Nein, so viel Frechheit traue ich dem Metro-Management nicht zu. Zumal die Anleger kein derart kurzes Gedächtnis haben. Doch der Reihe nach: Vergangenen Sommer meldete der deutsche Handelsriese Metro – unter dem Dach des Konzerns gruppieren sich Kaufhof, Media-Markt, Saturn, Cash & Carry, Real, Extra und Praktiker –, für die Baumarktkette Praktiker würden Optionen geprüft, so der Verkauf oder ein Börsengang. Praktiker schrieb jahrelang schwere Verluste, 2004 hat sich die Situation etwas entspannt; bei drei Milliarden Euro Umsatz blieben magere 59 Millionen als operativer Gewinn hängen.

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Jüngst schrieben die Medien, das Going-public für Praktiker sei auf Anfang Dezember terminiert, Metro erwarte daraus 700 Millionen Euro Cash. Nur hat Metro die Baumarktkette schon einmal, nämlich in der ersten Hälfte der neunzigerJahre, an die Börse gebracht! Nachdem die Kurse in den Keller abgesackt waren, wurden die Titel dekotiert und die letzten Aktionäre vor drei Jahren mittels Squeeze-out-Verfahrens zum Teufel gejagt. Peter W. Janz, einst Chef der Praktiker-Märkte, heute als Unternehmensberater im idyllisch am Vierwaldstättersee gelegenen Kastanienbaum tätig, glaubt sowieso nicht an einen Börsengang. Nach seinen Einschätzungen «bleiben die Aussichten für die Baumärkte in Deutschland düster. Da gibt kein Investor einen müden Euro für eine Praktiker-Aktie.» Die Kette werde verkauft, ist Janz überzeugt. Mit dem Erlös wolle Metro seine Auslandexpansion finanzieren.

Und falls der Handelsgigant, der über seine in Baar domizilierte Holding beeinflusst wird, Praktiker doch über den Kapitalmarkt verscherbelt? Dann werden sich die Anleger hoffentlich an den Werbespruch der Metro-Tochter Media-Markt erinnern: «Ich bin doch nicht blöd.» Die Metro-Mannen dagegen könnten frei nach dem Praktiker-Firmenmotto handeln: «Geht nicht, gibt’s nicht.»

Bis vor kurzem haben sich viele Analysten in Lobpreisungen auf Kaba überschlagen und die Aktien zum Kauf empfohlen. Nur haben sich die angeheizten Erwartungen nicht bestätigt: Zwar rapportierte das auf Sicherheitstechnik spezialisierte Unternehmen jüngst für das Geschäftsjahr 2004/05 eine Gewinnsteigerung um 40 Prozent, Umsatz und Betriebsgewinn dagegen haben stagniert. Sogleich stürzten die Kaba-Aktien um über elf Prozent ab. Den tiefen Fall nicht verhindert hat die Tatsache, dass die Aktionäre 20 Prozent mehr Ausschüttung erhalten.

Zugegeben, Kaba hat kein Glanzresultat geliefert. Doch dass die Titel dermassen abgestraft wurden, hat mich überrascht. Die Aktien sind zwar keine Börsenheuler, dafür solide Wachstumspapiere. Kaba ist mit Schlössern und Schlüsseln gross geworden; die Zukunft jedoch umschreibt das Kaba-Schlagwort «Total Access»: von Zutrittskontrolle über Zeitwirtschaft bis hin zu Betriebsdatenerfassung. Also alles rund ums intelligente Gebäude, ein riesiges Betätigungsfeld. Deshalb ist das Management unermüdlich auf Brautschau. Die Kaba-Papiere sind mit einem für dieses Jahr geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 18 kein Schnäppchen. Langfristig jedoch bieten die Aktien viel Freude.

Speedel hat im vergangenen Frühling überraschend das kurz bevorstehende Going-public abgesagt. Ebenso überraschend ist die blutjunge Biotechnologiefirma im September doch noch an die Börse gegangen. Überraschend auch das Vorgehen: Vorgängig wurden nicht, wie sonst üblich, zusätzliche Aktien via Kapitalerhöhung geschaffen, weshalb vor der Erstnotiz an der Börse kein Emissionspreis festgelegt werden konnte. Ebenso bemerkenswert die Ankündigung von Alice Huxley (Bild), Chefin, Mitgründerin und Hauptaktionärin von Speedel, wonach unter den 60 Altaktionären kaum einer bereit sei, in grösserem Stil Titel abzugeben.

Dennoch ist ein reger Handel zu beobachten. Die bisherigen Aktionäre sind also verkaufswilliger, als sich Huxley dies vorgestellt hat. Doch nun dürfte der Handel ausdünnen. Ein heikler Punkt, denn Aktien mit geringer Marktliquidität sind oft heftigen Kursausschlägen unterworfen. Der Biotechnologie-Analyst einer Privatbank macht auch hinter dem Kurs ein Fragezeichen. Speedel schossen auf über 150 Franken hoch, wurden aber wieder etwas zurückgebunden. Eine Bewertung der Aktien ist schwierig, weil die Firma Verluste schreibt. Einen Anhaltspunkt liefert die kurz vor dem Börsengang aufgelegte Wandelanleihe; dort wurde der Wandelpreis für eine Speedel-Aktie mit 125 Franken festgelegt.

Wohlgemerkt, ich betrachte Speedel als interessantes Unternehmen; sieben Wirkstoffe aus dem Gebiet Herz-Kreislauf-Erkrankungen stecken in der Pipeline, deren zwei befinden sich in der klinischen Phase drei, das Potenzial für ein Blockbuster-Medikament ist gut. Doch die den Biotech-Aktien innewohnenden Risiken sowie die geringe Marktliquidität bei Speedel gemahnen zur Vorsicht. Das Going-public hat dafür die Speedel-Schrittmacher noch reicher gemacht: Alice Huxley hält Aktien für 263 Millionen Franken, Fritz Gerber kommt auf 125, Rolf Hänggi auf 92 und Branco Weiss auf 62 Millionen Franken.

Höre ich das Stichwort Tamiflu, beginnt mein linkes Augenlid zu zucken. Manch ein Leser will wissen, ob er nun wegen des von der ganzen Welt begehrten Grippemittels Aktien des Herstellers Roche kaufen soll. Habe ich da etwas nicht mitbekommen? Es stimmt, das Vogelgrippe-Virus H5N1 hält alle in Atem. Es stimmt, Tamiflu hat sich als bislang einzig wirksames Gegenmittel erwiesen. Es stimmt, die USA wollen Tamiflu in Massen kaufen, ebenso Grossbritannien, Frankreich, Japan und fünf Dutzend weitere Länder. Analysten schätzen den Tamiflu-Umsatz für dieses Jahr auf 800, für 2006 auf 1100 Millionen Franken. Auch die Margen sind saftig. Ein kolossales Geschäft jedoch wird Tamiflu erst, wenn es zur Grippepandemie kommt, also zu einer Epidemie globalen Ausmasses. Dann jedoch würde die WHO mit Support der USA und anderer mächtiger Länder sogleich die «Erlaubnis» zur Herstellung entsprechender Generika bei den Baslern abpressen.

«Tamiflu ist nicht nachhaltig», versichert mir eine Pharma-Analystin. Ihre Bank empfiehlt Roche zum Kauf – doch nicht wegen Tamiflu. Der Konzern habe überdurchschnittlich viele Erfolg versprechende Produkte in der Pipeline, vor allem auf dem Gebiet der Krebsbekämpfung. Diese würden langfristig weitaus mehr Ertrag abwerfen als Tamiflu. Da kann sogar ein in diesem Geschäft durchaus üblicher Rückschlag wie jüngst der Stopp der klinischen Studie zum Einsatz des Roche-Medikaments Avastin gegen Eierstockkrebs der Zuversicht kaum etwas anhaben.

Nach einem Kursanstieg von fast 40 Prozent seit Anfang Jahr gehören die Roche-Genüsse zu den teuersten Schweizer Papieren; das für dieses Jahr geschätzte Kurs-Gewinn-Verhältnis von 28 ist atemberaubend hoch. Und dennoch zählen für mich diese Papiere auf mittlere bis längere Sicht zum Attraktivsten, was unser Aktienmarkt zu bieten hat.

Ihr Frank Goldfinger

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