Die neue KI-App Deepseek hat am Montag ein kleineres Erdbeben an den Aktienmärkten ausgelöst. Mit dem Nasdaq 100 Index ging es vorbörslich um mehr als 5 Prozent in den Keller, ehe es zu einer Stabilisierung im New Yorker Handel kam und der technologielastige US-Börsenindex mit einem Minus von knapp 3 Prozent aus dem Handel ging. 

Deepseek kann bei KI-Modellen mit der bereits vorhandenen Rechenleistung deutlich mehr erreichen als bisher angenommen. Darüber hinaus ist das Modell kostenfrei. Das hat tiefgreifende Auswirkungen auf den Halbleitermarkt bei KI-Chips. Diese vermeintlich langsamere Akzeptanz von Hochleistungsrechnern und Umsätzen von Unternehmen, die KI-Modelle verkaufen, hat der Markt am Montag eingepreist. Die US-Halbleiter-Schwergewichte verloren kräftig: Nvidia 16,9 Prozent, AMD 6,5 Prozent, Broadcom 17,4 Prozent und Mikron 11,7 Prozent.

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Titel mit hohen bis sehr hohen Bewertungen reagieren per se empfindlich auf kleine Änderungen der Erwartungen. Die Bewertung der Unternehmen hängt von den zukünftigen, diskontierten Gewinnen ab, die durch ein Vielfaches angenähert werden können. ASML, einer der grössten Hersteller von Maschinen für die Chipherstellung, werde derzeit zu einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 33 gehandelt, Nvidia zu einem Vielfachen von 48, wie die ING Bank in einer Analyse am Montag schrieb. 

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Allerdings gab es neben dem Hardwarebereich am Montag nicht nur Verlierer. Apple, Meta und Amazon verzeichneten Kursgewinne. Dies überraschte allerdings nur bedingt. «Der Markt sagt uns, dass billige Open-Source-KI eine gute Sache ist. Weniger KI-bezogene Investitionsausgaben bedeuten grössere Aktienrückkäufe und höhere Dividenden von etablierten Unternehmen, die nützliche KI-Tools an grosse globale Benutzerkreise vermarkten können», hielten die Analysten und Analystinnen der Research-Boutique Datatrek in einem Kommentar am Montag fest.

Und selbst wenn die grossen Tech-Firmen wie Meta, Amazon oder Google derzeit zu viel Geld in horrend teure KI-Chips investiert haben, sind diese «vielleicht» schlecht investierten Gelder bereits abgeschrieben und für die Aktienkurse von morgen irrelevant. «KI ist jetzt eine Herausforderung für Produktentwicklung und Marketing und kein Fass ohne Boden bei den Kapitalinvestitionen», so Datatrek. 

Nachfrage nach KI-Apps und Halbleiterprodukten wird weiter steigen

Bei den Halbleiterherstellern und Nvidia im Speziellen wird eine mögliche Parallele zum Jahr 2000 und der Dotcom-Blase sichtbar. Damals war der Netzwerkhersteller Cisco der grosse Börsenstar, weil die Nachfrage nach Netzwerkausrüstung zum Internetausbau das Angebot bei weitem überstieg. Die Telekom-Firmen kauften aus Angst vor Lieferengpässen Unmengen an Ausrüstung auf Halde. Mit einem plötzlichen Überangebot sah sich Cisco dann im ersten Quartal 2001 gezwungen, unverkaufbare Lagerbestände im Wert von 2,25 Milliarden Dollar abzuschreiben. Der Aktienkurs sackte zwischen März 2000 und September 2001 um mehr als 80 Prozent ab. 

Bei Nvidia von einem neuen Cisco zu sprechen, scheint aber verfrüht. Deepseek führt bei KI-Applikationen vorerst zu einem weniger hohen Ressourcenverbrauch, was die Nachfrage auf den ersten Blick schmälert. Am Umstand, wonach KI-Anwendungen auch künftig überdurchschnittlich wachsen werden, ändert das wenig. Die Nachfrage nach Halbleitern, Speicherchips und Hardware zu deren Produktion wird deshalb auch in den nächsten Jahren hoch bleiben.

Die Digitalexpertin Jen Zhu Scott erklärte gegenüber Bloomberg, Deepseek werde zu einer stärkeren Nachfrage der bisherigen Nvidia-Chipgeneration führen. Diese sind günstiger in der Anschaffung als die neueste Generation. Und auch wenn sich die Mengenfrage bei den Hochleistungs-KI-Hardwares stellt, so dürfte Nvidia am 26. Februar nach Einschätzung der UBS überzeugende Zahlen abliefern. 

Der UBS-Analyst schreibt in einer Kundennotiz am Montag, Nvidia werde starke Ergebnisse für das vierte Quartal (Januar) und eine starke Prognose für das erste Quartal (April) liefern. Die Bedenken der Anlegenden hinsichtlich einer kurzfristigen «Luftblase» seien übertrieben. Der Experte bestätigte das Rating «Kaufen» sowie das Kursziel von 185 Dollar. Das ergibt ein Aufwärtspotenzial von 56 Prozent. 

Gelernte Lektionen und wie investieren

Trotz des gestrigen Kursrückgangs haben sich die Nvidia-Aktien seit Anfang 2023 im Wert fast verzehnfacht. Technologieaktien bleiben wie eh und je hohen Kursschwankungen unterworfen. Das ist der Preis, den Anlegerinnen und Anleger für überdurchschnittliche Renditen aus bahnbrechenden Innovationen zahlen. Es ist langfristig ein gutes Investment, muss kurzfristig aber nicht immer aufgehen. Der gestrige Börsentag zeigte zudem einmal mehr exemplarisch, warum es angesichts der Risiken bei Technologieaktien so wichtig ist, breit diversifiziert anzulegen. 

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Direktinvestitionen in amerikanische Technologietitel sind ein chancenreiches Investment mit viel Risiko. Wer langfristig in Technologie investieren will, ist gut beraten, zum Beispiel in den Exchange Traded Fund «iShares Nasdaq 100» zu investieren. Dieser ETF bildet den Nasdaq 100 Index ab, in dem die hundert wertvollsten US-Technologieunternehmen vertreten sind.

Wer auf Einzeltitel im Technologiebereich setzen will, hat mit den hiesigen Halbleiterzulieferern Comet, Inficon und VAT sowie den Komponentenherstellern AMS Osram, Sensirion und U-Blox ebenfalls eine Auswahl zur Hand.