, juristisches Risikomanagement sowie Konfliktmanagement.

Nachdem sein erstes Buch «Juristisches Risk Management und Hedging als Mittel zur Risikokontrolle» (Stämpfli Verlag 2005) vor allem an Schweizer Wirtschaftsjuristen, die sich mit internationalen Transaktionen beschäftigen, gerichtet war, dürfte das frisch erschienene Werk eine breitere Zielgruppe ansprechen. Denn: «Verhandeln ist eine urmenschliche Tätigkeit», wie Wyss in der Einleitung schreibt, und zwar nicht nur vor Gericht.

Vier Fragen klären

«Wir verhandeln um Essen, Kleidung, Zuneigung und Freundschaft, über Produktpreise, Reiseangebote, Jobs und Lohn.» Und von Kindesbeinen an verhandeln wir quasi mit jedem, der uns begegnet: «Mit unseren Geschwistern, Eltern, Partnerinnen und Partnern, im privaten, geschäftlichen oder politischen Umfeld, in einfachen und komplexen Situationen.» Warum gekonnte Handlungsführung so wichtig für jedermann ist? «Unsere Stellung im sozialen, wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Umfeld wird massgeblich durch unsere Fähigkeit, zu verhandeln, bestimmt.»

Worauf es ankommt, dass Verhandlungen nicht unnötig kompliziert werden, eskalieren oder gar scheitern – das will das Sachbuch vermitteln. Gestützt sind Wyss’ Verhandlungstipps sowohl auf aktuelle Erkenntnisse der Kommunikationslehre und Verhaltenspsychologie als auch auf uralte asiatische Weisheiten und Grundsätze des Projektmanagements.

Vier Fragen gebe es zunächst zu klären, die sich in Verhandlungen immer wieder stellen.

  1. Was ist das gemeinsame Ziel?
  2. Wie erreichen wir dieses Ziel?
  3. Welche Hindernisse und Lösungen gibt es?
  4. Wann ist ein Abbruch der Verhandlungen unumgänglich und welche Alternativen gibt es?

Sehr detailreich und alle Eventualitäten im Blick geht Lukas Wyss auf psychologische und rechtliche Grundsätze ebenso ein wie auf kulturelle Aspekte bei internationalen Verhandlungen

Er beschreibt, welchen Einfluss eingespielte Denkmuster, Ängste und Hoffnungen, Druckerzeugung und Verzögerungstaktiken, Konflikte, Beziehungen und vor allem Menschenkenntnis auf den Verhandlungsprozess und -ausgang haben können. Und er betont immer wieder, wie wichtig es sei, eine klare Strategie zu haben, die einem zielgeleiteten Plan und einer dem Verhandlungsumfeld angepassten Verhaltensweise folgt.

Lohnender Wälzer

Ginge es zum Beispiel nur um die familiäre Debatte darüber, wer am Samstagabend das Familienauto nutzen darf, reiche der Grundsatz, das eigene Anliegen «der richtigen Person zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Art und Weise» vorzubringen – der Ton macht die Musik.

Sei die Tragweite grösser, sei eine bewusst gewählte Strategie gefragt, die verschiedene Interessen in Einklang bringe: Soll zum Beispiel ein Recht – wie ein Patent – gegen einen Rechtsverletzer durchgesetzt werden, wird oft hart und mit Druck verhandelt, bei einem unfair verhandelnden Gegenüber könne eine harte Strategie ebenso helfen, ihn zu einer kooperativeren Umgangsform zu bewegen.

«Unsere Stellung wird durch unsere Fähigkeit, zu verhandeln, bestimmt.»

«Teilen die Parteien dagegen eine gemeinsame Vision, (…) führt eher ein (…) kooperativer eigener Verhandlungsstil zum Erfolg.» Kreative Lösungsansätze jenseits von Schwarz-Weiss-Denken nach dem Motto «think out of the box» ergeben im besten Fall eine Win-win-Situation. Zugegeben: Wer dieses 380 Seiten dicke Werk das erste Mal in Händen hält, fühlt sich an trockene Pflichtlektüre zu Unizeiten erinnert – präzise Fussnoten, umfangreiche Literaturangaben und ein acht Seiten langes Inhaltsverzeichnis tragen dazu bei.

Doch auch wenn die Aufmachung und der stolze Preis ab 88 Franken nicht gerade Lust darauf machen, das Buch in seiner Freizeit zu lesen: Es lohnt sich! Bis auf ein paar wenige nachschlagenswerte Fremdwörter ist das Werk in Ich-Perspektive des Autors auf Augenhöhe der Leserinnen und Leser geschrieben.

Es macht mit Sätzen wie «Erfolgreiche Verhandlungsführung ist lernbar» Mut und übersetzt das komplexe Verhandlungs-Know-how eines Juristen in eine praxistaugliche Toolbox für jedermann. Natürlich haben auch die schwerfälligen Elemente ihre Daseinsberechtigung: Die Fussnoten erklären Hintergründe, die Literaturangaben machen das Geschriebene zitierbar und das grosszügige Inhaltsverzeichnis hilft bei der thematischen Orientierung – zum Beispiel, wenn man gerade in einer schwierigen Verhandlungssituation steckt und Gelesenes noch einmal nachschlagen möchte.

Aber eine etwas lesernahe und leichtfüssigere Aufmachung wäre sicher hilfreich gewesen, damit sich Berufseinsteiger und Verhandlungseinsteiger an die Lektüre trauen.

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