Die Schweizerische Nationalbank (SNB) belässt ihre Geldpolitik unverändert: Die Negativzinsen auf Giroguthaben betragen weiterhin 0,75 Prozent. Sie bleibt auch weiterhin bei Bedarf am Devisenmarkt aktiv.
Damit bestätigte die SNB am Donnerstag ihre bisherige «Zweisäulen-Politik» im Kampf gegen den starken Franken. Ebenfalls unverändert beliess die Nationalbank die Leitzinsen. Das Zielband für den Drei-Monats-Libor beträgt weiterhin -1,25 bis -0,25 Prozent.
Negativzinsen für Sparer
Mit der unveränderten Geldpolitik der SNB steigt die Wahrscheinlichkeit, dass zunehmend auch Privatkunden diese zu spüren bekommt. Erst am Mittwoch hat die Migros Bank bekanntgegeben, dass sie ab dem 1. Juli die Negativzinsen verstärkt an ihre Kundschaft weitergibt. Privatkunden mit einem Guthaben von über 1 Million Franken müssen ab dann 0,75 Prozent Zinsen bezahlen.
Nachdem die Migros Bank auf ihren Guthaben bei der SNB 2015 noch innerhalb der Freigrenze geblieben war, hatte sie 2016 Strafzinsen bezahlt. Als erste grosse Schweizer Bank hatte im November Postfinance offiziell eine Limite eingeführt, ab der sie Strafzinsen einkassiert.
Bald könnten weitere folgen. Bis sich die SNB nämlich für einen restriktiveren Kurs entscheidet, dürfte nach Einschätzung von Daniel Hartmann von der Bantleon Bank noch einige Zeit verstreichen: «Die erste SNB-Leitzinserhöhung dürfte erst 2019 kommen - nachdem die EZB ihrerseits Ende 2018 den ersten Schritt vollzieht.»
Franken leicht höher
Der Franken hat sich am Donnerstagmorgen zum Euro leicht aufgewertet. Unmittelbar nach Bekanntwerden des SNB-Entscheids um 09.30 Uhr fiel der Euro auf den Tagestiefstand von 1.0710 Franken. Bei dieser Marke stabilisierte sich das Währungspaar. Zuvor hatte die europäische Einheitswährung bei 1.0720 notiert.
Auch der Dollar wertete sich zum Franken um 09.30 Uhr leicht ab und fiel unter Parität. Wenig später musste für einen Dollar aber bereits wieder mehr als ein Franken bezahlt werden. Kurz vor 10.00 Uhr lag der Dollarkurs bei 1.0002 Franken. Der Börsenleitindex SMI notierte unmittelbar nach der Veröffentlichung der geldpolitischen Beschlüsse der SNB mit 8666 Zählern praktisch unverändert.
Franken überbewertet
Die Nationalbank bezeichnet den Franken in ihrer Lagebeurteilung als weiterhin deutlich überbewertet. Sie will bei Bedarf denn auch am Devisenmarkt aktiv bleiben, wobei sie die gesamte Währungssituation berücksichtigt, und nicht nur den Kurs des Frankens zum Euro.
Gleichzeitig hat die SNB ihre Inflationsprognose für das laufende Jahr auf 0,3 Prozent erhöht. Im Dezember war sie noch von Preissteigerungen von lediglich 0,1 Prozent ausgegangen. Angesichts der günstigen Entwicklung der internationalen Konjunktur seien die Aussichten für die Schweizer Wirtschaft für das laufende Jahr verhalten positiv, hiess es weiter. Insgesamt rechnet die SNB hierzulande weiterhin mit einem Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent.
Keine Überraschung
Die SNB-Entscheide wurden in dieser Form erwartet. Praktisch alle Experten gingen von einer unveränderten Geldpolitik der SNB aus. Weder die am Mittwochabend bekannt gegebene Leitzinserhöhung der US-Notenbank Fed, noch das Festhalten der Europäischen Zentralbank (EZB) an ihrem Wertpapierkauf-Programm hatte laut Einschätzung der meisten Experten die Ausgangslage für die Nationalbank verändert.
Die Fed hob den Leitzins am Mittwoch um 25 Basispunkte an und bekräftigte ihre Prognosen für die Geldpolitik. Fed-Chefin Janet Yellen betonte auf der Pressekonferenz erneut, die Geldpolitik «langsam» normalisieren zu wollen.
Frankreich entscheidend
Politisch bleiben die USA eines der Risiken, die für UBS-Analyst Alessandro Bee erklären, warum die SNB zögert. Denn auch wenn die Nationalbank die Wirtschaftslage in der Schweiz und international positiver einschätzt, bleiben die Risiken der europäischen Politik, der USA und des Brexit. «In den nächsten Wochen wird wohl Frankreich zuoberst auf der Agenda stehen – je wahrscheinlicher ein Sieg von Le Pen, desto stärker der Druck auf die SNB, doch zu handeln.»
Ähnlich auch die Einschätzung von Ursina Kubli, Bank J. Safra Sarasin: «Das Extremrisiko der niederländischen Wahlen ist ausgeblieben. Das ist ein guter Vorbote für die französischen Wahlen. Allerdings waren die niederländischen Wahlen nicht wirklich auf dem Radar der Finanzmarktteilnehmer. Entsprechend erwarten wir nicht, dass der Druck auf die SNB abnimmt.»
Aufwertungspuffer schaffen
Nach Meinung von Thomas Gizel, Analyst bei der VP Bank, arbeitet die SNB wohl bereits auf die französischen Wahlen hin. Die eidgenössischen Währungshüter würden sich alle Mühe geben, die Aufwertungen des Franken zu begrenzen.
Wie Gizel vermutet, wollen sich die Notenbanker vor dem schlimmsten Falle – einem Sieg Le Pens – ein Stück weit absichern und daher den Franken vor dem Urnengang soweit wie möglich schwächen. Damit verschafften sich die Währungshüter eine «Art von Aufwertungspuffer», sollte es zu einer Flucht in den Franken im vor- oder nachgelagerten Zeitraum der Wahlen kommen.
(reuters/bloomberg/sda/jfr/ise/mbü)
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