An der LVMH Watch Week in Miami gab es nicht nur zahlreiche neue Uhren zu entdecken, sondern auch ein neues Gesicht: Benoit de Clerck, der neue CEO von Zenith, lud zum Interview ein. Es gab bedeutend mehr Fragen als Antworten, was recht sympathisch, gar vornehm wirkte, schliesslich hatte er ja gerade erst Platz genommen auf dem Chefsessel, auf dem sein Vorgänger, Julien Tornare, fast sieben Jahre lang sass. Dass de Clerck diese Zurückhaltung dereinst ablegen wird, scheint indes gesichert: Allein seine Antwort auf die Frage, warum er den CEO-Posten bei Zenith angetreten habe, lässt vermuten, dass er nicht zu der Sorte Manager gehört, die sich für geschmeidige Antworten hintersinnen …

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Herr de Clerck …

Bitte nennen Sie mich Ben.

Okay, Ben, was hat Sie dazu veranlasst, nach 23 Jahren bei Richemont zur Konkurrenz, zu LVMH, zu wechseln?

Ich wünschte mir schon seit einiger Zeit einen 360-Grad-Job.

Heisst, Sie wollten Boss werden?

Ja. Bei Panerai war ich im Wesentlichen für Sales zuständig. Ich wollte eine umfassendere, globale Rolle. Nun bin ich für alles verantwortlich, für den Verkauf, das Marketing, die Manufaktur, das Personalwesen, das Produkt. 

Benoit de Clerck

De Clerck, gebürtiger Belgier, ist seit 25 Jahren in der Uhrenindustrie. Angefangen hatte er als Regional Managing Director von TAG Heuer im Nahen Osten. Das war 1999, im Jahr, als die französische LVMH die Uhrenmarke akquirierte. De Clerck wechselte daraufhin zu Richemont, war unter anderem in verschiedenen Funktionen bei IWC und am Schluss als Chief Commerical Officer die Nummer zwei bei Panerai. Der 55-Jährige ist Vater von drei jungen Erwachsenen, lebt mit seiner Familie in Genf und verbringt nun «drei, vier Tage pro Woche» in Le Locle.

Das trauen Sie sich zu.

Ich habe in den letzten 25 Jahren sehr viel gelernt. Natürlich gehe ich ein Risiko ein, aber es ist genau das, was ich wollte: Dirigent sein. 

Von welchem Risiko sprechen Sie?

Ich war bei Richemont in einer Art Komfortzone und spreche vom potenziellen Risiko, das in allem und insbesondere in jeder Veränderung steckt. 

Sie übernahmen den Platz von Julien Tornare, der nun TAG Heuer dirigiert. Er war bei Zenith sehr beliebt und machte zudem einen guten Job.

Stimmt. Ich erbe eine wirklich fokussierte Marke plus eine vollständig integrierte Manufaktur. Und ich komme genau zum richtigen Zeitpunkt. Er hat die Marke aufgeweckt, und wir werden sie zum Laufen bringen. 

Können Sie das ein wenig konkretisieren?

Dazu ist es noch zu früh, ich habe ja erst gerade angefangen. Auch möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Urteile fällen, keine Pflöcke einschlagen und auch noch nichts entscheiden. Ich entdecke Zenith. Ich bin der CEO, muss alles sehen, alles wissen. Derzeit bin ich wie ein Schwamm, sauge alles auf. Ich befinde mich im «Lernen und zuhören»-Modus und werde mir dafür die Zeit nehmen, die ich brauche, bevor ich damit anfange, mich einzubringen.

Schön, wenn Sie diese Zeit haben. Haben Sie sie?

Bei LVMH wird langfristig gedacht und gehandelt. Und Zenith wird nächstes Jahr 160 Jahre alt. Es gibt Länder, die jünger sind! Die Manufaktur hat sich in 160 Jahren nicht bewegt, sie ist immer am selben Ort geblieben. Kontinuität ist für die Marke wichtig. 

Die Zenith Triple Calendar.

Die Zenith Triple Calendar in Blau.

Quelle: ZVG

Mit einem neuen CEO ist diese nicht zwangsläufig gesichert. Wie bringen Sie die Leute hinter sich?

Wir werden sehen, wie ich es machen werde. Ich kenne Julien schon lange, wir verstehen uns gut. Aber klar, ich bin anders als er, denke aber, ich habe Qualitäten, die seine gut ergänzen und die nun für Zenith richtig sind. Ich wollte CEO werden, will die Verantwortung, werde eines Tages auch meine persönliche Note einbringen können.

Mit Ihnen übernimmt ein Sales-Profi das Zepter. Wie würden Sie dies interpretieren? 

Mein Vertriebs-Know-how ist sicher eine meiner Stärken. Meine Mission ist es, die positive Entwicklung von Zenith der vergangenen Jahre auf globaler Ebene weiterzuführen.

Panerai ist eine kleine Marke, Zenith ist auch nicht gross. Andere Gemeinsamkeiten?

Heute haben wir bei Zenith die vier Säulen Defy, Chronomaster, Pilot und Elite, bei Panerai gibt es zwei, Luminor und Radiomir. Beide Marken haben vergleichsweise wenig Referenzen, haben ein sehr klares Profil, sind exklusiv – und ihre Sammler sind echte Hardcore-Fans.

Welches ist Ihre erste grosse Herausforderung bei Zenith? 

Wie gesagt, so weit bin ich noch nicht. Ich lerne die Menschen hier kennen, entdecke die Manufaktur. Einige Energie stecke ich auch in die bevorstehende Watches & Wonders, hatte bereits drei Treffen, um unser Setting so anpassen zu können, wie es mir gefällt. 

Sie rapportieren nun an den 29-jährigen Frédéric Arnault, neu Chef der LVMH-Uhrendivision und Verwaltungsrat von LVMH. Wie ist das?

Bisher war es sehr pragmatisch und produktiv. Er ist sehr engagiert, klug und zielstrebig. Ich schätze seine Meinung sehr und empfinde die Zusammenarbeit als Bereicherung. Frédéric hat bei TAG Heuer Wunder vollbracht und wird uns sehr dabei helfen, die Marke weiterzuentwickeln.

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