Der Preis des Dollars in Franken ist beinahe auf einem Rekordtief. Reflexartig wird bei jedem Dollar-Zwischentief wieder die Frage diskutiert, wie gefährlich diese Entwicklung nun sei, ob sie ein Ende der US-Hegemonie in der Weltwirtschaft oder zumindest den Abgesang auf die dominierende Rolle der US-Währung einläutet. Gleich vorab: Eine solche Interpretation der Währungsentwicklung ist Nonsens. 

Das zeigt schon ein genauer Blick auf die Kursentwicklung: In Franken notierte der Preis des Dollars am Mittwochmorgen unter 86 Rappen. Tiefer fiel der Dollarkurs bisher nur in extremen Marktsituationen wie im Januar 2015, als die Schweizerische Nationalbank den Mindestkurs des Frankens zum Euro aufhob, oder auf dem Höhepunkt der Eurokrise im Sommer 2011.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Beide Male wurde die Entwicklung aber vom Franken getrieben, der eine extreme Aufwertung als sicherer Hafen verzeichnet hat – nicht nur gegenüber dem Dollar.

Gefallen ist der Dollarwert jüngst allerdings auch gegenüber anderen wichtigen Weltwährungen. Ein Bild davon zeichnen der sogenannte Dollar Index und die von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich berechneten effektiven Wechselkurse. Sie alle indexieren die Dollarentwicklung handelsgewichtet gegenüber einer Vielzahl anderer Währungen. Doch diese Betrachtung zeigt, dass der Dollar selbst jetzt noch immer deutlich höher bewertet ist – selbst kaufkraftbereinigt – als im vergangenen Jahrzehnt und dass seiner jüngsten Korrektur ein massiver Kursanstieg voranging.

Zinserwartungen erklären alles

Dieser Wertgewinn des Dollars war die Folge einer atemraubenden Reihe von Zinsanstiegen durch die US-Notenbank Fed. Vor dem März 2022 lag der Leitzins in den USA noch nahe bei null Prozent, jetzt ist er höher als 5 Prozent. Die jüngste Korrektur des Dollars spiegelt letztlich die Erwartung, dass das Fed seine Zinsen Ende Juli ein letztes Mal um 0,25 Prozent anhebt. Bei anderen Notenbanken wie der Europäischen Zentralbank hingegen werden weitere Zinsschritte auch über den Juli hinaus erwartet. 

Weder die deutlich seit 1980 von 30 Prozent auf rund 120 Prozent des Bruttoinlandprodukts angestiegene Staatsverschuldung der US-Regierung noch die chronischen Leistungsbilanzdefizite oder die geopolitische Spaltung sind also für die Kursentwicklung des Dollars verantwortlich, sondern in erster Linie die Erwartungen zur Zinspolitik der Notenbanken, wobei das Fed die weltweit grösste Bedeutung hat. 

Das liegt daran, dass explizit oder implizit noch immer sehr viele Länder der Welt ihre Währung an den Dollar binden, dass der Dollar noch immer die mit Abstand meistgehandelte Währung ist – mit dem Dreifachen des Umsatzes in Euro, der an zweiter Stelle folgt. Und noch immer ist der Dollar die mit Abstand wichtigste Reservewährung und ebenfalls nach wie vor läuft ein grosser Teil des Welthandels über den Dollar, selbst wenn die USA keine Partei sind.

Gerade wegen dieser nach wie vor grossen Rolle des Dollars für die ganze Weltwirtschaft hat die Kursentwicklung der US-Währung weit über die USA eine enorme Bedeutung: etwa für die Geldpolitik und die Finanzierungskosten anderer Länder, für den Welthandel oder für die Kapitalmärkte. An der dominierenden Rolle des Dollars selbst hat sich aber nichts Wesentliches geändert, und es steht auch in absehbarer Zukunft keine glaubwürdige Alternative bereit.