Es gebe drei Anzeichen dafür, dass man eine berufliche Weiterbildung machen sollte, sagt Benjamin Vidas, Mitgründer von Eduwo.ch, einer schweizerischen Plattform für den Erfahrungsaustausch zu Studium, Ausbildung und Weiterbildung. «Das erste Anzeichen ist Langeweile im Job. Das zweite Anzeichen gibt einem die Branchenentwicklung. Wer sich fragen muss, ob es aufgrund der dynamischen Marktsituation den eigenen Job in zwanzig Jahren noch gibt, könnte sich vermutlich überlegen, sich weiterzubilden. Und das dritte Anzeichen ist das Gefühl, den Job gut, aber noch nicht herausragend machen zu können.» Dann fehle es möglicherweise an Know-how und an Fähigkeiten, mit denen die tägliche Arbeit besser ausgeführt werden kann.
Wichtig: Frühwarnsignale erkennen
«Wenn man motiviert – oder dazu gezwungen – ist, sich beruflich weiterzuentwickeln, neue Aufgaben oder Funktionen zu übernehmen oder sich beruflich ganz neu zu orientieren, sollte man sich fragen, welche Kompetenzen für diesen Entwicklungsschritt notwendig sind und inwiefern man bereits darüber verfügt», sagt Irena Sgier vom Schweizerischen Verband für Weiterbildung (SVEB). Und auch Veränderungen bei den individuellen Anforderungen am Arbeitsplatz seien wichtige Anzeichen dafür, dass eine Weiterbildung erforderlich ist, um die Arbeitsmarktfähigkeit zu behalten.
«Diese Marktfähigkeit ist generell wohl einer der häufigsten Treiber für Weiterbildungen sowohl aus Sicht von Mitarbeitenden wie auch aus Sicht von Unternehmen», meint Alain Bertallo, Head Talent Management & Development bei PwC Schweiz. «Grundsätzlich lernen wir alle am meisten, wenn wir ‹on the job› gefordert werden, uns mit neuen Themen auseinanderzusetzen, und diese zu bewältigen lernen. Am zweitmeisten lernen wir von anderen.»
«Die Frage nach der Weiterbildung sollte sich zudem jeder stellen, der seit zehn Jahren keine grössere Weiterbildung mit Zertifikat abgeschlossen hat», ergänzt Roland Stäheli, Leiter der Swissmem Academy. «Es ist wichtig, dass jeder Mitarbeiter, jede Mitarbeiterin diese Themenfelder im jährlichen Beurteilungs- beziehungsweise Entwicklungsgespräch anspricht.»
Aus solchen Gesprächen kommen wichtige weitere Signale. «Wenn grössere Veränderungen im Gang sind, ist damit zu rechnen, dass sich über kurz oder lang auch die Anforderungen an die Arbeitnehmenden verändern», sagt Sgier. «In einer Welt, die sich konstant stark verändert, sind diejenigen im Vorteil, die sich rasch, agil und kontinuierlich an neue Bedürfnisse anpassen können», beschreibt Bertallo die Aussichten. «Ein Beispiel dafür ist die fortschreitende Digitalisierung, die komplett andere Fähigkeiten von Berufstätigen erfordert.»
«Erfahrene sollten sich neue, zeitgemässe Skills aneignen, um im Job fit zu bleiben.»
«Während es bei jüngeren Menschen tendenziell eher um eine intensivere und umfangreichere Aus- oder Weiterbildung geht, sollten sich ältere und erfahrene Menschen tendenziell eher neue, zeitgemässe Skills aneignen oder auffrischen, um im Job fit zu bleiben», ergänzt Vidas.
Kollegen, persönliche Empfehlungen
Heutzutage sind laut Vidas sehr viele Informationen und Beratungsangebote im Internet verfügbar. Zum Beispiel über die Google-Suche oder das Bildungsportal Eduwo.ch. «Wer sich lieber vor Ort beraten lässt, kann sich aber auch an die klassischen Beratungsstellen von kantonalen Berufsinformationszentren oder an einen der vielen privaten Laufbahnberater wenden», so Vidas.
Irena Sgier verweist auf die öffentlichen Berufsinformationszentren (BIZ), die Informationen zur Verfügung stellen und Beratungen anbieten, teilweise kostenlos (oder zumindest ist oft eine Erstberatung kostenlos, gerade auch bei Wohnsitz im gleichen Kanton). «Es lohnt sich auch abzuklären, ob es innerhalb der eigenen Branche spezifische Beratungsmöglichkeiten gibt. Entsprechende Informationen sind zum Beispiel über Berufsverbände erhältlich.»
«Nicht selten sind aber auch Gespräche mit Arbeitskolleginnen und -kollegen aus ähnlichen Fachgebieten sehr wertvoll, um sich einen relevanten ersten Überblick über hilfreiche oder erforderliche Weiterbildungsangebote zu verschaffen», weiss PwC-Experte Bertallo. «Persönliche Empfehlungen sind auch da sehr wertvoll, um das passende Angebot zu finden.»
Arbeitgeber finanzieren mit
«Die erste Anlaufstelle ist stets das eigene Unternehmen», ergänzt Stäheli. Viele Firmen beteiligten sich an Weiterbildungskosten, wenn es dem eigenen Betrieb Vorteile bringe. Weiterbildungen der höheren Berufsbildung werden vom Bund mit 50 Prozent der gesamten Kurskosten subventioniert. Für Umschulungen in der MEM-Branche besteht laut Stäheli zudem die MEM-Passerelle.
Die Finanzierung einer Weiterbildung ist immer ein Thema. Ein Grossteil der berufsorientierten Weiterbildung wird von den Arbeitgebern (mit-)finanziert. Es empfiehlt sich laut Sgier, beim Arbeitgeber nachzufragen und auch abzuklären, ob es im Betrieb eine Weiterbildungsregelung gibt.
«Auf der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten kann man sich ebenfalls von Berufs- und Laufbahnberatungen oder Weiterbildungsanbietern beraten lassen.» Vidas verweist auf die Bildungsdarlehen, die von Organisationen wie Educa Swiss nach Erfüllung gewisser Kriterien gewährt werden. Ebenfalls könnten Bildungskredite von Unternehmen wie Splendit, Bob oder auch von der Migros Bank infrage kommen. «Wer Hilfe bei der Finanzierung einer Weiterbildung braucht, kann auch bei Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten finanzielle Unterstützung finden», so Vidas.
WACHSTUMSBRANCHE: Vorausschauen
Horizonterweiterung In einer aufstrebenden Branche stehen laut PwC-Experte Alain Bertallo nicht Ausbildungen im Vordergrund, sondern die Möglichkeiten, neuartige Arbeitserfahrungen zu gewinnen. «Zielstrebige Menschen werden versuchen, sich für Verantwortlichkeiten in besonders strategischen oder innovativen Projekten anzubieten», so Bertallo. «Genau diese Erfahrungen werden auf dem Markt später nachgefragt werden und den Weg in interessante (Kader-)Positionen ebnen.» Aufstrebende Branchen benötigen laut Benjamin Vidas, Co-Founder von Eduwo.ch, Fachkräfte mit innovativen Ansätzen, agiler Denkweise, Methoden, Know-how und so weiter. «Für Arbeitnehmende in aufstrebenden Branchen lohnt es sich deshalb, sich vorausschauend weiterzubilden. Was dort immer gefragt ist, sind Fähigkeiten in den Bereichen Leadership, Management, Strategie und Innovation.»
JÜNGERE (UNTER 35): Nachweise sammeln
Fokus Bei unter 35-Jährigen stehen meist der Aufbau und die Erweiterung von Kompetenzen und beruflichen Optionen im Zentrum. «Später verschiebt sich der Fokus in Richtung Spezialisierung und Vertiefung von Kompetenzen», sagt Irena Sgier vom Schweizerischen Verband für Weiterbildung (SVEB). Tendenziell streben jüngere Personen laut Roland Stäheli, Leiter der Swissmem Academy, eher umfangreiche Ausbildungen mit offiziellen Abschlüssen an. «Es nützt auf der Jobsuche nichts, nur über gute Arbeitszeugnisse zu verfügen, wenn der Nachweis für Weiterbildung fehlt.»
ÄLTERE (ÜBER 50): Anlässe besuchen
Netzwerken «Während jüngere Mitarbeitende oft mehr Bedarf haben, sich über formelle Ausbildungen an noch mangelnde berufliche Erfahrungen heranzutasten, ist es für erfahrenere Mitarbeitende oft gewinnbringender, sich über Netzwerkanlässe, eigene Recherchen, Berufsmessen und Kongresse auf dem neusten Stand zu halten», sagt PwC-Experte Alain Bertallo. «Die wichtigsten Lernerfahrungen bleiben, neue Aufgaben zu übernehmen, auf einem Projekt in einem neuen Sachgebiet zu arbeiten oder mit einer schwierigen Situation konfrontiert zu sein, die es zu bewältigen gilt. Nicht zu unterschätzen ist der regelmässige Austausch mit Kolleginnen und Kollegen über Fachbereiche oder sogar Firmen hinweg.»
SELBSTSTÄNDIGE: Erfas beitreten
Initiative «Selbstständige haben oft keine Zeit für Weiterbildungen», sagt Roland Stäheli, Leiter der Swissmem Academy. «Das ist ein Risiko. Denn auch für Selbstständige gilt das Erfordernis des lebenslangen Lernens.» Selbstständige sollten zumindest an Erfas (Erfahrungsaustauschgruppen) teilnehmen und Seminare zu relevanten Themen besuchen. Bei Selbstständigen fehlt laut Sgier die Arbeitgeberunterstützung, das heisst, die regelmässige Standortbestimmung, wie sie in Mitarbeitendengesprächen stattfinden (sollte), und die finanzielle Beteiligung des Arbeitgebers an Weiterbildungen. «Entsprechend wichtig ist hier, selbst regelmässige Standortbestimmungen vorzunehmen, die Entwicklung der Branche zu beobachten und sich im eigenen Netzwerk umzuhören.»
ABSTEIGERBRANCHE: Transversalwissen
Umschulung Wer in einer solchen Situation sei, solle sich frühzeitig überlegen, ob ein Branchenwechsel Sinn macht, sagt Benjamin Vidas von Eduwo.ch. Eine Weiterbildung oder auch eine Umschulung könnten dazu in Betracht gezogen werden. «Allenfalls gibt es in einer anderen Branche auch ähnliche Jobprofile», so Vidas. «In diesem Fall kann es auch ausreichen, sich das entsprechende Branchenwissen neu anzueignen.» Im Fall der absteigenden Branchen ist es laut Irena Sgier vom Schweizerischen Verband für Weiterbildung (SVEB) wichtig, festzustellen, welches Wissen und welche Fähigkeiten auch in anderen Branchen gefragt sind. «Transversale Kompetenzen gewinnen auf dem Arbeitsmarkt generell an Bedeutung», so Sgier. «Es lohnt sich besonders, diese Kompetenzen zu stärken, wenn man einen Umstieg in ein anderes Berufsfeld oder in eine völlig andere Branche plant.»