Seine Nachfolgerin Ilaria Resta ist nach ihrer Ernennung im Mai mittlerweile in Le Brassus angekommen. Noch aber gibt der langjährige Chef François-Henry Bennahmias bei Audemars Piguet den Ton an. Und wie!
In einem Interview mit «Bloomberg» sagte Bennahmias, dass die Verkäufe der Schweizer Luxusuhrenmarke im Jahr 2023 auf einen weiteren Rekord zusteuern. Konkret stellt er ein zweistelliges Wachstum in Aussicht und rechnet mit einem Jahresumsatz von 2,4 Milliarden Franken. «Ende Juli hatten wir den niedrigsten Lagerbestand aller Zeiten», so Bennahmias. Er glaubt, mit diesem Wachstum schneller und stärker unterwegs zu sein als der Gesamtmarkt.
Wird AP Omega gefährlich?
Mit 2,4 Milliarden Franken kommt AP, aktuell die viertgrösste Uhrenmarke der Schweiz, Omega gefährlich nahe. Omega ist die Nummer 3 mit 2,47 Milliarden Franken Umsatz im Jahr 2022. Unwahrscheinlich ist daher, dass AP Omega schon 2023 überholt. Aber: Zuletzt ist die Marke immer stärker gewachsen als das grösste Schlachtross der Swatch Group. Und Anzeichen, dass die ändern könnte, sind derzeit keine auszumachen. Will heissen: Schon 2024 könnte AP an Omega vorbei ziehen.
Audemars Piguet ist Mitglied der sogenannten «heiligen Dreifaltigkeit» der Schweizer Uhrenindustrie, die für die Herstellung hochkomplizierter und sorgfältig gefertigter Zeitmesser bekannt ist und zu der auch Patek Philippe und Vacheron Constantin gehören. AP produziert jährlich etwa 50’000 Uhren zu einem Durchschnittspreis von etwa 50’000 Franken pro Stück. Verkauft werden die Uhren praktisch ausschliesslich über eigene Läden.
Mit 50'000 Uhren zu 50'000 Franken pro Stück ist aber einer wie Bennahmias natürlich nicht zufrieden. Eben erst hat die Marke den Spatenstich für eine neue Fabrik bekannt gegeben. Der Standort liegt in Meyrin bei Genf, wo auch andere Uhrenmarken produzieren. Die neue Fabrik erlaubt es Audemars Piguet, die Stückzahlen auf 60'000 Uhren pro Jahr auszubauen. Und auch die Preise will Bennahmias pro Jahr um zwei bis drei Prozent anheben.
Das Projekt, das voraussichtlich Ende 2025 abgeschlossen sein wird, umfasst die Restaurierung eines historischen Gebäudes und den Bau eines neuen Gebäudes. Letztlich sollen hier 350 Mitarbeiter tätig sein.
Bennahmias mahnt zur Vorsicht
Trotz der Rekordumsätze sieht der in Frankreich geborene ehemalige Profigolfer Bennahmias Gründe zur Vorsicht. Die Stärke von Audemars Piguet «bedeutet nicht, dass die Welt nicht in eine etwas unruhigere Zeit gehen könnte», sagte er. «Ich glaube nicht, dass wir derzeit absolut optimistisch sind.»
Er verwies auf die sich verlangsamende Weltwirtschaft, Russlands Krieg gegen die Ukraine und die Herausforderungen in China, wo der Aufschwung nach Corona schwächer ausfiel als erwartet. Hinzu komme, dass die Preise für gebrauchte Modelle nach einem Anstieg während der Pandemie gefallen sind.
Tatsächlich sind die Preis gebrauchter AP-Uhren gemäss einem von Watchcharts zusammengestellten Index innerhalb eines Jahres um fast 20 Prozent und innerhalb von sechs Monaten um 8,8 Prozent gesunken. Dennoch erzielen mehr als drei Viertel der Gebrauchtmodelle der Marke nach wie vor Preise, die über dem Ladenpreis liegen.
Noch kein Versicherungsfall
Als Reaktion auf die zunehmenden Uhrendiebstähle startete die Marke Anfang des Jahres ein einzigartiges Programm, das den Käufern ihrer Uhren aus den Jahren 2022 und 2023 einen Ersatz oder eine Rückerstattung garantiert, falls die Zeitmesser gestohlen werden.
Obwohl dieser Service zu Versicherungskosten in Millionenhöhe geführt habe, wurde die Marke noch nicht mit einem Schadensfall wegen einer gestohlenen oder beschädigten Uhr konfrontiert, so Bennahmias.
Wartelisten bleiben
Trotz höherer Produktion brauchen AP-Kunden Geduld. Sie finden sich zunächst auf Wartelisten wieder. Audemars Piguet stellt maximal 1450 Stück jeder Modellreferenz pro Jahr her und nur 1000 der begehrtesten Modelle, wie die Royal Oak Jumbo mit blauem Zifferblatt, so Bennahmias.
Immerhin scheint sich AP von der Abhängigkeit des Star-Modells Royal Oak lösen zu können. Die Modellreihe Code 11:59 – eine 2019 eingeführte Linie, die in der Sammlergemeinde zunächst für Unstimmigkeiten sorgte – mache heute fast 15 Prozent des Umsatzes aus, sagte Bennahmias. Die Linie sei auf dem besten Weg, bis 2025 einen Umsatzanteil von 20 Prozent zu erreichen und die Abhängigkeit der Marke von der Royal Oak zu verringern.
(mit Material von Bloomberg/spi)