Trägt man den Namen Arnault, ist das Privileg und Last zugleich. Privileg natürlich deshalb, weil man zur Familie des aktuell zweitreichsten Menschen der Welt gehört. Keines der fünf Kinder von Bernard Arnault, des unumstrittenen Königs des Luxus, muss sich je finanzielle Sorgen machen. Nicht bei einem Vermögen von rund 150 Milliarden Dollar.

Doch der Name Arnault ist eben auch eine Last. Weil man zunächst immer erst der Sohn von oder die Tochter von ist. Schlimmer noch: Erbe oder Erbin. Aus dem Schatten des Vaters, des Masterminds von LVMH, zu treten, fällt da schwer. Eigene Spuren zu hinterlassen, noch schwerer.

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Doch genau das ist es, was Jean Arnault vorhat. Der mit 23 Jahren jüngste Spross der Dynastie arbeitet bereits an seinem Vermächtnis, seinem eigenen Ding. Er will seine Spuren nicht in Paris hinterlassen, sondern in der Schweiz. In der Schweizer Horlogerie, in der Haute Horlogerie. Und er tut es, wie es für seine Generation üblich ist: als Collab.

Die Ellipsocurvex Papillon von Daniel Roth.

Eine Ellipsocurvex Papillon von Daniel Roth: Eigenständige Formensprache.

Quelle: watchtime.net

Die Renaissance der Uhrenmarke Daniel Roth

Konkret plant Arnault die Wiederbelebung der weitgehend in Vergessenheit geratenen Marke Daniel Roth. Sie sorgte in den 1990er Jahren mit aussergewöhnlich gestalteten, technisch ausgereiften Zeitmessern für einiges Aufsehen, kam aber kommerziell nicht über die Nische hinaus. Im Jahr 2000 wurde die Marke von Bulgari übernommen und fristet dort seither ein Schattendasein. Zu sehr ist der LVMH-eigene Edeljuwelier auf seine Schmuckpreziosen und seine eigenen Uhrenikonen fokussiert, als dass er noch viel Energie und Ressourcen auf seine Zweitmarke Gérald Genta oder eben die Drittmarke Daniel Roth verwenden könnte.

Klar ist: LVMH weiss – siehe Tiffany –, wie man eine schlummernde Marke revitalisiert und verjüngt. Und klar ist auch: Die Marke Daniel Roth hat Potenzial. Weil sie Geschichte hat. Und weil sie eine eigenständige, wiedererkennbare und hochstehende Formensprache entwickelt hat.

Das Idol Abraham-Louis Breguet

Der nahe Genf in Frankreich geborene Daniel Roth war ein Verehrer von Abraham-Louis Breguet und nahm sich schon als Jugendlicher vor, in die Fussstapfen des grossen Uhrmachers zu treten. Nach der Ausbildung an der Uhrmacherschule von Le Sentier im Vallée de Joux arbeitete er für Jaeger-LeCoultre, Audemars Piguet und Chaumet. In den 1970er Jahren spielte er eine entscheidende Rolle bei der Renaissance von Breguet und lancierte 1988 sein eigenes Unternehmen. Roth gilt bis heute als äusserst talentierter und passionierter Uhrmacher, der für vermögende Kunden und Kundinnen Uhrenunikate herstellt.

Details zu seinen Plänen mit Daniel Roth verrät Arnault natürlich nicht. Ob wir Uhren im typischen Roth-Stil sehen werden (Bild oben) oder doch eher Weiterentwicklungen sportlicher Zeitmesser, wie sie Roth für Bulgari gestaltete (Bild unten), muss also offenbleiben. In der «Financial Times» verspricht Arnault aber einiges: «Das nächste Jahr wird interessant werden.»

Eine Bulgari Endurer Chronosprint von Daniel Roth.

Daniel Roth kann auch sportlich: eine Bulgari Endurer Chronosprint von Daniel Roth.

Quelle: balticwatches.com

Bemerkenswert sind Arnaults Ambitionen so oder so. Schliesslich arbeitet er erst seit knapp zwei Jahren in der Uhrensparte der LVMH-Megamarke Louis Vuitton. Dort ist der MIT-Finanzmathematiker für das Marketing und das Businessdevelopment zuständig. Und findet offenbar Zeit, sich daneben noch mit anderen Marken zu beschäftigen, obwohl auch Louis Vuitton in der Uhrmacherei viel vorhat, notabene mit mechanischen Zeitmessern und mit luxuriösen Smartwatches.

Immerhin hat er mit Bruder Frédéric Arnault – er ist Chef von TAG Heuer – ein Vorbild in der Branche, das bereits gezeigt hat, dass man in der oft trägen Schweizer Uhrenindustrie mit jugendlicher Energie, viel Respekt vor Traditionen und mit dem Rückhalt des obersten Chefs der Gruppe viel erreichen kann.