Longines buhlt in jüngster Zeit mit dem Aufwecken alter Modelle um Aufmerksamkeit. Und hat damit Erfolg: Vintage ist Zeitgeist, und die Archive der Uhrenmarke aus St-Imier sind voll von einst bahnbrechender Uhrmacherei. Last but not least: Das Preis-Leistungs-Verhältnis dieser technisch völlig überarbeiteten Neuauflagen ist vergleichsweise grossartig. Wir haben uns mit dem CEO Matthias Breschan unterhalten, im Nachgang zur Lancierung der neusten Alten, der Spirit Flyback. Und weil sie so schön ist, werfen wir am Schluss noch einen Blick auf die Retro-Kollektion.
Herr Breschan, wie haben die vergangenen drei Jahre Longines verändert?
Die letzten drei Jahre waren sehr kompliziert, die Branche und auch wir haben das aber sehr gut überstanden. Unser erklärtes Ziel für 2023 heisst, ein historisches Rekordjahr zu erzielen.
Ein Viertel ist schon vorbei. Realistisch?
Wir erhalten jeden Tag die Sell-out-Zahlen unserer Boutiquen. Die sind ein super Indikator – und sehen sehr gut aus.
Vorlage: 1935
Gehäuse: Edelstahl, 42 mm
Kaliber: L791.4, COSC-zertifiziert, 68 h Gangreserve
Extras: Chronograph, Siliziumfeder,
Armband: Edelstahl, Leder, Textil, NATO
Preis: 4200 Franken
Longines und China waren jahrelang eine Erfolgsgeschichte. Wie hat sich das entwickelt in jüngster Vergangenheit?
Die USA haben China den Rang als grösster Uhrenmarkt wieder abgelaufen. Wobei es vermutlich nur eine Frage der Zeit ist, bis sich Chinas Wirtschaft erholt haben wird. Dort ist das Potenzial für uns ja riesig. Es gibt Dutzende von Millionen Menschen, die in einem Aufschwung in die Mittelklasse aufsteigen und damit Zugang zu Luxusuhren haben. Das wird für uns sehr gut sein.
Die Pandemie hat Longines hart getroffen?
Wir haben uns vor der Pandemie vielleicht etwas zu stark auf China konzentriert und auf touristische Käufe verlassen, die hier auch sehr gross waren. Das hat mitunter dazu geführt, dass die Händler vor allem an Kollektionen interessiert waren, die für Touristen bestimmt waren, die die Schweizer aber nicht sonderlich interessieren. Das war ein Fehler, und wir haben daraus gelernt, dass der einheimische Kunde Priorität haben muss. Wir haben daher sowohl das Kollektionsmanagement an diesen Verkaufspunkten als auch die Neuheiten angepasst.
Sonstige Learnings?
Der Vintage-Trend hatte schon vor der Pandemie angezogen. Insbesondere bei jungen Leuten haben Vintage-Uhren in letzter Zeit enorm an Zuspruch gewonnen. Ich sehe da einen engen Zusammenhang mit der Tatsache, dass die Krise eine destabilisierende Zeit war mit viel Unsicherheit. Da wuchs der Wunsch, wieder starke Wurzeln zu finden, etwas mit Bestand aus der Vergangenheit. Kommt dazu, dass Uhren sehr nachhaltige Produkte sind. Wer heute eine mechanische Uhr kauft, kann damit rechnen, dass sie wahrscheinlich älter wird als er selber. Nachhaltigkeit plus der starke Bezug zur Vergangenheit haben Uhren zu etwas wirklich Interessantem gemacht.
Vorlage: 1930er
Gehäuse: Edelstahl, 42 mm
Kaliber: L844, COSC-zertifiziert, 72 h Gangreserve
Extras: GMT-Funktion, Siliziumfeder, drehbare Lünette
Armband: Leder oder Edelstahl
Preis: 2950 oder 2850 Franken
Longines spielt diesen Ball hoch, huldigt dem Vintage-Trend und bringt ein Remake nach dem anderen heraus, spricht von einer Hommage an die Vergangenheit. Warum dieser Fokus?
Weil wir das authentisch machen können. Zahlreiche Pioniere haben sich bei ihren Reisen und Abenteuern auf Longines verlassen, zu Land, auf dem Wasser und in der Luft. Wir haben eine sehr reiche Geschichte – und eine lückenlose Aufzeichnung seit 1867. Heisst: Wir haben jede Seriennummer, wissen, wann welche Uhren produziert und an wen sie verkauft worden sind.
Ideale Voraussetzungen, um ins CPO-Geschäft einzusteigen.
Das werden wir nicht tun. Was wir aber machen: Wir öffnen die Uhren, die uns Leute schicken, schauen alles an und stellen – falls authentisch – auch ein entsprechendes Zertifikat aus.
Und wenn nicht?
Wir besitzen einen sehr grossen Stock an Komponenten und können teils auch sehr alte Uhren mit Originalkomponenten restaurieren. Das ist super.
Man schickt Ihnen Uhren zu?
Ja, aus ganz verschiedenen Gründen. Zudem machen wir oft internationale Aufrufe mit Fragen wie «Wer hat die älteste Longines?». Da entdecken wir selbst immer wieder sehr interessante Sachen – und grosse Überraschungen. Das war bei der GMT-Funktion so. Die erste Armbanduhr mit der zweiten Zeitzone datiert von 1925. Die Funktion selber ist weit älter. Gemäss Aufzeichnungen hatte der Sultan von Istanbul 1908 bei uns eine Taschenuhr mit zwei Zeitzonen angefragt – und bestellt. Nun erhielten wir vor ein paar Wochen eine Taschenuhr mit zwei Zeitzonen zur Restauration zugesandt, von der wir davon ausgehen können, dass sie sogar bereits vor 1867 entwickelt worden ist mit zwei Zeitzonen.
Ihr Archiv – Ihr Schatz?
Die riesige Geschichte der Marke fasziniert mich enorm. Das Storytelling zu den Uhren ist authentisch, nichts erfunden, nichts nicht belegt.
Das neuste Modell mit historischem Background ist die Flyback. Die Story dazu?
Die Flyback-Funktion wurde von Longines erfunden und 1935 zum Patent angemeldet. Wir wissen aufgrund unseres Archivs, dass wir 1925 schon Uhren mit dieser Komplikation ausgeliefert haben. Und es ist sogar möglich, dass die Geschichte noch weiter zurückreicht. Wir finden jedenfalls immer wieder solche neuen Tatsachen heraus, wenn wir Uhren zugeschickt bekommen.
Vorlage: 1935
Gehäuse: Edelstahl, 43 mm
Kaliber: L893.6, COSC-zertifiziert, 72 h Gangreserve
Extras: Siliziumfeder, bis 10 bar wasserdicht
Armband: Stoff oder Leder
Preis: 3500 Franken
Vom Design her sehen die Uhren aus wie die Originale. Was machen sie besser?
Die Uhren, die wir jetzt herausbringen, sind State of the Art in Sachen Technologie, werden technisch komplett überarbeitet. Stichworte dazu sind Siliziumspirale und antimagnetische Materialien, was sehr wichtig ist in der heutigen Zeit. Alle Uhrwerke sind als Chronometer zeritifiziert, sprich hochpräzise.
Wie viele Referenzen bringen Sie neu heraus?
2023 rund 50. Wobei nicht alle Referenzen in allen Märkten lanciert werden. Insgesamt haben wir die einst 1500 Referenzen auf unter 800 reduziert, um das Profil jeder Kollektion zu schärfen.
Von Ihnen stammt der Satz «Wir sagen nicht mehr Damenuhren, sondern Uhren für Damen». Was ist der Unterschied?
Wissen Sie, eigentlich könnte man auf den Zusatz ja ganz verzichten, da sich in der Realität die Trennung auflöst: Die Spirit 37 mm zum Beispiel wird von gleich vielen Männern wie Frauen gekauft. Und die Majetek mit 43-mm-Gehäuse von vielen Frauen. Uhren werden ageless und genderless. Einer der Hauptgründe, warum man «Damenuhr oder Uhr für Damen» nicht abschafft, ist das Internet: Die meistgesuchten Terms auf Google-Search sind «Damenuhren» und «Herrenuhren». Wenn man auf der eigenen Website keine solche Referenz mehr hat, taucht man auch nicht auf im Google-Ranking.
Vorlage: 1968
Gehäuse: Edelstahl, 43 mm
Kaliber: L836, zertifiziert als «Ultra Chronometer», 52 h Gangreserve
Extras: Siliziumfeder, bis 30 bar wasserdicht
Armband: Stahl oder Leder
Preis: 3400 oder 3100 Franken