Die neuen Arbeitsformen rund um «New Work» weichen die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben auf. Gerade Trendformen wie der «blended lifestyle» vermischen ganz bewusst Arbeit und Freizeit. Das führt mitunter dazu, dass sich heute viele ihre Freunde im Unternehmen suchen und ihre Zeit sowohl während als auch manchmal nach der Arbeit mit ihnen verbringen. Aber können Kolleginnen wirklich auch Freundinnen sein? Das ist nicht unkompliziert und kann ins Negative umschlagen. Über die Auswirkungen und Konsequenzen wird zu wenig nachgedacht – bis es zum bösen Erwachen kommt.

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Man bedenke, dass wir uns Freunde und Freundinnen frei und gezielt aussuchen können. Arbeitskollegen und -kolleginnen hingegen nicht. Wir bilden mit ihnen keinen Freundeskreis, sondern eine Zweckgemeinschaft mit dem Ziel, die Firma vorwärtszubringen. Ausgewählt werden die Mitglieder der Firma nach fachlichen Qualifikationen, strategischen Erfordernissen und Verfügbarkeit. Die Erwartung darf nicht sein, dass man im Büroalltag mit dem besten Freund oder der besten Freundin zusammenarbeitet. Genauso wenig kann übrigens ein Vater oder eine Mutter der Freund des Kindes sein, wenn sie Familie und Erziehung ernst nehmen. Das liegt in der Natur der Sache. Das Gleiche gilt für die Arbeit: Ein kollegiales und freundliches Miteinander, das von Professionalität, Respekt und Wertschätzung geprägt ist, bringt nicht nur bessere Ergebnisse, es ist laut Untersuchungen auch hoch geschätzt. Genau das ist es, was wir für einen guten Arbeitstag brauchen – kein Best-Buddy-Verhalten.

Über die Gastautorin

Katja Unkel berät, coacht und trainiert Führungskräfte und Organisationen mit ihrer Firma Managing People.

Auch zu berücksichtigen gilt: Je mehr die Tür zu Freundschaften und somit zum Privatleben aufgemacht wird, desto grösser wird die «Arena», das Spielfeld der beruflichen Zusammenarbeit. Wer sich privat und beruflich trifft, holt sich zusätzliches Konfliktpotenzial ins Unternehmen, sobald auf der Wanderung eine Diskussion eskaliert ist oder der Ehemann der Freundin nicht mit dem eigenen Partner klarkommt.

Gerade Führungskräfte sind deshalb besser beraten, sich ihre Freundschaften ausserhalb des Unternehmens zu suchen. Das macht den Job einfacher – denn wer Freunde hat, hat Favoriten. Führungskräfte aber müssen neutral sein. Zu ihren Aufgaben gehört es, die Leistung der Angestellten zu beurteilen sowie, wenn nötig, schwierige Gespräche zu führen, Sonderaufgaben zu verteilen und Strategieentscheide zu fällen. Die korrekte Ausführung dieser Aufgaben ist gefährdet, wenn die Führungskraft mit den Teammitgliedern Freundschaften pflegt. Die notwendige Distanz für gute Entscheidungen geht verloren. Auch ist es ein Nährboden für Eifersüchteleien, Befindlichkeiten, Gerüchte über Affären und Wahrnehmungsverzerrungen: «Bei ihm sagt sie nie was, wenn er zu spät kommt, aber die sind ja auch befreundet.» Man geht wohlwollender mit Freunden um als mit Mitarbeiterinnen. Kritik- oder gar Kündigungsgespräche sind bereits herausfordernd. Jetzt stelle man sich aber vor, man muss dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin kurz vor dem geplanten Ausflug an den See oder vor dem gemeinsamen Kochkurs ein negatives Feedback geben. Das macht es schier unmöglich.

Deshalb gilt: Für eine professionelle, von Respekt und Wertschätzung getragene Kultur braucht es weder den Anspruch noch das Gleichnis mit der Freundschaft. Freundschaften im Büro verzerren und führen oft das Gegenteil herbei, nämlich mehr Konflikte und Enttäuschungen. Es ist Vorsicht geboten.